Mini-Wohnungen:Platz da!

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Platz in der kleinsten Hütte: In Tiny Houses wird jeder Zentimeter genutzt, die Bewohner beschränken sich auf das Nötigste. Hinter der aus den USA stammenden Wohnidee steckt meist der Wunsch, zu sparen. Viele Menschen finden sie aber auch aus ökologischen Gründen interessant. (Foto: Tumbleweed Tiny House Company)

Wie richtet man Mini-Wohnungen sinnvoll ein? Was können Bewohner dabei von Hotels und Ozeandampfern lernen? Eine Anleitung in vier Schritten, für Menschen mit Mut zur Veränderung.

Von Oliver Herwig

Natürlich wäre das schön: hohe Decken, Doppelflügeltüren und ein richtig großer Balkon. Kurz: eine Etagenwohnung mit, sagen wir, vier, fünf großen Zimmern. "Nutzungsoffen" sagen Wohnexperten dazu und meinen Gründerzeithäuser, die sich als ungemein flexibel für heutige Wohnwünsche erwiesen haben. Die Realität sieht eben anders aus. Digitalnomaden leben ohnehin auf der Straße, das heißt im Lieblingscafé, und checken Mails und Status mit einer Tasse Sencha in der Hand, während Mama und Papa Arbeit, Liebe und Familie rund um einen hoch flexiblen Terminkalender organisieren. Und um eine Dreizimmerwohnung mit U-Bahn-Anschluss, wenn sie Glück haben.

So sehr wir auch unser Leben und Wohnen optimieren, es fehlt oft am Platz. Termine lassen sich vielleicht schieben, Kaffeepausen verkürzen - aber Wohnungen sind nun mal ziemlich begrenzt, sie lassen sich nicht einfach aufpumpen und gar nicht so leicht anbauen oder vergrößern. Was also rät der Wohnberater, der nicht das Standard-Programm "Simplify your life" fährt? Wo stecken die Möbel, die gut aussehen, bequem sind und kleine Räume richtig groß rauskommen lassen?

Zur Konzentration auf das Wesentliche gehört auch Atmosphäre

Erster Schritt: Aufräumen. Also doch: "Simplify your life"! Zumindest mal fragen: Brauche ich wirklich alles? Oder vielleicht doch nur zusätzlichen Stauraum? Nicht jeder muss jedenfalls gleich die ganze Bibliothek digitalisieren und auf Online-Plattformen verkaufen, oft reicht es ja schon, all die doppelten Bücher in der dritten Reihe abzugeben und das achte Messer, das nicht schneidet. Doch so sehr man es auch anstellt, irgendwann ist Schluss. Spätestens, wenn man auf dem Futon im leeren Zimmer sitzt.

Zweiter Schritt: Umschauen und von Profis lernen. Zum Beispiel auf Reisen. Bei Hotels muss ja alles stimmen, besonders, wenn man sich nicht gerade eine Suite leisten will. Türen schlagen auf die richtige Seite auf, Schränke und Garderoben verschmelzen zu seltsamen Hybriden, Schreibtische sind höchstens noch kleine Sekretäre für das Tablet oder das Notebook. Maximale Reduktion. Aber: Wie richtet man nun kleine Räume sinnvoll ein?

"Wir versuchen uns auf das Wesentliche und deren Funktionen zu konzentrieren", sagt Ursula Schelle-Müller, Chief Marketing Officer (CMO) von Motel One. Und das seien die Bedürfnisse des Gastes: "Ein sehr hochwertiges Bett, Ablage und Hängemöglichkeiten fürs Gepäck. Im Bad steht ganz klar die Dusche im Fokus. Dabei setzen wir auf wenige Farben, klare Linien und vor allem hochwertigste Qualität." Und dann sagt sie etwas Spannendes: Licht. "Auch die Lichtsituation haben wir mit mehr und flexibleren Leuchten verbessert." Offenbar zählt zur "Konzentration auf das Wesentliche" auch Atmosphäre. Und wie lässt sich die (eigene) Stimmung im Raum wirksamer verbessern, als durch Licht, das sich steuern lässt? Da helfen viele getrennt schaltbare Lichtquellen, um unterschiedliche Stimmungen zu erzeugen. Abschließend gibt Ursula Schelle-Müller einen Rat mit auf den Weg: "Nicht zu viel wollen, funktional denken, dem Gast Raum geben." Der Gast, das sind offenbar auch die Nutzer der eigenen Wohnung? Was wünschen wir uns also wirklich?

Dritter Schritt: Pläne schmieden. Lassen sich Profi-Erkenntnisse so einfach auf die private Wohnung übertragen? Was ist, wenn man es lieber kuschelig und plüschig wünscht, statt hyper-puristisch und minimal? Auch dafür hat die Managerin einen Tipp: "Es hilft sicherlich, wenn man sich zunächst überlegt, welche Funktionen erfüllt werden sollen: Wie multifunktional soll das Zimmer sein? Was ist mir persönlich ganz wichtig? Die Couch, ein Sessel, doch der Schreibtisch . . . ? Kann ich über Einbauten den vorhandenen Raum noch besser nutzen? Auf jeden Fall sollte man sich Zeit nehmen, verschiedenste Varianten zu zeichnen. Es lohnt sich, einen kleinen Raum gut zu durchdenken."

Klingt nach richtig viel Arbeit. Ist es wirklich das Klappbett, das Verwandlungssofa und der Raumtrenner? Oder doch vielmehr eine gute Lichtlösung, die einen beim Aufwachen willkommen heißt und nach der Arbeit runterkommen lässt? Oder Farbe an den Wänden. Natürlich ist das Standard-Weiß auf Raufasertapete hell und freundlich. Doch ob es dem Raum und der gewünschten Atmosphäre entspricht und das Wohlbefinden steigert, darf bezweifelt werden. Es lohnt sich, mittels Augmented Reality oder einfachen Farbmustern Tapeten auszusuchen und neue Farbkombinationen zu testen. Die Einsicht wächst: Je kleiner die Wohnung, desto höher der Aufwand. Während sich in großen Räumen Möbel wie von selbst arrangieren und irgendwie gut aussehen, gehen sie in kleinen Räumen womöglich unter. Daher:

Vierter Schritt: Hingucker setzen, die sich doch nicht zu wichtig nehmen. Stücke, wie den Adjustable Table E1027 von Eileen Gray. Ein Nichts aus Stahl und Glas, der von ClassiCon originalgetreu hergestellt wird. Gray orientierte sich bei ihrer Suche nach platzsparenden Lösungen übrigens an Ozeandampfern, ähnlich, wie es Margarete Schütte-Lihotzky bei ihrer Frankfurter Küche tat, bei der sie sich von Zugküchen inspirieren ließ. Gray jedenfalls beschrieb ihr eigenes Haus E1027 mit den Worten "minimaler Raum, maximaler Komfort" oder "feste und veränderliche Einheiten." Und weil sie leichte, schnell transportierbare Möbel liebte, gab sie ihren Entwürfen immer einen multifunktionalen Dreh mit; Beistelltisch E1027 etwa lässt sich vom Wohnzimmer ins Schlafzimmer bewegen, halb unters Bett schieben und dient dann als Frühstückstischlein. Oder als Ablage für Bücher und all die ausgedruckten Exposees zu größeren Wohnungen. Altbau, vier Zimmer, mindestens. Man darf ja mal träumen dürfen.

© SZ vom 16.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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