Nachhaltiges Bauen:Erfahrungswerte

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In Stuttgart werden von der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen Standards gesetzt. Nachhaltig sind Gebäude demnach, wenn sie gleichzeitig wirtschaftlich, effizient, umweltfreundlich und ressourcensparend sind.

Von Peter Poguntke

Die neue Geschäftsstelle der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) in Stuttgart dient vielerlei Zwecken. Sie bildet ein Forum des Erfahrungsaustausches, hier tagen die Ausschüsse und Arbeitskreise der DGNB - die Geschäftsstelle in der Tübinger Straße stellt außerdem eine nahezu perfekte Visitenkarte für die Anliegen der Gesellschaft dar. Jede Raumeinrichtung, jeder Bodenbelag und jede Wandbeschichtung besteht aus umweltfreundlichen Materialien. Überall sind kleine Hinweistafeln angebracht, die dem Besucher Aufschluss über Art und Vorzüge des betreffenden Materials geben.

Nachhaltig sind Gebäude nach DGNB-Definition dann, wenn sie gleichzeitig wirtschaftlich, effizient, umweltfreundlich und ressourcensparend sind. Sie sollen für ihre Nutzer behaglich und gesund sein und sich optimal in ihr soziokulturelles Umfeld einfügen.

1200 Mitglieder aus Bau- und Immobilienbranche hat die DGNB heute, die 2008 mit ihren Ideen an die breite Öffentlichkeit trat. Zehn ihrer Expertengruppen arbeiten permanent an der Weiterentwicklung der Kriterien für die dreistufige Zertifizierung. 87 Prozent aller gewerblich genutzten Neubauten in Deutschland sind schon nach den DGNB-Standards zertifiziert.

In diesem Jahr wurden die Kriterien der Zertifizierung geändert. "Aus der Branche für die Branche", beschreibt Geschäftsführerin Christine Lemaitre den Grundsatz, nach dem die Leitlinien konzipiert werden. "Wir wollen kein Papier produzieren, sondern Benchmarks setzen und diese möglichst bald umsetzen."

Angesichts von Klimaschutz und Ressourcenverknappung heißt es, mit den vorhandenen Mitteln immer sorgfältiger umzugehen. Ein Beispiel: Etwa ein Drittel des Rohstoffverbrauchs in Deutschland geht auf das Konto von Gebäuden. Das Prinzip des nachhaltigen Bauens will das ändern und langfristig auch für hohe Qualität und Wertbeständigkeit von Häusern und Bauwerken sorgen. Aus diesem Blickwinkel heraus korrespondieren die Konzepte der DGNB auch in besonderem Maße mit der Cradle-to-Cradle-Philosophie, nach der jeder eingesetzte Rohstoff in gleicher Güte möglichst oft verwendet werden soll. Im neuen DGNB-Kriterienkatalog wurde daher der Punkt "Recyclingfreundlichkeit eingesetzter Bauteile" grundlegend überarbeitet.

Neu aufgenommen wurde der Punkt "Mobilität", also die Anbindung eines Gebäudes an die lokale Verkehrsinfrastruktur. Untersucht werden dabei zum Beispiel Fragen wie "wo liegen die nächsten Haltepunkte des öffentlichen Personennahverkehrs?" oder "wie weit ist es bis zum nächsten Bahnhof?" Sogar der Ort des nächsten Fahrradständers wird in der Bewertung der Immobilie berücksichtigt.

Bei diesen Details heißt es für den Bauherrn allerdings auch, sich nicht zu verzetteln. So lag bei der Überarbeitung des Kriterienkatalogs ein Schwerpunkt darauf, nun auch "projektindividuelle Lösungen", wie Christine Lemaitre sie nennt, zu verankern. "Diese oftmals innovativen Ansätze konnten bisher im DGNB-System nicht abgebildet werden", erklärt die Geschäftsführerin, "ein Manko, das jetzt beseitigt ist".

Von der Individualität ist es kein weiter Schritt zum Design. Bekanntlich gelten ja auch auf diesem Gebiet sehr individuelle Maßstäbe, was als ansprechend und schön empfunden wird. Gemeint sind ausdrücklich nicht Themen wie "Kunst am Bau" oder die schon bisher vorhandenen "Grundrissqualitäten", sondern vielmehr der Aspekt der obligatorischen Durchführung von Architektenwettbewerben. "Ein Wettbewerb führt zur noch stärkeren Sensibilisierung für gestalterische Qualitäten eines Bauprojekts", fasst DGNB-Vizepräsident Martin Haas zusammen. Design stellt somit einen neuen prozessualen Aspekt der Nachhaltigkeit dar, der gleichberechtigt neben den ökologischen, ökonomischen, soziokulturellen und technischen Punkten steht.

© SZ vom 28.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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