Smart Home:Alles im Griff

Smart Home: Display statt Tapete: Ob Uhrzeit in anderen Erdteilen, Wetterbericht oder Mail-Eingang, alles ist schon beim Aufwachen unter Kontrolle. Die Superwand gehört zum Prototypen eines Smart Homes, der 2013 von der spanischen Denkfabrik Think Big Factory vorgestellt wurde.

Display statt Tapete: Ob Uhrzeit in anderen Erdteilen, Wetterbericht oder Mail-Eingang, alles ist schon beim Aufwachen unter Kontrolle. Die Superwand gehört zum Prototypen eines Smart Homes, der 2013 von der spanischen Denkfabrik Think Big Factory vorgestellt wurde.

(Foto: AFP)

Ist der Herd aus, die Haustür zu? Hightech soll das Leben sicher und bequem machen. Doch was Technik-Freaks begeistert, halten manche bloß für eine teure Modewelle.

Von Thorsten Riedl

Das Smart Home lädt Technikbegeisterte zum Träumen ein: Die Haustür öffnet sich automatisch, es erkennt dank Smartphone-Verbindung den Bewohner. Das Licht geht automatisch an, die Musik setzt ein. In den Zimmern ist es wohlig warm. Die Heizung hat schon vor der Heimkehr aufgedreht. Das Smart Home lehrt aber auch das Fürchten: Hacker, die in die Kamerasysteme des Hauses eindringen, unbemerkt alles beobachten. Einbrecher, die sich Zugang verschaffen, indem sie Funkcodes knacken. Ein Blick auf das, was möglich ist - und sinnvoll. Nicht nur für Neubauten, sondern auch für bestehende Heime.

Wenn vom Smart Home die Rede ist, sind alle jene Geräte im Haus gemeint, die mittels Funkverbindung ein wenig "Intelligenz" eingehaucht bekommen. Das kann wie im Beispiel der Türöffner sein, der über Bluetooth-Nahfunk mit dem Smartphone kommuniziert, oder die Jalousie, die über das Internet von der Sturmwarnung erfährt und sich automatisch schließt.

Gut zwei Drittel der Deutschen haben den Begriff schon einmal gehört, so das Ergebnis einer Umfrage des Branchenverbandes Bitkom vom vergangenen Sommer. Hoch im Kurs stehen solche Smart-Home-Lösungen, die vor Schlimmerem schützen: Vier Fünftel haben gemäß der Studie Interesse an Systemen, die offene Haustüren automatisch erkennen, knapp mehr als zwei Drittel an Sensoren, um Stürze insbesondere von Senioren zu erkennen und knapp weniger als zwei Drittel an solchen, die Alarm schlagen, wenn der Herd nicht abgestellt ist. Komfortfunktionen wie einer intelligenten Matratze mit Aufsteherkennung und Alarmfunktion geben in der Umfrage nur 14 Prozent ihr Votum.

Viele Anbieter drängen auf den Markt und machen die Wahl zur Qual

Doch um was geht es überhaupt? Der Fantasie sind im Prinzip keine Grenzen gesetzt. Alles, was sich heute manuell vom Menschen bedienen lässt, kann künftig auch eigenständig funktionieren: intelligente Rollläden, Haustüren, Lichter, Musikanlagen, Rauchmelder, Steckdosen, Heizungen - fast alles lässt sich inzwischen schon automatisieren. Voraussetzung dafür sind sogenannte Aktoren oder Schalter, um eine Funktion auszuführen, dazu Sensoren, um verschiedene Zustände der Geräte festzustellen, sowie eine Funk- oder Kabelverbindung mit einem Steuergerät. Infrage kommt da neben einem dedizierten Netzrechner, einem kleinen Server, natürlich auch das meist ohnehin vorhandene Smartphone oder der Tablet-Computer.

Die zentrale Einheit des smarten Zuhauses bildet die Smart-Home-Station. Eine Menge Anbieter drängen hier auf den Markt - und machen die Wahl zur Qual. Starterpakete mit Basis gibt es beispielsweise von Devolo, bekannt als Hersteller von Powerline-Steckdosen zur Internetübertragung via Stromnetz, von Fritz, dem Anbieter der beliebten Fritzbox-Router, Stromlieferant Innogy oder der Deutschen Telekom. Größter Vorteil einer solchen Lösung: Alle Produkte aus dem Haus eines Herstellers arbeiten mit Sicherheit mit den anderen Produktangeboten derselben Marke zusammen. Wegen unterschiedlicher Standards im Smart Home ist das beileibe keine Selbstverständlichkeit.

Wer auf prominente Namen vertraut, hat zudem eine gewisse Sicherheit, dass das Zusammenspiel zwischen der Smart-Home-Basis und den Geräten reibungslos verläuft. Philips beispielsweise bietet mit der Hue-Reihe nicht die günstigsten Lichtsysteme für das intelligente Zuhause, aber weitverbreitete, sodass die Leuchten mit Telekom-, Innogy- oder Devolo-Systemen problemlos funktionieren.

Untereinander funktioniert am verlässlichsten eine Verkabelung der verschiedenen Smart-Home-Stationen. Aber zum einen bestimmen die festen Anschlüsse dann, wo smarte Geräte künftig verwendet werden können, zum anderen verbietet sich eine solche Lösung für ältere Gebäude häufig aus Kostengründen. Handwerker oder Heimwerker müssten Schlitze klopfen oder gleich eine ganze Wand aufbrechen. Für die Elektroinstallation muss der Experte anrücken. Günstiger klappt es mit Funkanschluss. Ein solches System sei "einfach und stufenweise nachrüstbar", sagt Professor Rüdiger Kays vom Lehrstuhl für Kommunikationstechnik der TU Dortmund (siehe Interview). Und das System kann sich mit den Gewohnheiten der Bewohner verändern.

Einige Hundert Euro müssen für ein Smart-Home-System mindestens investiert werden: Bei Innogy zum Beispiel kostet das Starterpaket mit Modulen zum Energiesparen 249 Euro. Im Energiepaket befinden sich neben der Zentrale ein Wandsender, ein Heizkörperthermostat, ein Zwischenstecker sowie ein Tür- und Fenstersensor. Der Smart-Home-Dienst von der Telekom kommt gleich als Abonnement: 9,99 Euro werden für die Basis im Monat fällig - hinzu kommen noch die Steuerungsgeräte.

Wer so viel Geld ausgibt, hat entweder Freude an der smarten Sache oder ist ein kühler Rechner. Professor Harald Simons, Inhaber des Lehrstuhls für Volkswirtschaftslehre an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur in Leipzig, Vorstandsmitglied des Empirica-Instituts sowie Mitglied im Rat der Immobilienweisen, sieht beides kritisch. "Das Smart Home ist eine Modewelle, die wieder abebben wird", erklärt er. Alles, was man im Handumdrehen im Haus erledigen könne, werde in Zukunft auch weiter auf diese Weise getan, sagt er. Das sei oft einfacher. Niedrigere Kosten auf der Strom- oder Heizungsrechnung würden häufig schöngerechnet. "Jedes vernetzte Gerät braucht Strom", sagt Simons. "Eine mögliche Ersparnis stellt sich da schnell als Milchmädchenrechnung heraus."

Wer am Thema Smart Home interessiert ist, tut in diesem frühen Stadium der Technik also gut daran, sich schon einmal in die Materie einzuarbeiten. Nur so verliert man in der Vielfalt der Anbieter, konkurrierenden Standards und Systeme nicht den Überblick. Und wahrscheinlich muss wirklich nicht jeder Handgriff automatisiert werden - aber hier und da hat das Smart Home schon seine komfortablen Seiten.

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