Share Deals:Eine Frage der Gerechtigkeit

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Werden große Bürotürme verkauft, setzen Investoren gerne auf einen sogenannten Share Deal – und sparen sich so die Grunderwerbsteuer. (Foto: Westend61/imago)

Nicht jeder, der eine Immobilie kauft, muss dafür auch Grunderwerbsteuer zahlen.

Von Martina Herzog und Julia Kilian/dpa

Wer sich den Traum vom Eigenheim erfüllt, muss Grunderwerbsteuer zahlen. Doch finanzstarke Investoren können die Steuer umgehen. Und zwar mit einem Share Deal: Anstatt die Immobilie direkt zu kaufen, übernehmen Investoren eine Gesellschaft zusammen mit einem Partner, der mindestens fünf Prozent der Anteile übernimmt.

Union und SPD wollen in einer möglichen großen Koalition "missbräuchlichen Steuergestaltungen bei der Grunderwerbsteuer mittels Share Deals" den Garaus machen. Doch was im Koalitionsvertrag in zwei Sätze passt, ist in der Praxis ziemlich verzwickt. Die Regelung sei in ihrer ursprünglichen Form durchaus sinnvoll, sagt eine Sprecherin der Berliner Senatsverwaltung für Finanzen. Wer etwa eine Aktie von Bayer kaufe, erwerbe auch Anteile an Grundstücken mit, weil Bayer natürlich Gebäude und Flächen besitze. "Das soll nicht einen zusätzlichen Gang zum Grundbuchamt auslösen", erklärt sie. Anders liege der Fall aber, wenn Gesellschaften nur aus Gebäuden und Grundstücken bestünden. Im kritischsten Fall werde eigens eine Gesellschaft gegründet, nur um ein Gebäude mit Grundstück einzubringen, um es anschließend zu verkaufen.

Wie viel Steuern dem Land so entgehen, kann nur geschätzt werden. "Ich gehe aber davon aus, dass dem Land Berlin jährlich ein Verlust in Höhe von 100 Millionen Euro entsteht", sagt der Berliner Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen von der SPD. Wenn es gelänge, Share Deals erst nach einer längeren Haltedauer zu erlauben und der Verkäufer statt bisher 4,9 Prozent künftig 12,5 oder besser noch 25 Prozent der Anteile behalten müsse, sei das schon ein Fortschritt, findet er. Die steuerpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Lisa Paus, betrachtet das Problem als "Frage der Gerechtigkeit".

Seit September 2016 sucht eine Expertengruppe der Länder nach Lösungen. Zwei Modelle sind aktuell noch im Rennen. Entweder senkt man die 95-Prozent-Grenze ab. Das würde Share Deals unattraktiver machen, weil die Entscheidungsrechte des Mehrheitseigners begrenzt würden. Oder die Steuerlast wird entsprechend der Anteile an der Immobilie aufgeteilt. Die Reform könnte aber unerwünschte Nebenwirkungen haben. Paus: "Die Länder fürchten, dass die Grunderwerbsteuer durch die Reform zu einer Kapitalverkehrsteuer wird. Das wäre aber keine Ländersteuer mehr." Mit anderen Worten: Eine Reform, die ein Schlupfloch in einer Ländersteuer schließen soll, brächte die Länder um Steuereinnahmen. Der Branchenverband Zentraler Immobilien Ausschuss (ZIA) weist auf eine weitere Komplikation hin. "Bei dem Wegfall von Share Deals würde auch jede Umstrukturierung eines Industrieunternehmens mit inländischem Grundbesitz nach aktueller Rechtslage Grunderwerbsteuer auslösen", erklärt Hans Volkert Volckens, der beim ZIA federführend Steuerthemen betreut. "Dies wäre ein erheblicher Nachteil für den Wirtschaftsstandort Deutschland." Eine große Wohnungsgesellschaft, die namentlich nicht genannt werden möchte, findet Share Deals gar nicht so attraktiv. "Wir kaufen für die nächsten hundert Jahre", heißt es dort, - und müsse sich dann mit einem ganzen Rattenschwanz an zusätzlichem langfristigem Verwaltungsaufwand herumschlagen, den eine Gesellschaft mit sich bringe.

Für langfristige Investitionen sei die Vermeidung der Grunderwerbsteuer ohnehin zweitrangig, meint Florian Stahl von der Frankfurter Kanzlei Buse Heberer Fromm. Als Anwalt begleitet er auch selbst Share Deals. "Die Vermeidung der Grunderwerbsteuer ist für Investoren vor allem attraktiv, wenn sie das Objekt innerhalb bestimmter Fristen gleich weiterverkaufen wollen" - für Investoren, die Objekte gern "drehen", wie er es nennt. Doch für Share Deals könne es auch ganz andere Gründe geben. Er würde sie empfehlen, wenn viele Objekten zusammen verkauft würden. Stahl: "Stellen Sie sich einen Aldi, einen Rewe und eine Bäckerei auf einem Parkplatz auf dem Land vor." Da könne die Paketlösung die Dinge vereinfachen.

Die "Verteufelung" von Share Deals müsse aufhören, fordert der Branchenverband Zentraler Immobilien Ausschuss. Dass eine Änderung, wie im Koalitionsvertrag angedeutet, auch den Weg frei macht für sinkende Grunderwerbsteuern, bezweifelt Funktionär Volckens. "Das ist naiv."

© SZ vom 02.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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