Finanzexperte Purps:"Euro fällt mit ungeheurer Geschwindigkeit"

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1,22 Dollar, 1,20 Dollar, 1,18 Dollar - der Euro kennt keinen Halt. Auffällig ist das Tempo, mit dem die Währung abstürzt, sagt Finanzexperte Purps von der Unicredit.

Hans von der Hagen

Erstmals seit vier Jahren ist der Euro in der vergangenen Woche unter die Marke von 1,20 Dollar gefallen. Und in der neuen Woche ging es gleich weiter. Am Montag war die Gemeinschaftswährung zeitweise nur noch 1,18 Dollar wert. Allerdings stand der Euro kurz nach der Einführung noch weit unter diesem Niveau. Experten wie Kornelius Purps von der Unicredit beunruhigt darum auch eher das Tempo, mit dem sich der Kursrückgang vollzieht.

Kornelius Purps (Foto: oH)

sueddeutsche.de: Der Euro hat gerade die Marke von 1,20 Dollar durchbrochen, steht aber insgesamt immer noch gut da. Warum?

Kornelius Purps: Weil das Ausgangsniveau so extrem hoch war - Anfang Dezember wurde der Euro noch mit 1,50 Dollar gehandelt. Doch der Kursrückgang vollzieht sich mit ungeheurer Geschwindigkeit. Der Euro hat binnen eines halben Jahres rund zwanzig Prozent verloren. Hätte das Ausgangsniveau tiefer gelegen, würde der Euro jetzt wahrscheinlich schon in etwa auf gleicher Höhe zum Dollar gehandelt werden.

sueddeutsche.de: Ist die hohe Dynamik des Eurokurses gefährlich?

Purps: Sie ist vielleicht nicht gefährlich, aber unangenehm. Vor allem für Unternehmen, die Waren aus Ländern einführen oder exportieren, die nicht zur Eurozone gehören. Es ist schwer, sich gegen derartig starke Wechselkursveränderungen zu schützen, weil die Wechselkurssicherung nur für bestimmte Zeiträume möglich ist.

sueddeutsche.de: Eine schwache Währung kann wie ein mächtiges Konjunkturprogramm wirken. Profitiert Europa von dem Eurosturz?

Purps: Er hilft den Unternehmen, die viel in andere Kontinente exportieren. Gleichzeitig werden aber die Einfuhren teurer, vor allem auch Rohstoffe. Zudem werden die geplanten Sparmaßnahmen der Konjunktur zusetzen - die Exporte in die europäischen Ländern werden also zurückgehen. Das heißt, die positiven Effekte einer schwachen Währung werden an anderen Stellen teilweise egalisiert.

sueddeutsche.de: Was hat die Anleger in der vergangenen Woche so verunsichert, dass der Euro besonders steil abrutschte?

Purps: Es kamen mehrere Faktoren zusammen. Mit Ungarn tat sich erneut ein Brand auf, der eigentlich unter Kontrolle zu sein schien. Hinzu kamen die Äußerungen des französischen Premierministers François Fillon, der sich überaus zufrieden mit der Wechselkursentwicklung zeigte. Der Durchbruch unter die Marke von 1,20 Dollar war dann aber vor allem Folge des enttäuschenden Arbeitsmarktsberichts aus den Vereinigten Staaten.

sueddeutsche.de: Spekulieren die Finanzmärkte schon auf das Aus der Währungsunion?

Purps: Zumindest wachsen die Zweifel, inwieweit die Eurozone in der Lage ist, die anstehenden Probleme in dem bestehenden Staatenverbund zu lösen. In der vergangenen Woche war ein Phänomen zu beobachten: Die Anleger stürzten sich förmlich auf die Bundesanleihen - und verkaufen dafür die Bonds aller anderen Euroländer. Die Konsequenz: Der Zinsunterschied zwischen Deutschland und dem Rest Europas ist größer als je zuvor in dieser Krise. Das ist so bemerkenswert, weil auch scheinbar sichere Länder wie Frankreich oder die Niederlande nun plötzlich erheblich mehr Zinsen zahlen müssen als Deutschland.

sueddeutsche.de: Kauft die Europäische Zentralbank nicht gerade Staatsanleihen, um genau das zu verhindern?

Purps: Aber es gelingt ihr nicht, weil die privaten Käufer nicht mitmachen. Die EZB handelt im Verborgenen. Unklar ist, welche Papiere von welchen Staaten mit welchen Laufzeiten sie kauft. Und wie lange sie das machen wird. Darum bleibt sie allein.

sueddeutsche.de: Steht Europa insgesamt schlecht da - oder wirkt es nur schwach, weil jeder etwas anderes sagt?

Purps: Die Vielsprachigkeit ist das große Problem. In der Eurozone gibt es 16 Regierungen, die EU-Kommission und die Europäische Zentralbank. Einstimmigkeit ist da gewiss nicht festzustellen.

sueddeutsche.de: Was passiert jetzt mit dem Euro? Ist er auf gutem Weg zu einer schlappen Weichwährung?

Purps: Im Moment spricht nur wenig für eine Stabilisierung. Kurzfristig dürfte es weiter abwärts gehen. Wie schon in den vergangenen Monaten liegt es an den Regierungen und der EZB, durch ihre Politiken zu einer Stabilisierung der Währung beizutragen. Ich halte es durchaus für möglich, dass der Euro noch auf ein Niveau von 1,10 Dollar abrutscht.

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