Steuern und Sozialabgaben:Die Krux mit dem Gefühl

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Immer mehr Abgaben, immer weniger im Portemonnaie? Stimmt gar nicht! Arbeitnehmer zahlen weniger Steuern als vor zehn Jahren.

Thomas Öchsner, Berlin

Wenn die Bundesbürger über ihre Steuer- und Abgabenlast reden, jammern sie gerne. "Der Fiskus will immer mehr Geld", lautet eine weit verbreitete Klage. Mit der Realität hat dies jedoch nicht viel zu tun. Zu diesem Schluss kommt zumindest das Bundesfinanzministerium in seinem Monatsbericht für Juni, in dem eine Studie der Industrieländer-Organisation OECD ausgewertet wird. Demnach müssen fast alle Arbeitnehmer-Haushalte in Deutschland weniger Steuern und Sozialabgaben zahlen als vor zehn Jahren.

Der Staat schröpft die Bürger, und viele Menschen haben das Gefühl, dass die Abgabenlast ständig steigt. Doch das stimmt gar nicht. (Foto: dpa)

Nun mögen misstrauische Menschen denken, dass zu so einer Erkenntnis nur das Finanzministerium kommen kann und bekanntlich keiner Statistik zu trauen ist, "die du nicht selbst gefälscht hast". In diesem Fall sind die Fakten aber eindeutig: Seit dem Jahr 2000 gab es immer wieder Steuersenkungen, die die letzten Regierungskoalitionen fortgesetzt haben. So stieg 2010 der Kinderfreibetrag pro Kind und Jahr von 6024 auf 7008 Euro. Das Existenzminimum, das nicht besteuert werden darf, wurde auf 8004 Euro erhöht. Und dank eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts können viele Berufstätige seit Januar einen größeren Teil ihrer Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung steuerlich absetzen. All dies werde Deutschlands Position innerhalb der OECD "noch weiter verbessern", schreibt das Ministerium.

Unterm Strich ist's weniger

Der Bericht enthält außerdem eine andere Erkenntnis, die manchen Dauerrufer nach weiteren Steuersenkungen verblüffen könnte: So sei "die Tendenz zur überproportionalen Belastungssteigerung bei Lohnzuwächsen ("kalte Progression") durch die seit dem Jahr 2000 beschlossenen Steuer- und Abgabensenkungen mehr als aufgewogen" worden. Dabei geht es um die negativen Folgen des progressiv steigenden Tarifs im Steuerrecht. Dieser sorgt dafür, dass der Durchschnittssteuersatz eines Bürgers im Laufe der Zeit selbst dann immer weiter steigt, wenn sein Gehalt nur im Gleichschritt mit der Inflation zulegt, er also real gar nicht mehr in der Tasche hat. Dies trifft vor allem die Gutverdiener in der Mittelschicht. Die Beamten aus dem Hause von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) liefern nun neuen Stoff für die Debatte um den Abbau dieser "kalten Progression". Schließlich können sie nachweisen, dass trotz der kalten Progression die Belastung unterm Strich sogar kleiner geworden ist.

Allerdings liegt die Steuer- und Abgabenlast der deutschen Arbeitnehmerhaushalte innerhalb der OECD deutlich über dem Durchschnitt. Das gilt vor allem für alleinstehende Gering- und Durchschnittsverdiener, bei denen vor allem die Sozialversicherungsbeiträge negativ zu Buche schlagen. So heißt es in dem Bericht des Ministeriums: "Günstiger fällt das Ergebnis für Deutschland aus, wenn der Vergleich auf die Steuerbelastung beschränkt wird, denn die Sozialabgaben sind in Deutschland relativ hoch."

Viele Bürger dürften die Erkenntnisse des Finanzministeriums allerdings wenig beeindrucken. Sie haben nach wie vor das Gefühl, dass ihre Abgabenlast zugenommen hat. Das dürfte nicht zuletzt damit zusammenhängen, dass bestimmte regelmäßige Ausgaben und Gebühren, wie etwa für Strom, den Kindergarten oder für Heizöl, in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen sind. Die Zapfsäulen der Tankstellen spielen bei dieser Wahrnehmung eine besondere Rolle: Als Silvester 2008 die Welt in der tiefsten Wirtschaftskrise seit 80 Jahren steckte, kostete der Liter Super nur noch 1,06 Euro. Am Dienstag mussten dafür zum Beispiel Autofahrer in Berlin schon wieder gut 1,46 Euro herausrücken.

© SZ vom 23.06.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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