Privatinsolvenz:Zweite Chance für zahlungsfähige Schuldner

Lesezeit: 2 min

Schuldenfrei nach nur drei Jahren: Insolvente Verbraucher sollen künftig schon sehr viel früher eine zweite Chance bekommen. Banken und Gläubiger befürchten "erhebliche Verluste" - und dass ein Erlass von bis zu zwei Dritteln der ausstehenden Schulden falsche Anreize setzt.

Von Daniela Kuhr, Berlin

Überschuldete Verbraucher sollen deutlich schneller die Chance für einen Neuanfang bekommen. Künftig können sie bereits nach drei Jahren - statt bislang erst nach sechs Jahren - beantragen, von ihren Restschulden befreit zu werden. Das hat der Bundestag am Donnerstagabend in zweiter und dritter Lesung beschlossen. Voraussetzung ist jedoch, dass der Schuldner innerhalb der drei Jahre mindestens 35 Prozent seiner Schulden sowie die Verfahrenskosten begleicht.

"Damit schaffen wir eine Win-win-Situation für Gläubiger und Schuldner", sagte Unions-Rechtsexpertin Andrea Voßhoff. Bisher würden dem Schuldner nach Ablauf der Frist die Schulden erlassen, "ohne dass es eine Rolle spielt, ob er auch nur einen Cent an seine Gläubiger gezahlt hat". Künftig würden jedoch diejenigen Schuldner belohnt, die sich nicht nur bemühten, sondern auch tatsächlich zur Befriedigung der Gläubiger beitrügen. Wer die Quote von 35 Prozent nicht erreicht, aber wenigstens die Verfahrenskosten aufbringt, wird nach fünf Jahren von seinen Restschulden befreit. Wer nicht einmal die Verfahrenskosten bezahlen kann, muss auch weiterhin sechs Jahre warten.

Seit 1999 ist es für Privatleute möglich, Insolvenz anzumelden. Dazu müssen sie mit Hilfe einer Schuldnerberatung, eines Anwalts oder Steuerberaters bei Gericht einen Antrag stellen und anschließend möglichst viele ihrer Schulden abstottern. Danach werden die restlichen Schulden gestrichen. Im vergangenen Jahr meldeten knapp 130.000 Bürger in Deutschland Privatinsolvenz an.

"Schuldenerlass von 65 Prozent führt zu Fehlanreizen"

Neben der Verkürzung der Insolvenzperiode bietet das Gesetz künftig für Verbraucher ein Insolvenzplanverfahren, ähnlich dem, das es für Unternehmenspleiten bereits gibt. Dabei müssen die Schuldner keine feste Quote erfüllen, sondern können gemeinsam mit ihren Gläubigern ganz individuell aushandeln, unter welchen Voraussetzungen sie eine Restschuldbefreiung beantragen dürfen. Damit werde für Verbraucher eine weitere Möglichkeit geschaffen, sich vorzeitig von Schulden zu befreien, sagte Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP). "Und zwar unabhängig von einer gesetzlich festgelegten Quote oder einer bestimmten Verfahrensdauer."

Kritik kam von der Kreditwirtschaft. "Ein gesetzlicher Schuldenerlass von 65 Prozent führt nicht nur zu Fehlanreizen bei Schuldnern, sondern auch zu erheblichen Verlusten bei Gläubigern", sagte Peter Wacket, Geschäftsführer des Bankenfachverbandes, der die Interessen der Kreditbanken in Deutschland vertritt. Der Verband rechnet damit, dass die Banken künftig auf ein Viertel ihrer Insolvenzerlöse verzichten müssen, die sich derzeit auf einen zweistelligen Millionenbetrag pro Jahr belaufen. Die Regelung betreffe zudem nicht nur Banken, sondern auch Handwerker und andere mittelständische Betriebe.

Der Verband der Insolvenzverwalter Deutschlands glaubt allerdings nicht, dass viele Verbraucher von der halbierten Frist profitieren werden. Die Quote von 35 Prozent sei "deutlich zu hoch", sagte Verbandschef Christoph Niering. "Die große Masse der Schuldner ist dazu einfach nicht in der Lage." Das sei bedauerlich, denn nur in Ausnahmefällen würden Verbraucherinsolvenzen bewusst herbeigeführt. Die Hauptgründe seien meist Krankheit, Arbeitslosigkeit, Ehescheidung oder unternehmerisches Scheitern. Diesen Menschen aber müsse man eine zweite Chance geben.

© SZ vom 18.05.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: