Italien: Banküberfälle:Wo sich Verbrechen noch lohnt

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Fast jeder zweite Banküberfall in Europa wird in Italien verübt. 2009 waren das über 1700 Fälle - mehr als fünf Mal so viele wie in Deutschland. Die Geldhäuser haben im Stiefelstaat einfach zu viel Bargeld in den Filialen.

Stefan Lakeband

"Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?", fragt Bertolt Brecht in der Dreigroschenoper. Was ist risikoreicher und wo gibt es mehr zu holen? Für Brechts Frage gibt es in Italien eine sehr deutliche Antwort. Hier erfreut sich der Bankraub großer Beliebtheit.

Der Italiener liebt es, bar zu bezahlen, fast 90 Prozent aller Einkäufe tätigt er mit Münzen und Scheinen. Deswegen können sich Ganoven in Bella Italia ziemlich sicher sein, dass es in der Bankfiliale um die Ecke was zu holen gibt. (Foto: Getty)

42 Prozent aller Banküberfälle, die in Europa begangen werden, finden im Mittelmeerstaat statt. Das belegt eine Studie für das Jahr 2009 der italienischen Bankgewerkschaft FIBA. In Zahlen sind das 1744 Fälle, in denen Täter versucht haben, Geld von Banken zu erbeuten. Zum Vergleich: Im selbem Zeitraum waren es in Deutschland lediglich 326 Überfälle.

Doch warum ist die Zahl in Italien so viel größer? Der italienische Bankenverband ABI erklärt dies damit, dass in den Banken einfach zu viel Geld läge. Der Italiener liebt es, bar zu bezahlen, fast 90 Prozent aller Einkäufe tätigt er mit Münzen und Scheinen. Bargeldlos mit EC- oder Kreditkarte bezahlt er gerade etwa 66-mal im Jahr - der europäische Durchschnitt ist fast dreimal so hoch.

Oft sind es Spontanüberfälle

Deswegen können sich Ganoven in Bella Italia ziemlich sicher sein, dass es was zu holen gibt. Pierfrancesco Gaggi vom ABI formuliert die Lösung so: "Je weniger Bargeld wir in unseren Bankfilialen haben, desto weniger Überfälle wird es geben."

Doch wer bei Banküberfällen in Italien an Mafia und kaltblütige Profigangster denkt, der irrt. Oft sind es Spontanüberfälle von Laien, die nicht an das große Geld wollen, sondern einfach nur ein paar Euro brauchen, um über die Runden zu kommen.

Laut der italienischen Statistikbehörde Istat lag die relative Armut für das vergangene Jahr bei elf Prozent, im ärmeren Süden des Landes sogar bei fast 23 Prozent. Die italienische Arbeitslosenquote betrug im März dieses Jahres 8,6 Prozent. Angesichts solcher Verhältnisse und einer nur langsamen Besserung werde mancherorts ein Banküberfall nur als Kavaliersdelikt gesehen.

Die Verlockung ist allerdings auch groß. Eben weil sich in Italien Bargeld so großer Beliebtheit erfreut, gibt es fast an jeder Ecke Bankfilialen. Das größte italienische Kreditinstitut, die Intesa Sanpaolo SpA, hat zurzeit 5921 Zweigstellen in Italien. Ein Blick nach Frankreich und Spanien offenbart die Dimensionen: Der französische Marktführer BNP Paribas SA hat gerade einmal halb so viele Filialen, und auch die spanische Bank Santander hat auf ihrem Heimatmarkt 1000 Geldhäuser weniger als ihr italienisches Pendant.

Schlecht gesichert

Doch nicht nur die Masse macht's: Viele italienische Banken sind zudem schlecht gesichert. Die 700 Millionen Euro jährlich, die in Alarmanlagen, Kameraüberwachung und Co. gesteckt werden, erreichen nur selten kleinere Zweigstellen, da ihre Bargeldmenge als zu gering angesehen wird. Deswegen, so ABI, werden nur bei einem geringen Teil der Überfälle mehr als 15.000 Euro erbeutet. Aber Kleinvieh macht selbst in Italien Mist: Pro Jahr verschwinden auch so immerhin 37 Millionen aus italienischen Banktresoren.

© SZ vom 17.08.2010/pak - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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