Krankenversicherung:Die privaten Kassen sind nicht krisenfest

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Die privaten Krankenversicherungen werden schon bald teurer - und viele Kunden werden sich bitterlich beschweren. Doch das Grundproblem der Kassen ist damit nicht gelöst.

Von Herbert Fromme

Die Erleichterung bei den privaten Krankenversicherern war groß, als Union und SPD 2013 in ihrem Koalitionsvertrag das Wort "Bürgerversicherung" nicht einmal erwähnten. Das Gespenst der Einheitsversicherung für alle schien gebannt zu sein.

SPD, Grüne und Linke hatten zuvor im Wahlkampf eine verpflichtende Krankenversicherung verlangt, unabhängig von Einkommen oder Beschäftigungsstatus. Denn bislang gilt, dass Beamte, Selbständige sowie Bezieher von Monatseinkommen über 4575 Euro sich privat versichern und damit dem System der gesetzlichen Krankenkasse entfliehen dürfen. Das wollten die damaligen Oppositionsparteien ändern und machten die Bürgerversicherung zum Wahlkampfthema - ohne durchschlagenden Erfolg.

Beste Munition

Für die privaten Krankenversicherer wie Debeka, DKV oder Allianz Private Kranken wäre eine solche Reform ein schwerer Schlag gewesen: Sie hätten ihr Hauptgeschäft verloren - die private Vollversicherung gegen Krankheit. Übrig geblieben wären nur die Zusatztarife. Doch jetzt müssen die Assekuranz-Manager erneut bangen. Bei SPD, Grünen und Linken sammeln sich die Anhänger der Bürgerversicherung und wollen bei der Bundestagswahl 2017 das Thema erneut auf die Tagesordnung setzen. Die private Krankenversicherung liefert ihnen möglicherweise die beste Munition selbst - zum perfekten Zeitpunkt.

Gesundheitssystem
:Privatpatienten fürchten Preiserhöhungen

Die privaten Krankenversicherungen werden schon bald teurer. Das ist nicht nur für die Kunden ärgerlich, sondern auch für die Unternehmen: Sie fürchten den Zorn der Politiker, die am liebsten heute schon die Privatversicherer abschaffen würden.

Von Herbert Fromme und Ilse Schlingensiepen

Denn Ende 2016 werden die meisten Anbieter ihre Tarife kräftig anheben, manche Gesellschaften auch schon Ende 2015. Zweistellige Preiserhöhungen für die meisten Kunden könnten die Folge sein, glauben Branchenexperten. Hintergrund ist die gesetzlich vorgeschriebene Mechanik der Preisanpassungen. Sie erlaubt es den Gesellschaften nicht, ihre Preise in kleinen Schritten anzupassen. Sie müssen warten, bis die Steigerung der Gesundheitskosten eine bestimmte Schwelle übersteigt. Dann müssen sie die Preise erhöhen und in die Neuberechnung auch alle sonstigen veränderten Faktoren einbeziehen.

Vor allem die niedrigen Zinsen wirken sich aus und bringen viele Kalkulationen durcheinander. Denn die Gesellschaften versprechen ihren Kunden ein gutes Geschäft: In jungen Jahren zahlen sie mehr als nötig, das überschüssige Geld wird angespart und im Alter zur Dämpfung der Prämien eingesetzt. Um dies auch bei niedrigen Zinsen zu erreichen, müssen gerade jüngere Kunden künftig deutlich mehr zahlen. Zwar haben die Gesellschaften Geld angesammelt, mit dem sie die Erhöhung dämpfen werden, aber das können sie nur einmal ausgeben.

Wird nicht die letzte Erhöhung sein

Tatsache ist: Die niedrigen Zinsen bekommen die Bundesbürger nicht nur auf ihren Sparbüchern oder bei ihren Lebensversicherungen zu spüren, sondern auch in der privaten Krankenversicherung. Die nächste Erhöhung wird nicht die letzte sein. Unter den mageren Kapitalerträgen und steigenden Beiträgen werden die Kunden noch viele Jahre leiden müssen. Es gibt gute Gründe, der Forderung der Branche zu entsprechen und die Regeln für die Preisanpassung zu ändern. Sinnvoll wäre es, die Erhöhung über einen längeren Zeitraum zu strecken.

Aber eine solche Änderung löst das Grundproblem der privaten Krankenversicherung nicht. Denn anders als es die Versicherungen steif und fest behaupten, sind sie eben nicht krisenfest. Zudem leiden sie zusehends unter dem demografischen Wandel, die Zahl der Versicherten (oder denen, die es werden könnten) wird tendenziell zurückgehen. Gelingt es den Gesellschaften nicht, in jedem Jahr eine erhebliche Anzahl neuer Kunden zu werben, geraten ihre Kalkulationen in Schieflage.

Die Debatte wird heftig

Kommt der Preishammer Ende 2015 oder Ende 2016, wird er vor allem bei Beamten und kleinen Selbständigen mit niedrigem Einkommen Wirkung zeigen. Ärger ist programmiert, Briefe an Bundestagsabgeordnete eingeschlossen. Viele Kunden werden sich bitterlich beschweren. Aber abgesehen von den Beamten war kaum jemand gezwungen, sich privat zu versichern. Sondern die meisten entschieden sich dafür, weil sie sich einen besseren Zugang zum Gesundheitswesen erhofften und anfangs niedrigere Beiträge.

Eigentlich kein Grund für Mitleid. Allerdings haben die Versicherer viele Kunden mit grenzwertigen Methoden gewonnen: mit Höchstprovisionen für windige Vertriebler, mit Versprechen über angeblich stabile Preise und mit manchen Tarifen, die deutlich weniger Leistungen bringen als die gesetzlichen Kassen. Die nächste Bundesregierung, egal welcher Couleur auch immer, wird sich wieder mit der privaten Krankenversicherung beschäftigen müssen. Die Debatte wird heftig werden.

© SZ vom 27.01.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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