Silber:Glänzende Preise

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Der Silber-Kurs geht in die Höhe. Auch die Zehn-Euro-Silbermünze des Bundes ist bei Anlegern begehrt - sie wird aber bald viel weniger Silber enthalten.

Simone Boehringer

Das Gold des kleinen Mannes ist wieder da: Am Mittwoch stieg der Silberpreis erstmals seit März 2008 über die Marke von 20 US-Dollar je Unze. In der Spitze kostete eine Feinunze (31,1 Gramm) des zweitwichtigsten Edelmetalls nach Gold zwischenzeitlich 20,14 Dollar, teurer war es zuletzt im März 2008 (21,24 Dollar) gewesen.

Die Entwicklung des Gold- und des Silberpreises und welche Silbermünzen es gibt. (Foto: SZ-Graphik: Hanna Eiden)

Zwar ist die Notierung damit immer noch weit entfernt vom Rekordpreis bei knapp 50 Dollar Anfang 1980. Damals war der Preis allerdings von zwei Spekulanten in die Höhe getrieben worden: Die texanischen Brüder Nelson Bunker und Herbert Hunt kauften monatelang große Mengen Silber physisch auf, obwohl sie es für ihr eigentliches Geschäft - sie waren Ölbarone - nicht benötigten.

Die Regulierungsbehörden änderten daraufhin die Regeln so, dass die Hunts zum Verkauf gezwungen waren. Der Silberpreis stürzte ab und trieb die Familie in den finanziellen Ruin. Ein Schicksal, das heutigen Silberinvestoren erspart bleiben dürfte, obwohl auch sie in den vergangenen Monaten einen gehörigen Anteil am steigenden Preis des Edelmetalls hatten.

"Silber-ETF machen inzwischen zehn bis 20 Prozent der Nachfrage nach dem Edelmetall aus", sagt Carsten Fritsch, Edelmetallexperte bei der Commerzbank. Allein die Zuläufe des größten dieser börsennotierten Fonds (Exchange Traded Funds, kurz ETF), des Ishares Silver Trust, "haben zuletzt 80 Tonnen ausgemacht, was den Preis deutlich vorantrieb", beobachtet er.

Tatsächlich haben einige Rohstoff-Investoren zuletzt ihr Interesse ein wenig von Gold zu Silber verlagert, nicht zuletzt wegen des mit rund 1260 Dollar pro Unze historisch teuren Einkaufspreises für Gold. Weil Silber im langjährigen Vergleich dazu in der Regel nicht einmal ein Fünfzigstel von Gold kostet, wird es auch gerne als "kleiner Bruder" oder eben als Gold des kleinen Mannes bezeichnet. Auf dem jetzigen Preisniveau bekommen Anleger sogar mehr als 60 Unzen Silber für eine Unze Gold, was Experten zumeist als starke Unterbewertung des Silberpreises interpretieren.

Anders als Gold, das von Anlegern und zunehmend auch wieder von Zentralbanken wegen seines ehemaligen Geldcharakters vorwiegend zur Absicherung der eigenen Währung oder als Schutz gegen Inflation gekauft wird, spielte das monetäre Motiv bei Silber seither eher eine untergeordnete Rolle. "Mehr als die Hälfte der Silbernachfrage stammt nach wie vor aus der Industrie", so Commerzbank-Experte Fritsch, was die Notierung des Metalls im Zuge der Konjunkturerholung in den Schwellenländern zunehmend vorantrieb. "Positiv schlagen vor allem neue industrielle Anwendungen von Silber zu Buche wie RFID-Identifizierungschips, der Einsatz von Silber zur Wasserreinhaltung in Schwellenländern oder die Nutzung von Silber in Sportbekleidung", erklärt Jochen Hitzfeld, Rohstoffanalyst bei der Hypo-Vereinsbank.

Die Nachfrage aus diesem Bereich gleiche den Ausfall der Fotoindustrie aus, wo Silber mit der zunehmenden Digitalisierung keine so große Rolle mehr spielt. Hitzfeld prognostiziert ob der wachsenden industriellen Nutzung ein Nachfrageplus für Silber von sieben Prozent per anno im nächsten Jahrzehnt. Zum Vergleich: Bislang stieg die Nachfrage um zwei bis drei Prozent jährlich.

Die Nachfrage steigt

Auch die Nachfrage nach Silber als Anlagemetall dürfte weiter steigen, solange sich keine Lösung für die internationale Staatsschuldenkrise abzeichnet. "Die Investmentnachfrage zehrte zuletzt die Angebotsüberschüsse aus der Minenproduktion mehr als auf und sorgte sogar für ein leichtes Angebotsdefizit", so Fritsch von der Commerzbank.

Auch im physischen Edelmetallhandel ist Silber bei Privatanlegern zu einem begehrten Investment geworden. Wer keine 1000 Euro übrig hat, um sich eine Goldmünze zu kaufen, weicht auf Silber aus. "Am begehrtesten sind die Ein-Unzen-Silber-Münzen Wiener Philharmoniker, kanadischer Maple Leaf sowie der American Eagle", sagt Stefan Hagl vom Edelmetallhändler Pro Aurum in München.

Für größere Anlagesummen bieten sich Ein-Kilo-Münzen oder sogenannte Münzbarren an. Im Unterschied zu Gold fallen allerdings bei Silbermünzen und Münzbarren (Form eines Barrens, aber gesetzliches Zahlungsmittel im Herkunftsland) beim Kauf sieben Prozent Mehrwertsteuer an.

Eine Mischform zwischen Absicherung und Edelmetallanlage bietet die Zehn-Euro-Gedenkmünze der Bundesrepublik. Sie ist gesetzliches Zahlungsmittel, lässt die Käufer aber zusätzlich am Silberpreis partizipieren. Zuletzt lag der Materialwert der 18 Gramm schweren Euro-Münze nur noch knapp unterhalb des Nennwerts. Die Regierung will die begehrte Münze daher bald entwerten, wie das Bundesfinanzministerium der SZ auf Anfrage bestätigte.

Für viele Edelmetall-Anleger ist die 10-Euro-Gedenkmünze der Bundesrepublik Deutschland die perfekte Investment-Mischung in der derzeit unsicheren wirtschaftlichen Lage: Sie ist gesetzliches Zahlungsmittel und ist damit an der Ladenkasse genauso einlösbar wie ein Papierzehner. Sollte es im Zuge der Gelddruck-Orgien einiger Notenbanken doch zur Inflation kommen, hat man einen Sachwert in der Hand: 18 Gramm ist die Münze schwer, davon 16,65 Gramm Silber.

Ähnlich wie bei Gold steigt der Preis von Silber in Krisenzeiten meist deutlich an. Nach der jüngsten Rally liegt der Materialwert umgerechnet in Euro noch 15 Prozent unterhalb des Nennwerts von zehn Euro, zudem die Bundesbank die Silberzehner verkauft. Im Unterschied zu klassischen Anlagemünzen wie American Eagle oder Wiener Philharmoniker ist die Euro-Münze nämlich ohne Aufgeld zu bekommen.

Doch genau das könnte für den Herausgeber der Münzen, das Bundesfinanzministerium (BMF), zum Problem werden. "Die Emission einer Gedenkmünze ist aus haushaltsrechtlichen Gründen nicht möglich, wenn ihr Abgabepreis unter dem aktuellen Metallwert liegt", schrieb das BMF bereits im Juli auf Anfrage.

Und zieht nun früher als von Experten erwartet die Konsequenzen. In einem Schreiben, das der SZ in Kopie vorliegt, informierte die Bundesbank die Filialen kürzlich von den Details: "Das Bundesministerium der Finanzen beabsichtigt, dem Bundeskabinett die Anpassung der Legierung der deutschen 10-Euro-Gedenkmünzen von 925er auf 625er Silber sowie eine Reduzierung des Gewichts von 18 Gramm auf 16 Gramm ab dem Jahr 2011 vorzuschlagen."

Eine BMF-Sprecherin bestätigte Echtheit und Inhalt des Schreibens, wollte sich jedoch zum genauen Zeitpunkt der Umstellung nicht weiter äußern. Fest steht: Der Silbergehalt der Münze wird den Planungen zufolge um etwa 40 Prozent sinken. Die Zustimmung des Kabinetts gilt als Formalie.

Das Kalkül der doppelten Absicherung vieler Anleger mit dem Silberzehner verliert damit an Attraktivität. Der Silbergehalt der neuen 625er Münzen wird nur noch zehn Gramm betragen, was derzeit pro Euro-Münze einem Silberwert von gut fünf Euro entspricht. Das Ministerium sieht die Sache freilich anders: "Das BMF bezweckt mit der Reduzierung des Silbergehaltes die Integrität der Gedenkmünze zu schützen, um Rohstoffspekulationen zu verhindern", so die Sprecherin.

© SZ vom 09.09.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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