Rentengarantie:Zu Lasten der Jungen

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Opportunismus pur: Die Löhne sinken, aber die Renten werden nicht gekürzt - weil Union und SPD die Senioren-Lobby fürchten. Zahlen müssen die Zeche die Jungen.

Thomas Öchsner

Im Frühjahr 2009 erfand die große Koalition eine neue Methode der Rentenpolitik. Vereinfacht gesagt, bestand sie vor allem darin, Ökonomen nicht mehr ernst zu nehmen. Wer sagte, dass im nächsten Jahr die Renten sinken könnten, war für den damaligen Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SPD) ein Panikmacher. Nun stellt sich heraus, dass Scholz die Lage schöngeredet hat. Als er vor ein paar Monaten die Rentengarantie durchsetzte, tönte er noch, die Schutzklausel müsse 2010 gar nicht greifen, weil keine Kürzung der Altersbezüge bevorstehe. Jetzt wird der Schutzschirm sehr wahrscheinlich doch erstmals aufgespannt.

Senioren können zufrieden sein: Die Renten werden nicht gekürzt - obwohl die Löhne sinken. (Foto: Foto: Photocase, janiszinke)

Bei der gesetzlichen Altersvorsorge gibt es eine bewährte Faustformel: Steigen die Löhne, ziehen auch die Bezüge der Rentner an. Mehr als 50 Jahre lang galt dieser Grundsatz auch umgekehrt. Bei sinkenden Löhnen sollten ebenfalls die Altersbezüge zurückgehen. Dies ist ein Beitrag zur Generationengerechtigkeit. Junge und Alte profitieren vom Zuwachs an Wohlstand gemeinsam, zugleich tragen sie zusammen finanzielle Belastungen.

Mit der Rentengarantie haben SPD und Union diese gute Tradition außer Kraft gesetzt - aus Angst, bei den 20 Millionen Rentnern Stimmen zu verlieren und in der Hoffnung, dass die Rentengarantie nie greifen muss. Dies scheint sich als gefährlicher Trugschluss zu erweisen.

Das deutsche Kurzarbeits-Wunder, dem Hunderttausende den Erhalt ihres Jobs verdanken, zeigt seine Schattenseiten: Nicht zuletzt wegen des massenhaften Einsatzes dieser Kurzarbeit dürfte die für die Rentenentwicklung maßgebliche Lohnsumme in diesem Jahr zurückgehen. Die Altersbezüge müssten 2010 deshalb eigentlich sinken. Stattdessen dürfen sich, der Garantie sei Dank, die Ruheständler auf eine Nullrunde einstellen - dies aber schadet der Glaubwürdigkeit der Rentenversicherung ungefähr so sehr wie der Spruch des Ex-Arbeitsministers Norbert Blüm: "Die Rente ist sicher."

In den vergangenen Jahren haben alle bezahlen müssen. Die Rentner haben mehrere Nullrunden hinter sich, und netto blieb von höheren Altersbezügen oft nichts übrig, weil die Sozialabgaben stiegen. Noch schlechter ergeht es aber den Jungen: Sie verlassen die Schule oder die Universität und landen immer häufiger in unsicheren Arbeitsverhältnissen. Sie müssen höhere Beiträge zahlen als die heutigen Rentner und trotzdem in 20 oder 30 Jahren mit einem niedrigeren Rentenniveau rechnen.

Da ist es vertretbar, dass bei sinkenden Löhnen auch die Ruheständler weniger Geld erhalten, auch wenn dies im Einzelfall hart sein mag. Wenn die Regierung trotzdem ankündigt, die Rentengarantie erhalten zu wollen, zeigt dies nur eins: Der Koalition fehlt schon am Anfang ihrer Amtszeit der Mut zu unbequemen Beschlüssen.

Lange durchmogeln kann sich die schwarz-gelbe Koalition jedoch nicht. Sie muss sich möglichst bald entscheiden, ob sie zu den bereits beschlossenen Einschnitten bei den Rentnern steht. In der Rentenformel gibt es mehrere Faktoren, die den Anstieg begrenzen sollen, damit die Beiträge trotz der Alterung der Gesellschaft stabil bleiben. Diese Faktoren, welche die Vorgänger-Regierungen teilweise zugunsten der Ruheständler ausgesetzt hatten, werden von 2010 an gelten. Mögliche Steigerungen in den Jahren danach könnten dadurch komplett aufgefressen werden.

Die Koalition steht deshalb vor schwierigen Aufgaben. Sie sollte an der Rentenformel nicht noch einmal herumdoktern, selbst wenn dies Wählerstimmen kosten sollte. Und sie muss den Kampf gegen die zunehmende Altersarmut beginnen. Vielen Geringverdienern, die ein Leben lang gearbeitet haben, droht in Zukunft ein Alterseinkommen unterhalb des Existenzminimums. Das zu verhindern, wird viel Geld kosten. Aber es wäre ein Beitrag, um das Vertrauen in die Rentenversicherung wieder zu stärken.

© SZ vom 31.10.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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