Stärkere Finanzmarktkontrollen:Gesetze gegen die Gier

Was hilft den Sparern, wer kontrolliert die Banken? Die wichtigsten Fragen und Antworten aus Europa und den USA.

Cerstin Gammelin, Alexander Hagelüken und Nikolaus Piper

Wird das Geld der Sparer heute besser geschützt?

Bankenstadt Frankfurt am Main, Foto: ddp

Bankenmetropole Frankfurt am Main: Verbesserter Schutz für Sparer.

(Foto: Foto: ddp)

Europa:

Ja. Ab 30. Juni bekommen Anleger Guthaben bis zu 50.000 Euro erstattet, falls ihre Bank pleite geht. Bisher waren nur 20.000 Euro garantiert, und von ihren Einlagen bekamen Sparer auch nur 90 Prozent zurück. Künftig sollen sie innerhalb von maximal 30 Tagen entschädigt werden. Ab 2011 wird die Garantiesumme sogar auf 100.000 Euro verdoppelt. Die Einlagensicherung gilt für Girokonten, Banksparpläne, Sparbücher und -briefe sowie für Tages- und Festgeldkonten und für Bausparverträge. Sie gilt nicht für Aktien oder Anleihen.

USA:

Ja. Im Oktober 2008 erklärte die staatliche Einlagensicherung, dass alle Girokonten, die keine Zinsen bringen, in unbegrenzter Höhe geschützt sind. Diese Notmaßnahme soll Ende 2009 auslaufen. Außerdem garantiert der Staat die Guthaben auf Spar- und Girokonten bis 250.000 Dollar. Das soll allerdings 2014 auf das Vor-Krisen-Niveau von 100.000 Dollar reduziert werden.

Werden Anleger besser beraten?

Werden Anleger besser beraten?

Europa:

Vermutlich. Die EU will europaweit gleiche Beratungsstandards durchsetzen. Die deutsche Regierung plant, die Banken stärker für schlechte Anlageberatungen haften zu lassen, die die Deutschen nach Studien jährlich 20 bis 30 Milliarden Euro kosten. Unter anderem sollen Fehler erst nach zehn statt wie bisher nach drei Jahren verjähren. Der Bundesgerichtshof gibt Kunden in einem neuen Urteil Rechte in Fällen, die bis zu 30 Jahre zurückliegen.

USA:

Vermutlich. Präsident Barack Obama schafft eine Verbraucherschutzbehörde (CFPA). Sie soll dafür sorgen, dass die Banken einfache Finanzprodukte anbieten, die Normalbürger verstehen. Vielen Hausbesitzern in den USA sind zum Beispiel versteckte Kosten in ihren Immobilienkrediten zum Verhängnis geworden. Die Gebühren der meisten Kreditkarten sind undurchsichtig. Das soll sich ändern. Auch für Anlageprodukte wird die CFPA Regeln formulieren. Einen hundertprozentigen Schutz vor schlechter Beratung kann es aber nicht geben. Nach aller Erfahrung werden Anleger, sobald die Erinnerung an die Krise verblasst, wieder höhere Renditen verlangen und die damit verbundenen Risiken unterschätzen.

Können Banken künftig pleite gehen?

Können Banken künftig pleite gehen?

Europa:

Ja und nein. Theoretisch kann jede Bank pleite gehen. Praktisch stützt der Staat systemrelevante Institute mit Milliardensummen, um einen Zusammenbruch des Finanzsystems zu verhindern. Die EU plant ab 2010 ein Frühwarnsysten. Ein Ausschuss soll den Markt beobachten, frühzeitig instabile Institute erkennen und Warnungen aussprechen.

USA:

Praktisch nein. Nach Obamas Vorschlägen bekommt das Finanzministerium das Recht, jedes große und systemrelevante Finanzinstitut unter Zwangsverwaltung zu stellen, sobald diese zahlungsunfähig zu werden droht. Viele kleinere Institute sind in der Krise bereits von der staatlichen Einlagensicherung übernommen und abgewickelt worden. Abzuwarten bleibt, ob dieser Schutz für den Steuerzahler billiger ist als die Milliardenhilfen in der aktuellen Krise.

Werden riskante Geschäfte erschwert?

Werden riskante Geschäfte erschwert?

Europa:

In Zukunft ja. Die EU-Kommission will im Herbst Gesetzesvorschläge machen, nach denen über die Zulassung bestimmter Finanzprodukte entschieden wird. Mehr Sicherheit bietet auch die Regulierung von Rating-Agenturen. Diese dürfen Kunden nicht mehr gleichzeitig bei der Entwicklung eines Produkts beraten und dieses dann bewerten. Dieser Interessenkonflikt gilt als eine der Hauptursachen der Finanzkrise. Banken, die verbriefte Wertpapiere handeln, müssen fünf Prozent der Risiken selber tragen. Damit sollen sie genötigt werden, die Produkte besser zu kontrollieren. EU-Politiker bemängeln die Vorgaben als unzureichend.

USA:

Ja. Erstens müssen große Finanzinstitute mehr Kapital als Sicherheit vorhalten. Zweitens müssen Institute, die Kredite verbriefen und weiterverkaufen, einen Teil des Risikos in ihren Büchern behalten. Drittens sollen komplexe Wertpapiere ("Derivate") künftig auf öffentlichen Plattformen gehandelt werden, statt nur zwischen Käufern und Verkäufern vereinbart zu werden. So erfährt der Staat schneller, welche Geschäfte laufen; außerdem werden Sicherungen für den Fall eingebaut, dass ein Geschäftspartner ausfällt. Wie weit riskante Geschäfte tatsächlich erschwert werden, hängt vom Gesetzgebungsverfahren ebenso ab wie von der Anwendung des Gesetzes. Offen ist zum Beispiel, in welchem Umfang Firmen weiter sogenannte maßgeschneiderte Wertpapiere schaffen dürfen, die dann außerhalb der öffentlichen Plattformen gehandelt werden. Offen ist auch, wie streng die Anforderungen an das Eigenkapital der Finanzinstitute sein werden. Hier werden internationale Standards nötig sein, damit die Banken nicht in Staaten mit weicheren Regeln ausweichen.

Wird nun anders als bisher jedes Finanzinstitut kontrolliert?

Wird nun anders als bisher jedes Finanzinstitut kontrolliert?

Europa:

Ja. Die Europäische Union will grenzübergreifend tätige Banken, Versicherungen und Wertpapierhändler ab 2010 stärker überwachen. Bis dahin sollen die nationalen Aufsichtsbehörden besser miteinander vernetzt, drei europäische Aufsichtsagenturen gegründet und ein gemeinsames Regelbuch entwickelt werden, das für alle Finanzinstitute in der Union gilt. Ziel ist es, künftig kein Institut, kein Produkt und keinen Akteur mehr unbeaufsichtigt zu lassen. Die Aufsichtsagenturen der EU sollen im Falle von Streitigkeiten zwischen nationalen Aufsehern verbindliche Weisungen aussprechen dürfen. Diese dürfen jedoch keinen direkten Einfluss auf die nationalen Haushalte haben. Im Herbst will die EU-Kommission entsprechende Gesetzesvorschläge vorlegen. Bereits beschlossen hat die Union, Hedgefonds und Ratingagenturen genauer auf die Finger zu schauen.

USA:

Ja. Die amerikanische Notenbank erhält weitreichende Vollmachten. Ihre Aufsicht erstreckt sich künftig nicht nur auf Banken im engeren Sinne, sondern auf alle Unternehmen, "die eine Gefahr für die finanzielle Stabilität der Wirtschaft darstellen können". Dazu gehören Versicherungen, die Finanzgeschäfte betreiben, und auch Finanztöchter von Autokonzernen. Strittig ist, ob die Notenbank auch die nötigen Instrumente hat, um diese Aufsicht auszuüben. Einige Finanzinstitute wie Citigroup oder die gescheiterte Versicherung AIG haben so komplexe Strukturen, dass sie von außen kaum zu durchschauen sind. Einige Kritiker Barack Obamas argumentieren, die Regierung müsse die Institute zwingen, kleiner und übersichtlicher zu werden, damit die neuen Regeln funktionieren können. Einige Banken werden allerdings schon dadurch kleiner werden, dass sie nach den neuen gesetzlichen Regeln mehr Kapital vorhalten müssen.

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