Die US-Börsenaufsicht SEC verklagt die Investmentbank Goldman Sachs wegen Betrugs. Nach der Klageschrift, die am Freitag in Washington veröffentlicht wurde, führte Goldman Anleger in die Irre, die in komplexe Wertpapiere auf der Basis zweitklassiger Hypotheken investiert hatten. Zu den Opfern gehört die IKB.
Die auf Mittelstandskredite spezialisierte IKB war das erste Opfer der Finanzkrise in Deutschland und musste 2008 von der Bundesregierung gerettet werden. Laut SEC investierte die IKB 150 Millionen Dollar in Wertpapiere von Goldman und verlor fast alles dabei. Die Klasse der Wertpapiere, um die es geht - Collateralized Debt Obligations, CDO (hypothekengedeckte Anleihen) - spielten eine zentrale Rolle beim Ausbruch der Finanzkrise 2007.
Schon lange wurde Investmentbanken vorgeworfen, die extrem riskanten CDO an ihre Kunden verkauft und gleichzeitig dagegen gewettet zu haben. Jetzt macht die SEC diese Vorwürfe erstmals konkret.
Dabei geht es um ein Produkt namens "Abacus 2007-AC1", im Kern eine Anleihe, die durch ein Bündel von Hypothekenkrediten minderer Qualität ("Subprime Loans") gedeckt ist. Goldman vermarktete Abacus Anfang 2007, zu einem Zeitpunkt also, als der Absturz des amerikanischen Immobilienmarkt bereits begonnen hatte. Der zentrale Vorwurf der SEC: Ein großer Hedgefonds nahm Einfluss auf die Zusammensetzung von Abacus, und wettete gleichzeitig darauf, dass die betreffenden Hypothekenkredite faul werden. Die Tatsache habe Goldman vor seinen Kunden verheimlicht.
"Das Produkt ist neu und komplex, aber der Konflikt ist alt und einfach", erklärte Robert Khuzami, Direktor der zuständigen Abteilung der SEC. "Goldman ließ es verbotenerweise zu, dass ein Kunde, der gegen den Hypothekenmarkt wettete, entscheidenden Einfluss darauf nahm, welche Hypotheken in ein Portfolio aufgenommen wurden. Gleichzeitig wurde anderen Kunden erzählt, die Auswahl erfolge durch unabhängige, objektive Dritte."'
Die betreffenden Hedgefonds ist einer der größten der Welt und wird von dem New Yorker Manager John Paulson betrieben. Paulson war während der Finanzkrise zu einer Berühmtheit geworden. Er hatte rechtzeitig gegen den Immobilienmarkt gewettet und 2007 insgesamt 3,7 Milliarden Dollar verdient, mehr als irgendjemand sonst an der Wall Street. Nach eigener Darstellung zerlegte er, anders als andere Spekulanten, die komplexen CDO in ihre Einzelteile und analysierte jeden einzelnen Hypothekenkredit. Die Erfolgsgeschichte steht jetzt plötzlich in einem anderen Licht da. Paulson wird allerdings bisher von der SEC nicht beschuldigt.
Für Goldman Sachs ist die Klage der SEC ein schwerer Image-Schaden. Die Investmentbank ist bisher besser als alle Konkurrenten durch die Finanzkrise gekommen. Die Goldman-Aktie verlor am Freitag bei 18 Uhr (MEZ) knapp 14 Prozent ihres Wertes und zog auch andere Finanztitel mit in den Keller. Kenneth Lench, Spezialist der SEC für strukturierte Finanzprodukte, kündigte an, dass die Ermittlungen auch gegen andere Institute weiter gehen. Besonders im Blick habe die Behörde komplexe Finanzprodukte, die zu einem Zeitpunkt vermarktet wurden, als der Häusermarkt bereits Zeichen von Panik zeigte.
Neben der Firma Goldman Sachs verklagt die SEC auch den Goldman-Manager Fabrice Tourre als Hauptverantwortlichen von Abacus. Tourre habe gewusst, dass Paulson an der Auswahl der Hypotheken für das Finanzprodukt beteiligt war und dies vor den Kunden verheimlicht. Laut SEC führte er auch die Finanzfirma ACA in die Irre, die Goldman bei der Zusammenstellung komplexer Wertpapiere berät.
Der Manager habe den Eindruck erweckt, als wolle Paulson in das Papier investieren, tatsächlich habe er jedoch auf dessen Preisverfall gesetzt. Paulson kaufte Kreditausfallsversicherungen (Credit Default Swaps) auf Abacus und verdiente durch deren Preisanstieg. Paulson habe Goldman am 26. April 2007 insgesamt 15 Millionen Dollar für die Strukturierung von Abacus, bis zum 29. Januar 2008 waren 99 Prozent der Hypotheken heruntergestuft worden, weil das Risiko des Zahlungsausfalls gestiegen war. Paulson verdiente gut eine Milliarde Dollar dabei, Goldman-Kunden, die 10,9 Milliarden Dollar in Abacus investiert hatten, verloren mehrere Milliarden.