Logistikimmobilien:Schöner lagern

Lesezeit: 4 min

Lagerhallen müssen nicht hässlich sein. Immer mehr Projektentwickler achten auch auf Materialien und Design. Dafür gibt es gleich mehrere Gründe.

Von Bärbel Brockmann

Im südhessischen Lorsch steht eine Lagerhalle, wie man sie sonst so in Deutschland selten sieht. Statt der üblichen Stahlkonstruktion mit einer meist grauen Blechfassade ist diese Halle komplett aus Holz und fügt sich damit auffällig unauffällig in das Weinbaugebiet zu Füßen des Odenwaldes ein. Die Lagerhalle ist das Verteilzentrum des Bio-Lebensmittelhändlers Alnatura. 2014 wurde sie auf 20 000 Quadratmetern gebaut, 2016 durch einen Anbau um weitere 9000 Quadratmeter erweitert. Auch dessen Fassade ist aus Lärchenholz.

Dass ästhetisch ansprechende Lagerhallen hierzulande noch immer Mangelware sind, hängt natürlich vor allem mit den Kosten zusammen. In der Logistikbranche wird äußerst knapp kalkuliert. Deshalb dominieren noch immer große, graue Boxen, die rein zweckorientiert errichtet werden. Ersetzt man zum Beispiel Stahl und Blech durch Holz, koste der Bau zwischen zwölf und 15 Prozent mehr, berichtet Christian Kaufmann, Geschäftsführer der Kaufmann Bausysteme aus Reuthe im österreichischen Vorarlberg. Seine Firma ist auf Holzbau spezialisiert und hat das Verteilzentrum von Alnatura gebaut, wo im Anbau auch die Hallenkonstruktion und das Hochregallager komplett aus Holz sind. "Wir sind abhängig vom Stahlpreis. Je höher der gerade ist, desto besser sind unsere Chancen, einen Zuschlag zu bekommen", sagt Kaufmann. Aber auch in Zeiten hoher Stahlpreise schrecken viele selbst vor den dann geringeren Mehrkosten zurück. Das ist auch aus Sicht von Andreas Fleischer, Nordeuropachef des Immobilienentwicklers Segro, oft zu kurz gedacht. "Von den Gesamtkosten einer Logistikimmobilie entfallen für den Nutzer nur zwischen zehn und 20 Prozent auf die Logistikimmobilie selbst. Der weitaus größere Teil der Kosten entfällt auf das Personal und die Verkehre", sagt er.

Noch die Ausnahme: Das Hochregallager der Biomarkt-Kette Alnatura besteht vorwiegend aus Holz. (Foto: Norman A. Müller/Alnatura)

Diesen Kostenunterschied ist man in anderen Ländern eher bereit zu verkraften, wenn man im Gegenzug eine ansprechendere Immobilie bekommt. In Österreich, beispielsweise. "Bei uns wird schon immer viel mehr Wert auf die Architektur von Industrie- und Gewerbebauten gelegt. Es gibt schon viele Hallen, die komplett aus Holz errichtet wurden, zuletzt auch aus Gründen der Nachhaltigkeit und der Ökologie. Aber wir spüren auch aus Deutschland vermehrt Interesse an ansprechenderen Objekten", sagt Kaufmann. Das liege auch daran, dass der Eigennutzeranteil in Österreich größer sei als in Deutschland - wer eine Halle für sich selbst baut, legt mehr Wert auf das Aussehen. Auch Fleischer von Segro sieht diesen Zusammenhang zwischen Ästhetik und den Eigentumsverhältnissen: "Bei Eigennutzern ist der Designanspruch oftmals größer. Das ist verständlich, ist für viele doch die Immobilie auch ein Marketingobjekt." Das ist auch beim Verteilzentrum von Alnatura der Fall.

"Für viele ist die Immobilie auch ein Marketingobjekt."

Eine Vorreiterrolle in Sachen Ästhetik von Logistikhallen haben die Niederlande inne, und das schon seit vielen Jahren. Fährt man dort an Gewerbegebieten vorbei, sieht man kaum eine Halle, die wie die andere aussieht. Die Niederländer sind in der Logistik nicht weniger kostenbewusst als die Deutschen. Aber dort dürfen sie oft nicht so, wie sie wollen. In vielen Kommunen gibt es sogenannte Ästhetikkommissionen, bei denen ein Baugesuch landet, die Vorschriften erlassen und bei Genehmigungen ein Wort mitzureden haben.

Kommunale Stellen, die mehr über das Aussehen von Lagerhallen mitentscheiden, könnten auch in Deutschland nützlich sein. Denn sie könnten helfen, die Akzeptanz von Logistikimmobilien zu verbessern. Das Image ist nämlich schlecht. Gleichzeitig wächst der Bedarf. Mit dem immer weiter zunehmenden Online-Handel steigt der Bedarf nach Lagerhallen und mit dem Trend zu immer kürzeren Lieferzeiten und zur Lieferung von frischen Lebensmitteln auch die Notwendigkeit, Lager nicht nur weit draußen zu bauen, sondern stadtnah oder auch mittendrin.

Logistikimmobilien müssen nicht hässlich sein, wie das Lager des Büromöbelherstellers Sedus Stoll zeigt. Doch auch eine schöne Fassade ändert nichts daran, dass in den Städten kaum Platz ist für neue Hallen. Werden Flächen frei, werden vor allem Wohnungen oder Büros gebaut. (Foto: Sedus Stoll AG)

Weil es gerade in Süddeutschland immer schwieriger wird, Genehmigungen für den Neubau von Logistikimmobilien zu bekommen, wächst allmählich auch die Bereitschaft, die Hallen attraktiver zu bauen. "Das kann ein Umdenken anstoßen. Wenn man unbedingt an einer bestimmten Stelle sein muss, dann akzeptiert man eben die Bedingungen", sagt Machiel Wolters, Leiter des Researchs für Industrie- und Gewerbeimmobilien in Europa beim Immobilienberatungsunternehmen CBRE. Ein Antrieb sei auch das gestiegene Nachhaltigkeitsbewusstsein. Wer seine Halle zum Beispiel mit Gras begrünt, hat nicht nur einen optischen Kontrapunkt zur Tristesse der Fassade gesetzt, sondern er spart auch die regelmäßig anfallende Reinigung. Wer statt asphaltierter Außenflächen auf ummooste Steine setzt, hat im Fall von Starkregen keine Probleme mit dem Ablaufen des Wassers.

"In Sachen Aussehen ist einiges in Bewegung gekommen", sagt Uwe Brackmann, Geschäftsführer der auf Hallenimmobilien spezialisierten Bauunternehmung Goldbeck. Vor allem Projektentwickler arbeiteten inzwischen zunehmend eigene ästhetische Konzepte aus. Zum einen, um Wiedererkennungsmerkmale an ihren Immobilien zu schaffen. Zum anderen aber auch, um etwas gegen das schlechte Image von Logistikimmobilien zu tun. Auch habe der Druck von Behörden, etwa von Wirtschaftsförderungsgesellschaften, bezüglich des Aussehens von Hallen spürbar zugenommen. In den meisten Fällen geht es um die Farbgestaltung. Das sei auch die kostengünstigste Lösung, meint Brackmann. Aber vielfach werde auch mit Begrünung experimentiert. Durch Baumreihen etwa, die den Blick auf die Hallenfront partiell verdecken. "Wenn es höherwertiger werden soll, wenn andere Materialien wie Glas oder Holz eingesetzt werden sollen, dann ist das meistens dann der Fall, wenn die Halle von Eigennutzern gebraucht wird", sagt Brackmann.

Es gibt noch eine weitere Entwicklung, die nach Einschätzung von Experten dazu führen wird, dass sich Projektentwickler mehr anstrengen müssen: Der Fachkräftemangel zwingt Unternehmen, ein attraktiveres Arbeitsumfeld zu schaffen. Wer zum Beispiel mit einer angebauten gläsernen Kantine punkten kann, die für die Pausenzeit einen Blick nach draußen ermöglicht, wird für die Mitarbeiter attraktiver. "Eine moderne Halle muss gut aussehen, energieeffizient sein und für die Mitarbeiter Service bieten. Mitarbeiter sollen sich nämlich neuerdings wohlfühlen. Sonst bekommt man keine mehr", sagt Fleischer.

© SZ vom 13.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: