Klage gegen Goldman Sachs:Die Wall Street bebt

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Goldman Sachs am Pranger, und die Bafin will ein Auskunftsersuchen an die SEC richten. Wurde auch die IKB in die Irre geleitet?

Nikolaus Piper, New York

Die Bundesregierung erwägt rechtliche Schritte gegen Goldman Sachs, nachdem die US-Börsenaufsicht SEC die Investmentbank verklagt hat. Die SEC beschuldigt Goldman, bei einem Deal mit verbrieften Hypothekenkrediten wichtige Informationen zurückgehalten zu haben. Zu den Geschädigten gehört auch die deutsche Bank IKB, die 2008 von der Bundesregierung gerettet werden musste.

Regierungssprecher Ulrich Wilhelm kündigte am Sonntag an, die deutsche Finanzaufsicht Bafin werde ein Auskunftsersuchen an die SEC richten. "Nach einer sorgfältigen Bewertung der Unterlagen werden wir rechtliche Schritte prüfen." Großbritanniens Premierminister Gordon Brown forderte die britische Finanzaufsicht auf, die Vorgänge zu prüfen. Dort ist die zum Teil verstaatlichte Royal Bank of Scotland betroffen.

Die SEC wirft Goldman vor, verbriefte Hypothekenkredite (Collateralized Debt Obligations, CDO) vertrieben zu haben, ohne die Kunden darüber zu informieren, dass ein anderer Goldman-Kunde, der Hedgefonds-Manager John Paulson, auf den Verfall der Papiere wettete und bei deren Zusammenstellung mitgewirkt hatte. Die Papiere wurden im April 2007, kurz vor Ausbruch der Finanzkrise, verkauft und waren innerhalb weniger Monate praktisch wertlos. Die IKB verlor fast die gesamte investierte Summe von 150 Millionen Euro.

Die SEC sieht in dem Geschäft einen schweren Interessenkonflikt seitens der Investmentbank. Goldman Sachs wies die Beschuldigungen vehement zurück. Sie seien "rechtlich und faktisch" haltlos, schrieb das Unternehmen. "Wir haben kein Portfolio geschaffen, das dafür bestimmt war, Geld zu verlieren." Die Anleger seien gutinformierte Marktteilnehmer gewesen und hätten um die Risiken gewusst. Die unabhängige Finanzfirma ACA habe die Papiere für das inkriminierte CDO ausgewählt. Goldman Sachs habe selbst in das Produkt investiert und 90 Millionen Dollar verloren.

Kunden in die Irre geleitet

Dagegen argumentiert die SEC, dass die Kunden durch die Informationspolitik von Goldman irregeleitet wurden. Ausführlich wird in der Anklageschrift der Fall der deutschen Mittelstandsbank IKB geschildert.

"Die IKB hätte in diese Transaktion nicht investiert, wenn sie gewusst hätte, dass Paulson eine wichtige Rolle in der Auswahl der Sicherheiten spielte", heißt es. Insgesamt haben die Anleger laut SEC bei dem Finanzprodukt namens "Abacus 2007-AC1" mehr als eine Milliarde Dollar verloren. Der Hedgefonds Paulson soll fast die gleiche Summe verdient haben. Der Hedgefonds selbst wird von der SEC nicht beklagt. Der Betreiber des Fonds, John Paulson, wurde 2007 mit einem Jahresgewinn von 3,7 Milliarden Dollar zu einem Star an der Wall Street.

Die Klage der SEC kann unabsehbare politische und wirtschaftliche Folgen haben. Die Chefin der Börsenaufsicht, Mary Schapiro, und der zuständige Abteilungsleiter, Robert Khuzami, machen klar, dass sie entschlossen sind, harte Konsequenzen aus der Finanzkrise zu ziehen. Die SEC greift mit ihrem Schritt ein zentrales Element im Geschäft der Investmentbanken an: den Handel bei gutinformierten Kunden. Dieser Handel unterliegt laxeren Regeln als der mit Kleinanlegern und erlaubt daher sowohl höhere Risiken als auch höhere Gewinne. Dabei geht es häufig um komplexe Finanzprodukte wie verbriefte Hypothekenkredite. Diese Produkte hatten wesentlich zum Ausbruch der Finanzkrise beigetragen. Es gilt als wahrscheinlich, dass die SEC auch noch bei anderen Investmentbanken ähnliche Fälle entdecken wird. Die Behörde kündigte an, gezielt nach Deals zu suchen, die Anfang 2007 abgeschlossen wurden, als der Zusammenbruch des amerikanischen Immobilienmarktes bereits absehbar war.

Außerdem könnte die Zivilklage der SEC strafrechtliche Verfahren nach sich ziehen. Der Generalstaatsanwalt von Connecticut, Richard Blumenthal, kündigte Ermittlungen gegen Goldman an: "Die Kernfrage ist, ob es ein Einzelfall war oder Teil eines Musters. Ob Investmentbanken mit Hedgefonds konspirierten, um Wertpapiere an unwissende Investoren zu verkaufen und absichtlich zum Absturz zu bringen."

Vorteil für Obama

Die Klage der SEC dürfte Präsident Obama dabei helfen, sein Gesetz zur Neuregulierung der Finanzmärkte durch den Kongress zu bringen. Der Präsident versicherte noch am Freitag, er werde jedes Gesetz mit seinem Veto blockieren, das den Handel mit komplexen Finanzprodukten nicht "unter Kontrolle" bringen werde. Bei seiner wöchentlichen Rundfunkansprache appellierte er an die oppositionellen Republikaner, das Bankengesetz rasch durch den Senat zu bringen.

Das Repräsentantenhaus hatte bereits im Dezember einen Entwurf gegen den geschlossenen Widerstand der Republikaner verabschiedet. Erst vergangene Woche hatte Obama Vertreter der Republikaner im Weißen Haus empfangen, um die Finanzmarktreform möglichst bald abzuschließen. Der Plan enthält eine Vorschrift, wonach komplexe Finanzprodukte wie die CDOs, um die es in der Klage gegen Goldman geht, nur noch auf transparenten, börsenähnlichen Plattformen gehandelt werden.

© SZ vom 19.04.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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