Mieterhöhungen nach Modernisierungen:Wer zahlt?

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Vorher, nachher: links eine sanierte, rechts eine unsanierte Hausfassade. (Foto: Jens Wolf/dpa)

Will die Regierung ihre klimapolitischen Ziele erreichen, müssen viele Häuser saniert werden. Wie die Kosten zwischen Mietern, Eigentümern und Staat aufgeteilt werden, ist eine der Streitfragen 2016.

Von Andreas Remien

Die Freude nach der Pariser Klimakonferenz vor wenigen Wochen war groß. "Wir haben Geschichte geschrieben", sagte Barbara Hendricks (SPD), die nicht nur Umwelt-, sondern auch Bauministerin ist. Für die Bewältigung der Energiewende ist dieser Zuschnitt praktisch, schließlich wird ein großer Teil der fossilen Brennstoffe in Gebäuden verfeuert. Die großflächige energetische Sanierung von Immobilien ist ein essentieller Schritt, um den Verbrauch von Öl und Gas in Deutschland zu reduzieren: Die Bauministerin Hendricks kann also wesentlich zur Erfüllung der Ziele beitragen, die die Umweltministerin Hendricks ausgehandelt hat. So einfach ist es jedoch nicht. Denn die Gebäudesanierung ist längst nicht mehr nur eine ökologische, sondern auch eine soziale Frage. Ob Mieter, Vermieter oder Staat - am Ende geht es darum, wer welchen Beitrag leisten muss. In den kommenden Monaten soll neu geregelt werden, wie die Kosten aufgeteilt werden.

Die Debatte ist nicht neu. Angesichts der extrem gestiegenen Mieten in vielen Großstädten einerseits und den ehrgeizigen klimapolitischen Zielen der Bundesregierung andererseits hat sie aber eine neue Brisanz bekommen. Mieter müssen in vielen Städten immer mehr Geld an ihre Vermieter überweisen - und sollen dann auch noch die Kosten für die Modernisierung stemmen? Das gehe zu weit, moniert etwa der Deutsche Mieterbund (DMB). "Die klimapolitischen Ziele in allen Ehren, aber die Energiewende kann nicht auf dem Rücken der Mieter ausgetragen werden", sagt DMB-Geschäftsführer Ulrich Ropertz. Seit Jahren schon stört sich der DMB an den geltenden Regeln, die vor allem Mieter belasten. Modernisiert ein Vermieter nämlich seine Immobilie, darf er dauerhaft elf Prozent der Kosten auf die Jahresmiete aufschlagen. Für viele Mieter ist dies eine gravierende Mehrbelastung - im Extremfall müssen sie ausziehen, weil sie sich die Wohnung nicht mehr leisten können.

Seit Jahren schon kritisiert der Mieterbund die geltenden Regeln

Nicht nur der Mieterbund, sondern auch die Bundesregierung will die geltenden Regeln daher ändern. Im Koalitionsvertrag hatten die Regierungsparteien festgezurrt, die Modernisierungsumlage von elf auf zehn Prozent zu senken - und dies nur "längstens bis zur Amortisation". Die Vermieter hätten die Miete also wieder absenken müssen, sobald sie die Kosten reingeholt hätten. Die Regelung wäre in der Praxis so umständlich und streitanfällig gewesen, dass sie von nahezu allen beteiligten Interessengruppen abgelehnt wurde. Wie eine von der Immobilienwirtschaft in Auftrag gegebene Studie des Inwis-Instituts zeigt, hätten Vermieter außerdem mit dieser Regelung auch langfristig überhaupt keine Rendite erzielen können - und damit keinerlei Anreize gehabt, eine Immobilie zu modernisieren.

Auch die Bundesregierung scheint diesen Konstruktionsfehler erkannt zu haben. Ende November hat das Bundesjustizministerium daher einen neuen Entwurf auf den Tisch gebracht. Vermieter sollen demnach nur noch acht statt elf Prozent der Kosten auf die Miete umlegen dürfen. Die Erhöhung der Miete wäre dauerhaft erlaubt, also nicht nur bis zur Amortisation. Dafür soll sie aber gedeckelt werden: Die Mieten dürfen laut den Vorschlägen innerhalb von acht Jahren nur um höchstens die Hälfte steigen. Vermietern wäre außerdem nur erlaubt, die Monatsmiete um maximal vier Euro pro Quadratmeter zu erhöhen. Acht statt elf Prozent Umlage pro Jahr und die Einführung von Mietgrenzen - kein Wunder, dass die Reaktion der Immobilienwirtschaft entsprechend heftig ausfällt. "Das ist Sozialismus pur", sagt Jürgen Michael Schick, Präsident des Immobilienverbandes IVD.

Die Vertreter der Immobilienwirtschaft befürchten, dass viele Vermieter in Zukunft dann gar nicht mehr modernisieren würden. "Es würde keine Investitionen mehr in den Bestand geben, weil sie sich einfach nicht mehr rentieren würden", sagt Schick. Sollten die Änderungen im Mietrecht kommen, sorge die Bundesregierung selbst dafür, dass ihre eigenen Klimaschutzziele nicht mehr erreichbar seien. Auch die Bundesarbeitsgemeinschaft Immobilienwirtschaft (BID), in der fast alle großen Immobilienverbände mitwirken, prognostiziert einen Einbruch bei der Gebäudesanierung. Hinzu komme, dass die Bundesregierung auch die Regeln für den Mietspiegel ändern wolle. Geplant ist, dass nicht mehr nur die Vergleichsmieten der letzten vier, sondern der letzten zehn Jahre berücksichtigt werden. Weil die Mieten vor zehn Jahren deutlich geringer waren, würde die maximal erlaubte Vergleichsmiete deutlich niedriger liegen. Während die Bauministerin versuche, die energetische Sanierung zu intensivieren, fahre ihr der Justizminister in die Parade, moniert die BID. "Eine Folge wird auch sein, dass viele Wohnungen nicht mehr den Ansprüchen der Mieter genügen", sagt IVD-Präsident Schick.

Im Kern geht es darum, die Schmerzgrenzen auszuloten, für Mieter wie für Vermieter

Würden die vom Justizministerium ins Spiel gebrachten Neuregelungen tatsächlich zu einem Einbruch der Modernisierungen führen? Die Mietervertreter bezweifeln das. "Die Regeln hätten kaum Einfluss auf die Investitionstätigkeit", sagt DMB-Geschäftsführer Ropertz. Die niedrigen Zinsen machten Modernisierungen nach wie vor attraktiv. Hinzu kommt, dass die Bundesregierung Modernisierungen mit verbilligten Krediten und Zuschüssen fördert. Der Mieterbund verweist außerdem auf die heute gängige Praxis. "Regelmäßig berichten die Vermieter, dass sie schon heute oft viel weniger als die erlaubten elf Prozent realisieren", sagt Ropertz. Dies trifft zumindest auf viele große Vermieter zu. Kommunale Wohnungsunternehmen etwa stehen nicht so stark unter Renditedruck und haben außerdem überdurchschnittlich viele Mieter mit geringem Einkommen, die starke Mieterhöhungen gar nicht stemmen könnten. Und abseits der begehrten Groß- und Hochschulstädte haben Vermieter ohnehin kaum Spielräume. Auch Vonovia, das größte private deutsche Wohnungsunternehmen, legt zum Beispiel im Durchschnitt deutlich weniger als die erlaubten elf Prozent der Kosten um. "Wir achten darauf, was in den Märkten vertretbar und vermietbar ist", sagte im Sommer auf dem Tag der Immobilienwirtschaft Vonovia-Chef Rolf Buch. "Es nützt ja niemandem, wenn man der Eisenbahnerwitwe in Gelsenkirchen die Wohnung schön herrichtet und sie sich die Wohnung dann nicht mehr leisten kann."

In den Großstädten haben Vermieter wegen der immensen Nachfrage nach Wohnungen dagegen mehr Spielräume. Immer wieder berichten Mietervertreter von Fällen, in denen Mieter regelrecht aus ihren Wohnungen rausmodernisiert werden. "Doch das sind Einzelfälle", sagt selbst DMB-Geschäftsführer Ropertz, "in der Debatte geht es auch nicht um Gentrifizierung, sondern um die gerechte Verteilung der Kosten." Eine energetische Vollmodernisierung bedeute für viele Mieter oft eine Mehrbelastung von 20, 30 oder 40 Prozent. "Da muss man gegensteuern."

© SZ vom 02.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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