Landwirtschaft:Mehr Geld, mehr Bio

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Viele landwirtschaftliche Flächen sind im Eigentum der Kirchen. (Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

Kirchen diskutieren darüber, bei der Verpachtung von Ackerflächen auch auf ökologische Kriterien zu achten. Den Landwirten gefällt das nicht.

Von Joachim Göres

Etwa 60 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Flächen in Deutschland werden verpachtet. Zu den großen Verpächtern zählen evangelische (325 000 Hektar) und katholische Kirchengemeinden (189 000 Hektar). Angesichts steigender Boden- und Pachtpreise sowie zunehmender Diskussionen über den Schutz des Bodens machen sich immer mehr Kirchengemeinden Gedanken, zu welchen Bedingungen sie ihr Kirchenland vergeben wollen. Auf einer Tagung in der Evangelischen Akademie Loccum bei Hannover prallten vor Kurzem die Meinungen aufeinander.

Viele Gemeinden wissen gar nicht, von wem ihre Felder bewirtschaftet werden

In der mecklenburgischen Kirchengemeinde Kieve-Wredenhagen hat ein Arbeitskreis in den vergangenen Jahren Kriterien erarbeitet, damit das Kirchenland auf Dauer gut erhalten wird. Ziele wie mehr Humusgehalt, weniger Bodenerosion und Bodenvergiftung sollen unter anderem durch regelmäßige Bodenanalysen und den Verzicht auf Einsatz von Glyphosat bei der Unkrautbekämpfung erreicht werden. "Wir haben mit sieben unserer Pächter darüber gesprochen, bis auf einen waren alle mit den neuen Regeln einverstanden. Bei der Pachthöhe - wir liegen im Mittel - gab es überhaupt keine Probleme", sagt Christine Jantzen von der AG Landwirtschaft ihrer Gemeinde. "Kirche sollte lieber über die gesellschaftliche Diskussion Einfluss nehmen und nicht den Landwirten vorschreiben, wie sie den Boden zu bearbeiten haben", fordert dagegen Jörn Ehlers, Vorsitzender des Landvolk-Kreisverbandes Rotenburg-Verden, und fügt hinzu: "Soziale und wirtschaftliche Aspekte bei der Auswahl des Pächters sind in Ordnung, aber ökologische Kriterien sind ein großer Knackpunkt." Unterstützung bekommt er von der Kirchenverwaltung: "Es ist nicht praktikabel, mehr von den Landwirten zu fordern, als in Gesetzen vorgeschrieben ist. Das können wir weder erklären noch tatsächlich durchsetzen. Es wäre schon ein toller Erfolg, wenn die Kirchengemeinden in den nächsten zwei Jahren sich einen Überblick verschaffen, welche Flächen ihnen gehören", sagt Adalbert Schmidt, Oberlandeskirchenrat bei der evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannover.

Tatsächlich wissen viele Gemeinden nicht, was sie an Landbesitz haben und wie und von wem er bewirtschaftet wird. "Landwirte tauschen die Flächen untereinander, ohne dass der Eigentümer Bescheid weiß. Viele Kirchengemeinden haben seit Jahrzehnten den Pachtpreis nicht erhöht. Wir empfehlen eine Pacht 20 Prozent unter dem Durchschnitt - in den Gemeinden unserer Landeskirche liegt sie viel niedriger", sagt Maren Heincke, Agraringenieurin am Zentrum für Gesellschaftliche Verantwortung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. In Sachsen-Anhalt und Thüringen entscheidet die Evangelische Kirche Mitteldeutschland (EKM) zentral über die Verpachtung von Kirchenland. Entscheidende Kriterien dabei sind laut Landwirt Reiko Wöllert aus dem thüringischen Haina die Kirchenzugehörigkeit, die Höhe des Angebots und die örtliche Herkunft des Pächters. "Die Pacht liegt deutlich über dem Durchschnitt, die EKM hat den Ruf als Preistreiber. Das fällt negativ auf die Kirche zurück", sagt Wöllert.

Friedhelm Ruths, Mitglied im Kirchenkreisrat Haldensleben-Wolmirstedt in Sachsen-Anhalt, spricht davon, dass die Pachteinnahmen für die ostdeutschen Kirchengemeinden eine große Rolle für ihre Finanzierung spielen - im Osten machen sie bis zu 20 Prozent des Haushalts aus, in den Westgemeinden mit den höheren Kirchensteuereinnahmen oftmals nur ein Prozent. Angesichts der immer größer werdenden Agrarbetriebe im Osten stellt sich für ihn die Frage: "Ich muss bei einer Verpachtung auf die Angaben des Pächters vertrauen können. Zu einer Einzelperson kann ich Vertrauen haben, aber nicht zu einer GmbH oder AG. Wollen wir Konzerne als Pächter?"

Auch im Oldenburger Land werden für Kirchenflächen Spitzenpreise verlangt - katholische Kirchengemeinden im Landkreis Vechta nehmen heute bereits bis zu 1200 Euro für den Hektar. Das Bistum Münster rät ihren Pfarrgemeinden, sich nicht an die Spitze der Preisentwicklung zu stellen und die Pachtpreise nur maßvoll zu erhöhen. Ulrich Oskamp, Referent beim Katholischen Landvolk, erwartet eine weitere Zunahme der Pachtpreise, weil die neue EU-Düngemittelverordnung zu einem erhöhten Flächenbedarf für die Landwirte führt. Oskamp befürchtet angesichts dieser Entwicklung, dass in nächster Zeit Höfe verstärkt pleitegehen werden.

Auf der Tagung in Loccum wurden Empfehlungen unter anderem des Bundesamtes für Naturschutz, der Katholischen Landvolk Bewegung und des Evangelischen Dienstes auf dem Land diskutiert, neben dem Pachterlös stärker auf andere Kriterien zu achten. Dazu gehören der Vorzug von ökologischem vor konventionellem Anbau sowie die Berücksichtigung der Bewerber, die pro Hektar mehr Arbeitskräfte als andere einsetzen. In einem von den Teilnehmern verabschiedeten Loccumer Appell zum Ende Tagung heißt es dagegen nur noch allgemein: "Kirchengemeinden sollten bei der Verpachtung ökonomische, ökologische und soziale Aspekte berücksichtigen." Sie werden aufgefordert, sich für die Bewahrung der Schöpfung einzusetzen, Verantwortung für ihr Land zu übernehmen und die Vergabe des Kirchenlandes transparent zu gestalten.

In den Bundesländern gibt es große Unterschiede bei der Pachtquote. In Bayern ist sind die landwirtschaftlichen Flächen meist im Besitz der Landwirte - der Pachtflächenanteil beträgt nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes 48 Prozent. In Thüringen liegt dieser Anteil dagegen bei 80 Prozent.

© SZ vom 16.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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