Reden wir über Geld: Bechtolsheim:"Wie bei den Buddenbrooks"

Finanzberater Christian von Bechtolsheim über Unternehmerfamilien, verprasste Vermögen und seine Erziehung.

A. Hagelüken und H. Wilhelm

Christian von Bechtolsheim, 49, empfängt auf dem Gut seiner Frau im sehr ländlichen Oberbayern. Der Vermögensberater entstammt einem alten Adelsgeschlecht und ist mit Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg verwandt. Der richtige Mann für ein Gespräch über Adel und Geld. Später gibt es Bauernomelette mit Spinat aus dem Garten, zubereitet von der Frau Baronin.

Christian von Bechtolsheim, Foto: Alessandra Schellnegger

Aus dem Crash lernen: Finanzberater Christian von Bechtolsheim ist an nachhaltiger Krisenbewältigung interessiert.

(Foto: Foto: Alessandra Schellnegger)

SZ: Sie heißen Christian Lothar Ludwig Hugo Wilhelm Maria Reichsfreiherr von Mauchenheim, genannt Bechtolsheim. Nennt Sie wirklich jemand so?

Bechtolsheim: Nein. Das steht auch auf keiner Einladung. Da steht immer Baron. Am Telefon sage ich nur Bechtolsheim.

SZ: Ihre Familie ist wie alt?

Bechtolsheim: 900 Jahre.

SZ: Sie sind ein direkter Nachfahre der Fugger, der für lange Zeit reichsten Kaufmannsfamilie Europas. Hat es biographische Gründe, dass Sie Vermögensberater geworden sind?

Bechtolsheim: Ich fand den Umgang mit Geld früher scheußlich. Ich bin überhaupt kein Spekulant. In der Geschichte meiner Familie ist x-mal Vermögen verloren worden. Mich interessiert, was man machen muss, um es zu erhalten - oder neu aufzubauen, was bei mir notwendig war.

SZ: Und was muss man tun?

Bechtolsheim: Sich nicht einseitig ausrichten. Unser Vermögen ist unter anderem dadurch vernichtet worden, dass mein Großvater im Glauben an sein Vaterland im Ersten Weltkrieg eine Million Goldmark in Kriegsanleihen gesteckt hat. Die gesamte Mitgift meiner Großmutter hat er in Kriegsanleihen investiert.

SZ: Die Mitgift! Wir können uns vorstellen, was da zu Hause los war.

Bechtolsheim: Ja. Dann kam die Hyper-Inflation 1923, und dann hat die Familie auch noch zu einem ungünstigen Zeitpunkt nach dem Zweiten Weltkrieg ihre Grundstücke in München verkauft. In der Kaulbachstraße in Schwabing stand das Palais der Familie.

SZ: Heute sehr viel wert.

Bechtolsheim: Und die haben das Grundstück für 50.000 Mark verkauft.

SZ: Oh Mann, Ihr Großvater hat's vergeigt.

Bechtolsheim: Und er hat nicht mal darüber nachgedacht. Für ihn und meine Großmutter waren andere Dinge wichtiger. Geld war so selbstverständlich, dass man gar nicht darüber nachgedacht hat. Nach all den schlechten Geschäften mit Kriegsanleihen und Immobilienverkäufen lebten meine Großeltern in den fünfziger und sechziger Jahren in München unter schwierigen Verhältnissen. Da gab es nicht mal eine richtige Küche. Meine Großmutter hat auf einer Heizplatte gekocht. Sie lud ihre adeligen Freundinnen trotzdem zum Tee ein.

SZ: Auf Silber serviert?

Bechtolsheim: Genau so.

SZ: Gingen sie so schlecht mit Geld um, weil sie adelig waren?

Bechtolsheim: Weil sie es nie gelernt haben. Auch mein Vater nicht, der ist nie auf Broterwerb hin erzogen worden. Der Grundgedanke bei der Erziehung war: Dass das Vermögen schon ausreichen wird. Tat es aber nicht.

SZ: Und dann?

Bechtolsheim: Er hat es irgendwie geschafft, über die Runden zu kommen. Er konnte sehr gut Englisch und arbeitete für die Amerikaner. Später hat ihm der Schwiegervater eine Ausbildung bei Grundig besorgt, aber als er ein halbes Jahr später dort anrief, um zu fragen, wie sich der Schwiegersohn macht, stellte sich raus: Mein Vater ist lieber auf den Tennisplatz gegangen als zu Grundig. Als Vater war er ein Traum, beruflich allerdings nicht sehr realitätsbezogen.

SZ: Wie hat Ihr Vater Geld verdient?

Bechtolsheim: Zeitweise bei einem Freund im Autohandel. Er hat aber auch viele Jahre gar nichts gemacht.

SZ: Und wo kam das Geld her?

Bechtolsheim: Meine Mutter hatte ein bisschen was, mein Vater hatte auch noch ein bisschen was. Und das zusammen reichte irgendwie. In Bayern nennt man das einen Dreiquartelprivatier: Drei Viertel haste schon irgendwie, und das letzte Viertel muss man noch irgendwie dazuverdienen.

SZ: Wie wurden Sie erzogen?

Bechtolsheim: Durch die Unzufriedenheit, die in meinem Elternhaus herrschte, war bei mir von Anfang an klar: Bub, lern etwas Gescheites.

SZ: Und wieso Vermögensberater?

Bechtolsheim: Mich interessiert, was im Crash 1929 abgelaufen ist und ob man daraus lernen kann. Ich finde es spannend zu versuchen, dass wir bei unserer Vermögensberatung Focam etwas klüger agieren als andere Marktteilnehmer.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, was Christian von Bechtolsheim an Unternehmensfamilien besonders findet - und warum die dritte Generation häufig alles verprasst.

"Die dritte Generation ist häufig verzogen"

SZ: Die Firma, die Sie gegründet haben, berät vermögende Unternehmerfamilien. Was ist daran besonders?

Bechtolsheim: Die versuchen, das Familienvermögen zu erhalten. Laut einer Studie gelingt es nur vier Prozent der Unternehmerfamilien weltweit, das Vermögen über drei Generationen zu erhalten.

SZ: Warum?

Bechtolsheim: Weil die Generationen eben sehr unterschiedlich sind. Es gibt den Unternehmer, der Wert schafft. Es gibt den, der es noch verwalten kann und der dritte haut es leider oft auf den Kopf.

SZ: Klassisch, wie bei den Buddenbrooks, die Thomas Mann in seinem Epos einer Kaufmannsfamilie verewigt hat.

Bechtolsheim: Genau wie bei den Buddenbrooks ist häufig die dritte Generation verzogen.

SZ: Wie verhindert man das?

Bechtolsheim: Sie müssen den Kindern Ideale wie Bescheidenheit vermitteln. Ich kenne sehr, sehr reiche Leute, die ihre Kinder so streng erziehen, dass sie zum Beispiel nur gebrauchte Fahrräder oder Autos bekommen. Die haben Milliarden - und sind schon in der vierten Generation.

SZ: Aber wenn man die dritte Generation ist, die das ganze Geld verprasst, das ist doch auch schön.

Bechtolsheim: Ja, herrlich! Wenn man keine Nachfolger hat, denen man etwas vererben möchte.

SZ: Wann ist denn bei Porsche die dritte Generation dran, die alles versaut?

Bechtolsheim: Die ist schon dran: Ferdinand Piëch ist der Enkel. (lacht)

SZ: Sie haben eine adelige Frau. Haben Ihre Eltern das arrangiert?

Bechtolsheim: Überhaupt nicht. Wir haben uns bei einer Cocktailparty kennengelernt.

SZ: Hätten Ihre Eltern ein Problem damit gehabt, wenn Sie eine Bürgerliche geheiratet hätten?

Bechtolsheim: Nein. Meine Mutter ist auch nicht adelig. Mein Vater war der Erste in der Familie, der nicht adelig heiratete - in einem Zeitraum von 900 Jahren.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie Christian von Bechtolsheim die Entwicklung auf den Finanzmärkten beurteilt - und was er von der Stimmung gegen Manager hält.

"Die Zeiten haben sich geändert"

SZ: Auf den Finanzmärkten tobten in den vergangenen Jahren große Gewalten. Investmentbanker stiegen genauso auf wie Hedgefonds-Manager. Gibt es eine Rückkehr zu Maß und Vernunft?

Bechtolsheim: Wir werden es sehen. Die soziale Marktwirtschaft wurde durch das angelsächsische Modell abgelöst, das teilweise einen brutalen Kapitalismus praktizierte. Und bei uns hieß es immer, wir müssen bei allem mitmachen, sonst sind wir international nicht wettbewerbsfähig.

SZ: Wir haben aus der Finanzwelt nie jemanden gehört, der vor Turbokapitalismus warnte. Wir haben immer nur gehört, das muss sein.

Bechtolsheim: Das hätte ich Ihnen auch gesagt, als ich damals bei den Banken arbeitete. Ich fing Ende der 80er Jahre bei der Bayerischen Vereinsbank an. Die wurde damals geführt vom Hackl Max, Dr. Maximilian Hackl. Damals gab es natürlich ein Vorstands- und ein Direktorenkasino. Aber die Vorstände gingen zum Mittagessen auch in die Kantine und setzten sich zu den Pförtnern, um zu hören, was die so denken. Die Bank betrachtete sich als große Familie und war regional ausgerichtet. Das war bis etwa 1990 so. Dann kam ein neuer Vorstand, der ließ sich ins angelsächsische Fahrwasser ziehen und wollte unbedingt internationale Größe erreichen.

SZ: Da ging der Vorstand nicht mehr mit den Pförtnern in die Kantine.

Bechtolsheim: Nein. Vorher war es sehr menschlich, man konnte mit jedem reden. Dann änderte sich alles. Alles wurde hektischer und kurzfristiger, es war nicht mehr die alte Vereinsbank. Und nur wegen dieses Wahns nach internationaler Größe - der das Ergebnis hatte, dass die Bank heute den Italienern gehört. Aber die Vereinsbank war ja kein Einzelfall. Eine ähnliche Anpassung an das angelsächsische Modell gab es bei den anderen Banken auch.

SZ: In den vergangenen Jahren forderten reiche Anleger häufig Megarenditen.

Bechtolsheim: Wir haben im Frühjahr 2000 mit der Vermögensberatung angefangen, da war die Internetblase am absoluten Hoch. Da fragten mich Mandanten: Mit welchen Renditen können wir rechnen? Da habe ich gesagt: Im Schnitt sieben, acht Prozent. Die haben gestöhnt. Da war man andere Renditen gewohnt.

SZ: Was ist denn eine realistische Rendite über einen langfristigen Zeitraum?

Bechtolsheim: Wenn man gut ist, langfristig zwei bis drei Prozentpunkte über dem risikolosen Kapitalmarktzins, also so sechs Prozent.

SZ: Vor Steuern.

Bechtolsheim: Die deutsche Steuerbelastung ist im internationalen Vergleich absolut okay. Dafür, dass es hierzulande einen sozialen Konsens gibt. Was ich nicht okay finde, ist die Begrifflichkeit der Reichensteuer. Das ist eine Stigmatisierung einer ganzen Gesellschaftsschicht.

SZ: Sie zahlen schon Reichensteuer, oder?

Bechtolsheim: Nein, weil mir durch die Wälder in Thüringen und das Gut hier in Bayern aus der Land- und Forstwirtschaft Verluste entstehen.

SZ: Das sagen wir der SPD.

Bechtolsheim: Die Stimmung gegen Manager und Banker ist schon sehr extrem. Finden Sie nicht?

SZ: Verstehen Sie nicht, dass Leute wenig Verständnis für Milliardenspritzen an die Banken und für Manager haben, die jetzt auch noch Boni abkassieren wollen?

Bechtolsheim: Doch, aber die Mehrheit der Bankiers und Manager sind doch anständige Leute.

SZ: Natürlich. Aber es gibt auch Herrn Funke von Hypo Real Estate, der noch sein Gehalt ausbezahlt haben möchte. Und Investmentbanker der Dresdner Bank, die auf Überweisung ihrer Millionenboni klagen.

Bechtolsheim: Vergessen Sie nicht: Die haben alle Verträge und einen gewissen Lebensstil, den sie halten wollen. Ist doch nachvollziehbar, dass die versuchen, das Geld zu bekommen. Es ist verständlich, aber nicht vorbildlich. Die Zeiten haben sich geändert. Vor 100 Jahren hätte sich jeder von den Managern erschossen, der seine Firma zugrundegerichtet hat. Das war eine Frage der Ehre. Ich würde das als Christ aber nicht zur Nachahmung empfehlen. Es ist allemal besser, aus Fehlern zu lernen.

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