Neubauten:Luft raus

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In manchen Fällen sind einfache Einbauten wie Fensterfalzlüfter ausreichend. Am effizientesten aber sind Anlagen mit Wärmetauscher. (Foto: Johannes Simon)

Weil Häuser heutzutage stark gedämmt werden, kann nur wenig Feuchtigkeit entweichen. Damit es nicht schimmelt, müssen Bauherren und auch manche Modernisierer daher eine automatische Lüftung einbauen.

Von Katja Fischer/dpa

Zum Lüften morgens und abends die Fenster öffnen - das war einmal. Heute entscheidet ein Lüftungskonzept darüber, wie der Luftaustausch im Haus vonstattengehen muss. "In Neubauten ist laut DIN-Verordnung 1946-6 ein Lüftungskonzept vorgeschrieben", erklärt Peter Paul Thoma, Vorstand im Bundesverband für Wohnungslüftung in Frankfurt. Auch nach einer Modernisierung ist es unter Umständen notwendig - wenn im Ein- oder Mehrfamilienhaus mehr als ein Drittel der Fensterfläche ausgetauscht oder im Einfamilienhaus mehr als ein Drittel der Dachfläche neu abgedichtet wird.

Weil in modernen wärmegedämmten Häusern die Gebäudehülle so dicht ist, dass wenig bis keine Luft durch Fugen und Ritzen gelangen kann, muss nachgeholfen werden. "Entweder durch häufiges manuelles Lüften rund um die Uhr oder durch technische Maßnahmen, die für einen ständigen Luftaustausch sorgen", erläutert Thoma. In hochwärmegedämmten Gebäuden und damit in quasi allen Gebäuden, die nach der aktuellen Energieeinsparverordnung (EnEV) entstehen, muss aus hygienischen und bauphysikalischen Gründen etwa alle zwei Stunden ein Luftaustausch erfolgen.

Das ist ein Problem: In einem Vierpersonenhaushalt fallen täglich bis zu elf Liter Wasser in der Raumluft an. Würden sie über längere Zeit im Inneren bleiben, droht Schimmelbildung. Alle zwei Stunden für fünf Minuten die Fenster zu öffnen, ist den Bewohnern jedoch nicht zuzumuten. "Die Lösung ist eine Wohnraumlüftung, die kontinuierlich den Abtransport feuchter Luft sichert", sagt Thoma. "Wichtig ist, dass das nutzerunabhängig, also auch bei Abwesenheit der Bewohner geschieht." Bauherren sind gut beraten, die Lüftungsanlage schon bei der Planung des Neubaus zu berücksichtigen, denn dann sind die Montagekosten wesentlich geringer als bei einer Nachrüstung. Denn die Lüftungsrohre werden schon im Rohbau in den Estrich oder Beton verlegt.

Aber nicht jeder braucht eine Lüftungsanlage. Ob sie im konkreten Fall sinnvoll und notwendig ist, finden Architekten, Energieberater oder Fachplaner mit dem sogenannten Blower-Door-Test zur Ermittlung der Luftdichtigkeit des Gebäudes heraus. So wird klar, wie viel Luft durch Infiltration ins Gebäude gelangt. "Je stärker das Haus gedämmt ist, umso geringer ist der Wert", erklärt Thoma.

Je nach Ergebnis der Berechnungen erarbeiten die Fachleute ein Lüftungskonzept für das Gebäude. Es enthält Vorschläge, mit welcher Lüftungstechnik die Bewohner be- und entlüften sollten, um die vorgeschriebenen Grenzwerte einzuhalten. Mitunter reichen schon einfache Einbauten wie Fensterfalzlüfter, um genügend frische Luft hineinzubringen. "Sie werden in die Gummilippen der Fenster eingesetzt und lassen die Außenluft in die Zimmer", erläutert der Lüftungsexperte. Allerdings ist der Luftaustausch hier abhängig vom Wetter: An ruhigen, warmen Tagen passiert wenig. Bei starkem Wind strömt die Luft auch mal so schnell herein, dass sie ein pfeifendes Geräusch an den Fenstern erzeugen kann. "Außerdem wird in der kalten Jahreszeit die mit wertvoller Energie erzeugte Wärme auf diese Weise ständig heruntergekühlt", gibt Günther Mertz, Geschäftsführer des Fachverbandes Gebäude-Klima, zu bedenken. Er rät daher zu Lüftungsanlagen, die ständig die Raumluft abführen und frische Außenluft hineinlassen.

"Die energieeffizienteste Lösung sind Lüftungsanlagen mit Wärmetauscher", sagt Mertz. Sie können 80 bis 90 Prozent der Wärme aus der Abluft gewinnen und wieder ins Gebäude führen. Damit lassen sich Heizkosten deutlich senken. Die Geräte saugen Außenluft an, filtern und erwärmen sie und führen sie nach innen. Gleichzeitig wird die verbrauchte Luft über Rohrleitungen nach außen geführt. Dabei wird ihr Wärme entzogen und der einströmenden Luft hinzugefügt. Mithilfe von Filtern lassen sich Schadstoffe und Pollen entfernen. "Damit wird die Luft insgesamt frischer und gesünder, denn auch frei werdende Chemikalien aus Möbeln, Teppichen, Farben, Tabakrauch, Putz- und Reinigungsmitteln bleiben nicht lange im Innern des Hauses", erklärt Michael Conradi von der Branchen-Initiative Wärme+ in Berlin. "Und Wärmeverluste, wie sie die klassische Fensterlüftung mit sich bringt, gibt es quasi nicht."

Fachmännisch installierte Anlagen funktionieren unauffällig und geräuschlos. Sie erzeugen keine Zugluft, weil der Luftaustausch in geschlossenen Systemen vonstattengeht. "Die Betreiber müssen auch nicht befürchten, dass ständig kalte Luft in die Zimmer strömt", stellt Thoma klar. "Lüftungsanlagen sind keine Klimaanlagen, sie kühlen die Luft nicht herunter." Für Neubauten sind zentral gesteuerte Anlagen empfehlenswert, die die Luft im ganzen Haus austauschen. "Sie führen der gesamten Wohnung kontinuierlich die benötigte frische, saubere Luft zu und die verbrauchte, belastete Luft ab", erklärt Conradi. In bestehenden Gebäuden seien sie aber oft aus bautechnischen Gründen nicht einsetzbar. "Dort bieten sich dezentrale Lüftungssysteme an." Einzelne Räume wie Bad, Schlafzimmer oder Küche, in denen besonders viel Feuchtigkeit entsteht, werden damit geregelt belüftet.

© SZ vom 01.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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