Stadt-Soziologin:"Wer zahlt, bestimmt, wo es langgeht"

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Margit Bonacker über die Vor- und Nachteile von Business Improvement Districts in den Städten.

Interview von Sabine Richter

Die Stadtsoziologin Margit Bonacker hat bereits viele Stadtentwicklungs- und Beteiligungsverfahren begleitet. Schwerpunkte ihrer Tätigkeit sind die Themen Zentren- und Quartiersentwicklung, Freiraumplanung, Verkehr und Umgebungslärm. In Hamburg zählen aktuell dazu das Beteiligungsverfahren zum Pergolenviertel und die Moderation der Begleitgruppe Harburger Binnenhafen. Zudem leitet Bonacker die Konsalt GmbH, ein unabhängiges Forschungs- und Beratungsunternehmen mit Sitz in Hamburg.

SZ: Werden bei einem Business Improvement District nicht kommunale Aufgaben privatisiert?

Margit Bonacker: Ich würde den Begriff "privatisieren" nicht so übernehmen wollen. BIDs übernehmen Aufgaben, die die Kommunen aufgrund der knappen öffentlichen Mittel nicht übernehmen können, sozusagen die "Sahnehäubchen" zur Aufwertung von Geschäftsstraßen. Dazu zählt die Aufwertung und Pflege des öffentlichen Raums, aber auch der komplette Umbau von Stadtplätzen. Für Grundeigentümer und Einzelhändler sind damit viele Vorteile verbunden. Dazu zählen die Steigerung oder zumindest die Stabilisierung der Immobilienpreise, für den Einzelhandel höhere Umsatzzahlen. Die Stadt hat das Interesse einer städtebaulichen Aufwertung und die Sicherung der ökonomischen Funktion. Deshalb sollte auch nicht unterschätzt werden, was an personeller Unterstützung und flankierenden Maßnahmen durch die Stadt im Rahmen der bisherigen BIDs erfolgt.

Schöner leben: BIDs übernehmen Aufgaben, die die Kommunen oft nicht übernehmen können. (Foto: Konsalt)

Diese Form von Public - private -Partnership kommt nicht in allen Bundesländern gut an, warum?

Ich sehe hauptsächlich das Problem der demokratischen Legitimierung eines Business Improvement Districts. Bislang bestimmen weitestgehend die (zahlenden) Grundeigentümer, welche Maßnahmen sie ergreifen wollen. Bei Pflegemaßnahmen oder Marketing ist das nicht problematisch, aber durchaus bei größeren städtebaulichen Umbaumaßnahmen. Eine Beteiligung der Öffentlichkeit sieht das BID-Gesetz nicht vor, nach dem Motto "Wer zahlt, bestimmt auch, wo es langgeht". Hier besteht meiner Meinung nach Nachbesserungsbedarf bei der Gesetzgebung.

Wie erfolgreich waren denn die BIDs bisher?

Bislang liegen erst seit rund zehn Jahren Erfahrungen mit den BIDs vor, für Stadtentwicklungsprozesse ist das keine lange Zeit. Gefühlt würde ich sagen, dass die Mehrzahl der BIDs durchaus positiv bewertet werden kann. Die Frage ist, wieweit ein BID an ein und demselben Standort sich dauerhaft etabliert, da die Laufzeit mit maximal fünf Jahren begrenzt ist und jedes Mal aufs Neue nach Ablauf des einen BID ein neues konzipiert werden muss - mit der entsprechenden Überzeugungsarbeit gegenüber zaudernden Grundeigentümern.

Margit Bonacker ist selbständige Stadtsoziologin. Sie hat mit der Firma Konsalt GmbH diverse Stadtentwicklungs- und Beteiligungsverfahren begleitet. (Foto: privat)

Wo sind die Haupthindernisse für den Erfolg eines BID?

Dazu kann ich aus unserer eigenen Erfahrung sagen, dass es ganz wichtig ist, dass alle an einem Strang ziehen und dass Stadt und Eigentümer zumindest im Grundsatz dieselben Ziele verfolgen. Wenn das auseinanderdriftet, besteht die Gefahr, dass beide Seiten eher gegeneinander arbeiten, mit der Folge, dass nach Ablauf eines BIDs ein Anschluss nur schwer zu realisieren ist. Schwierig ist es, wenn Sie in einem Gebiet einen hohen Anteil älterer Grundeigentümer haben, für die ihre Immobilie eine Art Altersversorgung darstellt und die aus diesem Grund nicht mehr investieren wollen oder können.

Welche Rolle nimmt die Stadt ein?

Zunächst einmal ist die Stadt Inkasso-Stelle für die BIDs, das bedeutet, sie sorgt dafür, dass die Eigentümer auch zahlen. Die Stadt schließt zudem den Vertrag mit dem Aufgabenträger und sorgt dafür, dass das Handlungs- und Finanzierungskonzept auch korrekt umgesetzt wird. Insofern sehe ich die Stadt im Idealfall als Unterstützer, vorausgesetzt, es gibt gut funktionierende Arbeitsbeziehungen zwischen Aufgabenträger und der Stadtverwaltung.

Spielt die Online-Konkurrenz für ein BID eine Rolle?

Ja, insofern, als sich auch traditionelle Einkaufsstraßen neu orientieren müssen, da die Nachfrage nach reinen Einzelhandelsflächen zurückgeht. Es geht zukünftig darum, viel stärker als bisher Nutzungsmischungen zwischen Einkaufen, Freizeit und Wohnen zu erzielen, also das urbane und lebendige Quartier, in das die Menschen nicht nur zum Einkaufen kommen, sondern auch zum Flanieren, Freunde und Bekannte treffen, Kultur erleben. Darauf müssen sich auch die BIDs in Zukunft verstärkt einstellen.

© SZ vom 02.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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