Staatliche Rente:Freiwillig einzahlen statt privat absichern

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Senioren im Rennen: Die Regierungskoalition will flexiblere Übergänge in den Ruhestand schaffen. (Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

Die staatliche Altersvorsorge als Geldanlage zu nutzen, war lange verpönt. Jetzt allerdings kann sich das rechnen. Ein Überblick für Mütter, Angestellte und Selbständige.

Von Berrit Gräber, München

Vor ein paar Jahren galt es noch als völlig absurd, freiwillig Geld in die gesetzliche Rentenversicherung zu stecken. Heute ist das anders. In Zeiten von Minizinsen und mageren Renditen, in denen keiner mehr weiß, wohin mit dem Ersparten, scheinen viele Bürger ihr Zutrauen in die Rentenkasse wiederentdeckt zu haben. Bei Rentenberatern stehen die Telefone jedenfalls nicht mehr still.

"Das Vertrauen in die Rentenzusage des Staates ist deutlich gewachsen", sagt Christian Koopmann, Sprecher der Deutschen Rentenversicherung Westfalen. Selbst nach Ansicht der kritischen Experten von der Stiftung Warentest ist die 125 Jahre alte Rentenkasse besser als ihr Ruf - und momentan zumindest konkurrenzfähig, wenn nicht sogar oft rentabler als private Rentenangebote. Das System sei "attraktiver geworden", sagt Marina Herbrich, Präsidentin des Bundesverbands der Rentenberater. Auch viele Arbeitgeber würden es gern nutzen und Rentenpunkte für ihre Mitarbeiter erkaufen. Doch das geht nicht.

"Die Politik sollte den Zugang flexibler machen", fordert Herbrich. Ein Überblick, wer zurzeit freiwillig aufstocken darf und wann es sich lohnt.

Für Angestellte

Wer über seinen Job gesetzlich pflichtversichert ist und einen größeren Betrag auf der hohen Kante hat, darf nicht extra einzahlen, um damit seine Rente aufzubessern. Diese Chance auf "Höherversicherung" wurde 1998 abgeschafft. Eine Ausnahme gibt es allerdings, wie Frank Parche, selbständiger Rentenberater aus Leipzig betont: Angestellte, die vorzeitig in Rente gehen wollen, dürfen sehr wohl investieren. Statt beispielsweise eine private Rentenversicherung gegen Einmalzahlung von vielen Tausend Euro abzuschließen, könnten sie mit dem Geld die Kürzungen für den Vorruhestand vermeiden.

Beispiel: Will ein Angestellter 2,5 Jahre früher in den Ruhestand, muss er auf einen Schlag 32 834 Euro einzahlen, um einen monatlichen Abzug von 136 Euro wettzumachen. Seine Altersrente von 1600 Euro kriegt er dann ungeschmälert, lebenslang. "Er braucht etwa 20 Jahre, bis sich das rechnet, das ist eine Wette auf ein langes Leben und kann sich rentieren", betont Parche. Stirbt er vorher, hat seine Frau noch etwas davon über die Witwenrente.

Private Sofortrenten sind oft nicht vererbbar oder nur gegen Aufpreis. Mehr als ein knappes Prozent Rendite sind dafür zudem nicht drin, wie Merten Larisch, Altersvorsorgeexperte der Verbraucherzentrale Bayern, betont. Die Rendite bei der gesetzlichen Rente liegt laut Koopmann zwischen 3,2 bis 3,8 Prozent, je nach Einzelfall. Aber: Vom Altersgeld gehen noch gut zehn Prozent für die Kranken- und Pflegeversicherung ab sowie möglicherweise Steuern. Auch Erträge aus Privatrenten ab 2005 müssen versteuert werden, Sozialabgaben fallen nicht an.

Für Selbständige

Jeder Freiberufler und Selbständige kann freiwillig in die Rentenkasse einzahlen. Ab derzeit 85,05 Euro bis maximal 1124,55 Euro monatlich ist das möglich. "Es kann sich tatsächlich rechnen", betont Parche. Ein Beispiel: Wer 30 Jahre lang 600 Euro monatlich in die Gesetzliche investiert, bekommt nach heutigem Stand circa 1273 Euro Bruttorente im Monat (vor Sozialabgaben und Steuer), lebenslang. Selbst gute Verträge von Rürup- und Privatrentenanbietern kommen da nicht mit, wie die Stiftung Warentest berechnet hat. Lebenslanger Hinterbliebenenschutz inklusive. Weil die Beiträge in die Rentenkasse steuerlich absetzbar sind, profitiert der Selbständige zudem kräftig in der Einzahlphase. Wer 100 Euro einzahlt, kann derzeit 78 Euro in die Steuer packen.

Attraktives Auslaufmodell: Eine Art gesetzliche Sofortrente kann für privat krankenversicherte Selbständige, Freiberufler und auch Beamte interessant sein, die bis Rentenbeginn nicht die nötigen fünf Jahre Wartezeit beisammen haben und nachschießen wollen. Auf eine Einmalzahlung werden keine Extrabeiträge für die Krankenversicherung fällig, der Staat bezuschusst diese aber mit 7,3 Prozent. Im Vergleich mit anderen Sofortrenten schneide die gesetzliche am besten ab, hat Stiftung Warentest berechnet. Für 20 000 Euro gibt es eine gesetzliche Nettorente von 79 Euro im Monat. Mit einer guten privaten Sofortrente sind 72, mit Rürup-Vertrag monatlich 61 Euro drin. Außerdem lockt ein enormer Steuervorteil. Aber: Diese Chance ist ein Auslaufmodell. Wer profitieren will, muss vor September 1950 geboren sein und den Antrag bis spätestens 2015 stellen.

Für Mütter

Sie können Lücken schließen und sich eine Altersrente sichern. Zwar bekommen Mütter für die Kindererziehung Zeiten angerechnet. Nicht Berufstätige kriegen die für eine Altersrente nötigen fünf Beitragsjahre aber nicht zusammen. "Für Ältere, die kurz vor der Rente oder schon im Ruhestand sind, kann sich nachzahlen richtig lohnen", so Koopmann.

Beispiel: Eine Hausfrau aus Köln, Jahrgang 1950, hat nie in die Rentenkasse eingezahlt, aber zwei vor 1992 geborene Kinder großgezogen. Weil ihr seit 1. Juli pro Kind zwei Jahre Erziehungszeit angerechnet werden, bekommt die Frau jetzt vier Jahre zusammen. Das fehlende fünfte darf sie auffüllen. Zahlt sie für ein Jahr Lücke den Mindestbeitrag von gut 1020 Euro nach, sichert sie sich damit gut 100 Euro Rente und das lebenslang, so Koopmann. Die Investition rechnet sich schon im ersten Jahr des Rentenbezugs.

Für die Ausbildung

Auch für Ausbildungszeiten kann nachgezahlt werden. Etwa vor dem 17. oder nach dem 25. Lebensjahr. So können etwa Langzeitstudenten ihre gesetzliche Rente aufbessern. Sie müssten allerdings bis zum 45. Lebensjahr einen Antrag stellen. "Das macht aber kaum jemand", betont Parche.

Nachzahlungen (bis maximal acht Jahre) sollten wohl überlegt sein. Überweist ein früherer Dauerstudent für den Zeitraum von sechs Jahren den Batzen von 37 626 Euro an die Rentenkasse, kriegt er nach aktuellem Wert dafür lebenslang 2026 Euro mehr Jahresrente, also gut 168 Euro im Monat. Nach 20 Jahren Rentenbezug hätte er 40 525 Euro raus. Brutto. "Wenn jemand älter wird als 85 Jahre, rechnet sich's, sonst nicht", winkt Parche ab.

© SZ vom 12.08.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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