Stiftung Baukultur:Neue Mitte

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Gutes Beispiel: Die Gemeinde Senftenberg in Brandenburg hat einen neuen Hafen gebaut. (Foto: Stadt Senftenberg)

Die Organisation hilft ländlichen Gebieten, für die Bewohner wieder attraktiv zu werden. Zum Beispiel mit einer Umgestaltung der Ortskerne.

Von Joachim Göres

Baukultur - was ist das? Das wollte die Bundesstiftung Baukultur im ersten Baukulturbericht vor einem Jahr mit einer repräsentativen Umfrage herausfinden. In ihrem zweiten Baukulturbericht geht die Stiftung darauf ein, inwieweit sich Baukultur positiv auf die Attraktivität der vielfach von Abwanderung bedrohten Kleinstädte und ländlichen Regionen auswirken kann.

Dabei geht es der Stiftung darum, die Bestände zu erhalten und nicht leichtfertig abzureißen. Städte sollen außerdem bevorzugt in der Mitte wachsen. Ein Übermaß an Neubaugebieten an den Rändern bringt vor allem schrumpfende Kommunen schnell aus dem Lot. Für nur 59 Prozent der Bevölkerung ist der Ortskern noch Treffpunkt. Durch Neugestaltungen können solche Orte aufgewertet werden, wobei an regionale Traditionen angeknüpft werden sollte, in dem zum Beispiel regionale Baumaterialien verwendet werden - eine von vielen Empfehlungen der von der Stiftung in den vergangenen beiden Jahren mit mehr als 1500 Teilnehmern durchgeführten Baukulturwerkstätten. Ein gutes Beispiel hierfür wird im Baukulturbericht mit der Neugestaltung der Ortsmitte in Wettstetten bei Ingolstadt präsentiert. In der in den vergangenen Jahren stark gewachsenen 5000-Einwohnergemeinde entstanden 2013 im Zentrum drei neue Gebäude, in denen sich heute das Rathaus, das Bürgerzentrum sowie eine Altenpflegestation plus Kindertagesstätte befinden. Die Gemeinde hatte die vorher nicht genutzte Fläche erworben, um am neu angelegten Rathausplatz einen zentralen Treffpunkt für den Ort zu schaffen. Die flachen Satteldächer heben sich von den umliegenden Häusern ab, die Fassaden aus geschlemmten Ziegeln lehnen sich an die landestypische Jurabauart an - eine Mischung aus Neuem und Traditionellem.

Die Gemeinden bemühen sich, attraktive Zentren zu schaffen

Im 25 000 Einwohner zählenden Senftenberg in Brandenburg versperrten lange Zeit große Plattenbauten den Blick vom Stadtzentrum auf den Senftenberger See. Durch teilweisen Abriss von Hochhäusern und den neu angelegten Hafen wurde die Kleinstadt mit der Erholungslandschaft verbunden. Hafengelände, Stadtpark, Schloss und Altstadt wurden miteinander in Bezug gesetzt. Beim neuen Stadthafen wurde bei der Auswahl der Materialien Holz, Stahl und Stein auf ein einheitliches Farbkonzept geachtet. Inzwischen ist das ein beliebter Ort, an dem Ausflüge in die Seelandschaft starten oder Familien sich auf einem Spielplatz mit Blick aufs Wasser treffen.

Die Bürger frühzeitig nach ihren Wünschen und Ideen fragen - diese Forderung des Baukulturberichts wurde in der nordhessischen Fachwerkstadt Eschwege umgesetzt. Sie hatten sich vor allem für die Belebung der Altstadt durch die Schaffung von mehr Wohnraum und die Umgestaltung öffentlicher Räume eingesetzt. Unter Einbeziehung von Testpersonen wurde die Fußgängerzone in der 20 000-Einwohner-Stadt neu gestaltet, mit neuer Pflasterung, mehr Sitzgelegenheiten, weniger Parkplätzen und einem barrierefreien Zugang zum Marktplatz. Zudem wurden drei Fachwerkhäuser so umgebaut, dass nun auch körperlich beeinträchtige Menschen dort wohnen können - ein Beispiel für das barrierefreie Wohnen in alten und oft verwinkelten Häusern. Auch bislang verwaiste Innenhöfe werden durch Neugestaltung jetzt wieder genutzt.

Neben der Einbeziehung der Bürger sollten laut Empfehlung der Bundesstiftung Baukultur Experten zu Wort kommen - dazu gibt es in einigen Bundesländern sogenannte mobile Gestaltungsbeiräte, die kleineren Städten und Gemeinden ihre Dienste anbieten. Ein Angebot, das allerdings bisher kaum von den Kommunen in Anspruch genommen wird.

Den positiven Ansätzen stehen aktuelle Entwicklungen entgegen. Einkaufszentren auf der grünen Wiese führen gerade in kleinen Städten zu immer mehr Leerstand bei Läden im Ortskern. Hinzu kommt das Verschwinden der Gastronomie: Allein in Hessen rechnet der Branchenverband Dehoga damit, dass von den 1800 Gasthäusern bis 2020 voraussichtlich 40 Prozent schließen werden. In einzelnen Orten gründen sich Initiativen, um in Eigenregie wieder einen Lebensmittelladen zu eröffnen - ohne solches Engagement drohen Gemeinden die Überalterung und die Verödung ihrer Zentren.

© SZ vom 24.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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