Spekulanten und der Euro:Auf der Suche nach dem Monster

Lesezeit: 4 min

Der Feind ist ausgemacht: Spekulanten bedrohen den Wohlstand in Europa. Aber wer sind sie eigentlich?

Catherine Hoffmann und Moritz Koch

Politiker aller Parteien und Länder rüsten zum Kampf gegen die Spekulanten. Sie sollen verantwortlich sein für das griechische Schuldendebakel und den Absturz des Euro. Mit ihren modernen Finanzinstrumenten führen die Ganoven einen Weltkrieg ohne Waffen. Aber mit zerstörerischer Kraft. Die Politiker sind erschrocken, weil sie überrascht wurden, und panisch, weil der Feind von innen kommt. Der Feind ist das Finanzsystem. Und die Regierenden verstehen die Feinheiten der Krise nicht, das macht Angst.

Die Europäische Währungsunion gilt unter Spekulanten als gewagtes Konstrukt, nicht lebenstüchtig in Krisenzeiten. (Foto: Foto: AP)

Wie bei Soros

Bundeskanzlerin Angela Merkel nennt den 750-Milliarden-Euro-Rettungsschirm alternativlos, um die Zukunft des Euro zu sichern und das Geld der Menschen in Deutschland zu schützen. Ende der vergangenen Woche sei deutlich geworden, dass es "breite Angriffe auf den Euro insgesamt" gebe, sagte Merkel. Und Bundesaußenminister Guido Westerwelle betonte, dass "wir willens, in der Lage und bereit sind, diese Angriffe abzuwehren". Die Regierenden fürchten ein Finanzkomplott.

Wieder war es der legendäre Investor George Soros, der die Krise als einer der ersten heraufziehen sah. Schon zu Jahresbeginn warnte er, dass ein Zusammenbruch der Euro-Zone möglich sei. Soros präsentiert sich gern als Kritiker enthemmter Marktmacht, dabei ist er bis heute einer der erfolgreichsten Spekulanten der Welt. Währungsgeschäfte sind seine Spezialität.

Schon Anfang der 1990er hatte er erfolgreich gegen das britische Pfund gewettet und das europäische Währungssystem erschüttert. Einen Gewinn von einer Milliarde Dollar soll Soros damals eingestrichen haben. Auch dieses Mal dürfte er hohe Margen erzielt haben. Die Manager seines Hedgefonds Soros Fund Management setzten früh auf einen fallenden Euro.

Gefundenes Fressen

Griechenland war ein gefundenes Fressen für die Spekulanten. Hedgefonds hatten sich schon im November zur großen Wette gegen den Euro verabredet. Der Devisenmarkt ist ihr liebstes Spielfeld: kein Markt ist größer, keiner rotiert schneller, an keinem wird so zuverlässig gehandelt, 24 Stunden am Tag und in der Nacht.

Die Europäische Währungsunion galt ihnen als gewagtes Konstrukt, nicht lebenstüchtig in Krisenzeiten, worauf schon ihre Architekten hingewiesen hatten. Ihr Geld sammeln sie nicht nur bei reichen Privatleuten ein, sondern auch bei Banken, Investmentgesellschaften und Stiftungen, die ihr Vermögen so weit streuen wollen wie irgend möglich, um die Verluste klein zu halten.

Nicht jeder Hedgefonds-Manager, der eine Wette abgeschlossen hat, wartet geduldig darauf, dass sie aufgeht. Manche Zeitgenossen helfen nach. Das Einfallstor bot Griechenland, ohne Zweifel der schwächste Staat im Euroraum. Die griechische Regierung hat über Jahre Geld verschwendet, sie hat weit mehr Schulden gemacht als gesund ist.

Das wollte lange Zeit niemand wahr haben: die Griechen nicht, die europäischen Statistiker und Notenbanker nicht, und auch die Anleger nicht, die sorglos griechische Staatsanleihen gekauft haben. Die Käufer haben das Risiko nicht gescheut: Banken, Versicherungen, Pensions- und Investmentfonds haben Milliarden von Euro in die hellenischen Zinspapiere gesteckt.

Nach dem Motto "Kaufen und Halten" legten sie dort die Ersparnisse ihrer Kunden an. Es war als langfristige Anlage gedacht, die ein wenig mehr Rendite bieten sollten als die soliden, aber langweiligen Bundesanleihen. Die Vermögensverwalter haben ihre Depots vollgeladen mit den scheinbar gefahrlosen Anleihen aus Griechenland, Spanien, Italien, Portugal und Irland.

Bis im Dezember die Panik ausbrach: Griechenland hatte seine Statistiken geschönt, Schulden und Defizite verschleiert. Die Ratingagenturen, die prüfen sollen, wie zuverlässig ein Schuldner ist, senkten den Daumen. Und den ersten langfristigen Investoren kamen Zweifel: Sie verkauften ihre Griechenbonds oder versuchten, sich gegen Kursverluste abzusichern.

Zu den wichtigsten Investoren auf dem Anleihenmarkt zählt die Investmentgesellschaft Pimco, eine Tochter der Allianz und einer der wichtigsten Verbündeten der US-Regierung, als sie sich mit aller Macht gegen den drohenden Totalkollaps der Wall Street stemmte. Pimco-Chef Mohamed A. El-Erian gehört zu den größten Griechenland-Skeptikern am Kapitalmarkt und schichtete das Anlagevermögen früh auf Anleihen aus Schwellenländern um. Die Folge des Misstrauens gegenüber Europa lässt sich an den Zinssätzen ablesen. Die Rendite griechischer Staatsanleihen kann sich inzwischen mit der afrikanischer Chaosstaaten messen. Als die Bonitätsprüfer dann in immer schnellerem Takt die griechischen Papiere herabstuften, rochen Hedgefonds-Manager Blut.

EU erklärt Märkten den Krieg
:"Absolute Generalmobilmachung"

Mit allen Mitteln will die EU den Euro verteidigen, was sie mit martialischen Worten klarmacht. Die Apologeten der Gemeinschaftswährung und ihre dramatischen Appelle in Bildern.

Diese risikofreudigen Anleger handeln in der Regel nicht direkt mit Staatsanleihen, sondern bevorzugen Credit Default Swaps (CDS). Das sind Papiere, mit denen sich Anleger für den Fall absichern können, dass ein Schuldner - Griechenland - seine Anleihen nicht mehr bedient. Man kann damit aber auch zocken. Spekulanten nutzen CDS, um damit davon zu profitieren, dass ein Staat der Pleite entgegensteuert. Denn je größer die Gefahr des Staatsbankrotts, desto wertvoller sind die Kreditausfallversicherungen. Auch John Paulson, der mit Wetten auf den Kollaps des amerikanischen Häusermarktes berühmt wurde, profitierte von Credit Default Swaps auf griechische Staatsanleihen, mit denen er offenbar darauf setzte, dass sich die Krise in Europa verschärft.

"Nahe am Zusammenbruch"

Die Geschäfte liefen gut. Nicht nur, weil sich die griechischen Wirtschafts- und Haushaltszahlen als Albtraum erwiesen. Auch die Politiker haben das Geschäft beflügelt - mit ihrem Gerede vom "Haircut", also der Forderung, man müssen all die Käufer griechischer Anleihen in die Pflicht nehmen. Sie sollten auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten. Das Ziel Berlins war es, die Banken an den Kosten zu beteiligen. Tatsächlich hat man so den Hedgefonds zu einem stattlichen Gewinn verholfen, weil die Angst vor einem Bankrott Griechenlands und einem Flächenbrand in ganz Europa nur noch größer wurde. Mit immer neuen Wetten haben die Spekulanten Griechenland schließlich an die Wand gedrückt. "Ein Löwe sucht sich die schwächste Antilope aus, um sie zu reißen", sagt ein Insider. Und das war Athen.

Was viele Politiker als Verschwörung anprangern, ist in Wahrheit nichts weiter als die Logik der Märkte. Sie legen gern den Finger in die Wunde, trommeln lautstark für ihre Wahrheit - und verdienen daran, wenn sie mit ihrer Einschätzung richtig liegen. Weil das aber weh tut, werden die Spekulanten gehasst. Sie werden für ihre Attacken gegen Athen gescholten. Aber wäre in Griechenland alles in Ordnung, wenn es die bösen Spekulanten nicht gegeben hätte? Wäre der Euro eine stabile Währung, deren Mitglieder nur ein bisschen zu viele Schulden gemacht haben?

Für Horst Köhler ist die Sache von Anfang an klar: "Wir waren nahe dran an einem Zusammenbruch der Weltfinanzmärkte", sagte der Bundespräsident schon im Jahr 2008 dem Stern, als die Bankenkrise losbrach. "Jetzt muss jedem verantwortlich Denkenden in der Branche selbst klar geworden sein, dass sich die internationalen Finanzmärkte zu einem Monster entwickelt haben, das in die Schranken gewiesen werden muss." Vor wenigen Tagen geißelte der ehemalige IWF-Chef erneut den "Pumpkapitalismus" und warf den Politikern Versäumnisse bei der Regulierung der Finanzmärkte vor.

Hedgefonds unterliegen bisher praktisch keiner Aufsicht. Selbst Transparenzpflichten haben sie nicht. Daher kennen nur sie ihre genauen Handelspositionen. Welche Macht sie ausüben, ist unklar. Unbestritten ist allerdings, dass sie die Speerspitze einer Bewegung bilden können, die nach und nach den gesamten Markt erfasst. In diesem Fall war die Bewegung eine Kapitalflucht aus Südeuropa. Künftig sollen Hedgefonds stärker kontrolliert werden, nicht nur in Europa, sondern auch in den USA. So ist es zumindest beschlossen.

© SZ vom 11.05.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: