Politiker und die Finanzkrise:Helden ohne Hosen

Lesezeit: 2 min

Sie sollen die Finanzmärkte bändigen, doch sie versagten selbst: Die Politiker - vor allem in den USA - tragen eine gehörige Portion Mitschuld an der Krise.

Alexander Hagelüken

Wenn es stimmt, was britische Zeitungen schreiben, ist die Finanzkrise um eine absurde Volte reicher. Einige Hedgefonds wollen angeblich die Londoner Börsenaufsicht verklagen, weil sie nicht mehr auf den Untergang angeschlagener Banken wetten dürfen. Sie fordern Schadenersatz dafür, dass ihnen die weitere Destabilisierung des internationalen Finanzsystems verboten wird. Während die USA gerade mit einer Billion Staats-Dollar den Super-GAU abwenden will, den die Geldhäuser provoziert haben, denken die Herren in den Nadelstreifen unbeirrt an den eigenen Vorteil.

Der einzig wahre Held in Strumpfhosen: Robin Hood. (Foto: Foto: dpa)

Skrupelfreie und verantwortungslose Akteure

Wahrscheinlich wird diese Episode gar nicht mehr viele Bürger überraschen. Zu viele Akteure der Finanzbranche haben sich in der Krise bereits als skrupelfrei und verantwortungslos erwiesen. Mit waghalsigen Spekulationen setzten sie das Wohl der ganzen Welt aufs Spiel, ohne die eigenen Geschäfte zu verstehen oder sich um ihre Konsequenzen zu kümmern. Beides ist gleich schlimm.

Und deshalb war es ein schwerer Fehler, der Finanzbranche diese zerstörerische Macht überhaupt einzuräumen. Mangelnde Kontrolle und fehlende Regeln vor allem in den Vereinigten Staaten haben die Krise erst ermöglicht - in Zukunft bedarf es mehr Staatsgewalt auf den Märkten.

Zweifel an der Rolle der Politiker

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat deshalb recht, wenn sie nach neuen Regeln ruft und die amerikanische Regierung für ihre langjährige Blockade schwer kritisiert. Doch es beschleichen einen gewisse Zweifel, ob Politiker und Aufsichtsbeamte die messianische Rolle übernehmen können, die mancher von ihnen erhofft.

Das fängt schon beim Spitzenpersonal an. US-Finanzminister Hank Paulson hat als Chef der weltweit größten Investmentbank Goldman Sachs von 1999 bis 2006 jene Entwicklung angetrieben, die die Welt in den Abgrund blicken lässt. Charlie McCreevy, als EU-Kommissar für die Finanzmärkte zuständig, hat jeden Vorstoß torpediert, Banken, Hedgefonds oder Ratingagenturen zu überwachen.

Und wie die staatlich kontrollierten Banken IKB und KfW arbeiten (falls dieses Wort passt), musste der deutsche Steuerzahler unter hohen Kosten lernen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, warum die Bundesregierung jedes Recht zur Kritik hat.

Die neuen Helden in Politik und Aufsichtsbehörden, die es nun weltweit richten sollen, sind häufig Helden ohne Hosen. Natürlich sind ihre Schwächen in den USA besonders auffällig, wo weder Republikaner noch Demokraten den Hausbau ohne eigenes Geld stoppten, der die Immobilienblase wachsen ließ. Doch auch in Europa hätte man sich Fachleute in der Aufsicht gewünscht, die früher vor dem Sprengstoff in den Bankbilanzen gewarnt hätten.

Bundesregierung im Recht

Europäischen Politikern wie Finanzminister Peer Steinbrück lässt sich zugutehalten, dass sie die Probleme kommen sahen. Ein ums andere Mal drängte Steinbrück seine Kollegen aus den USA und Großbritannien, mehr Informationen über Finanzhäuser und ihre Risiken sicherzustellen. Ein ums andere Mal wollten sich die Angelsachsen ihren Turbokapitalismus nicht stören lassen. Deshalb hat die Bundesregierung jedes Recht, jetzt mit einigen europäischen Nachbarn in die Offensive zu gehen und machtvoll neue Spielregeln einzufordern.

Was zum Beispiel geändert werden muss, zeichnet sich längst ab. Es ist zu gefährlich, dass Banken sich bisher das Dreißigfache ihres Kapitaleinsatzes dazuleihen können, um die ganze Welt um Kopf und Kragen zu spekulieren. Es ist falsch, dass Banker durch Millionenboni kurzfristige Gewinne maximieren, ohne auf die Risiken zu achten.

Nach einem Jahr noch keine nennenswerten Erfolge

Und es darf keine Investoren wie Hedgefonds mehr geben, die teilweise außerhalb jeder Aufsicht agieren. Die Finanzkrise dauert schon mehr als ein Jahr an. Es ist beschämend, dass es den Politikern bisher noch nicht gelungen ist, die Spielregeln zu verändern. Offenbar bedarf es erst des Blicks ins schwarze Loch, um Neues durchzusetzen.

Eines aber muss den Menschen klar sein, die auf Rettung hoffen. Alles, was an neuen Regeln für die Finanzmärkte beschlossen wird, müssen Politiker und Aufsichtsbehörden ausführen, die fehlbar sind. Und die das zum Teil schon gezeigt haben. Der Messias ist fern.

© SZ vom 23.9.2008/kim/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: