Griechenland: Bitte um Finanzhilfe:An der Pforte des Hades

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Griechenland ist praktisch pleite und bittet um Hilfe. Deutschland muss bei der Sanierung helfen - schon aus Eigennutz. Denn Europa funktioniert wie eine Karawane inmitten von Raubtieren: Sie zieht nur so schnell wie ihr schwächstes Kamel.

Marc Beise

Der Ernstfall ist da, seit Freitag, kurz nach zwölf Uhr. Griechenland ist praktisch pleite, die Regierung in Athen bittet die Welt um sagenhafte 45 Milliarden Euro - zunächst. Über die Antwort auf diese Bitte kann es keinen Zweifel geben, wenn Verträge noch gelten: Der Internationale Währungsfonds IWF und auch die Euro-Finanzminister haben sich verpflichtet zu helfen. Nun ist die Zeit dafür gekommen.

Griechenland bittet EU-Partner und IWF um 45 Milliarden Euro. (Foto: Foto: Reuters)

Aber halt: Sollte man Griechenland nicht besser zugrunde gehen lassen, sollten die Griechen nicht für sich selbst sorgen müssen? Wer so redet - und es sind viele in Deutschland, auch Experten -, wäre empört, würde mit ihm ähnlich umgesprungen. Jeder Versicherte muss auf seine Policen vertrauen können, wenn der Schaden eingetreten ist. Griechenland ist in IWF, Europäische Union und Eurozone eingetreten und hat sich damit einer Solidargemeinschaft angeschlossen. Athen hat sich zwar den Zugang zum Euro erschwindelt, aber der Schwindel war bekannt und wurde von den Partnern akzeptiert. Nun mag man noch so viel zürnen und abwechselnd Brüssel, Merkel oder gleich den Euro verdammen: Es muss geholfen werden, sofort.

Helfen muss die Staatengemeinschaft auch aus Eigennutz. Bricht die griechische Finanzwirtschaft zusammen, ist die Kettenreaktion unkontrollierbar. Banken weltweit würden kollabieren, weitere Staaten im Süden Europas mit in den Abgrund gerissen, das Währungssystem könnte zerbrechen. Die Deutschen könnten sich diese Entwicklung am wenigsten leisten. Sie profitieren am stärksten vom Euro-Raum und den Handelsströmen der Weltwirtschaft. Sie würden den Schock unmittelbar am Arbeitsmarkt spüren.

Der Euro, wie ungeliebt er bei manchen auch sein mag, ist nur verzichtbar um den Preis extremer Verwerfungen. Europa funktioniert wie eine große Karawane inmitten von Raubtieren. Sie zieht nur so schnell dahin wie ihr langsamstes Kamel. Wenn sich der Zug aber auflöst, wenn die ersten Kamele zurückgelassen werden, werden auch die starken Tiere nicht ans Ziel kommen.

Klar ist aber auch, dass Griechenland am Freitag faktisch seine Souveränität aufgegeben hat. Athen hat, bildlich gesprochen, die Akropolis verpfändet. Die Griechen bekommen sie nur zurück, wenn sie wieder solvent sind. Wie aber kann das funktionieren?

EU und IWF müssen zwingend Verantwortung übernehmen und dürfen keine Kompromisse mehr dulden. Die griechische Regierung bemüht sich um eine wirtschaftspolitische Umkehr, sie spart und streicht Bürokratie. Ihre Programme aber wird sie nur durchsetzen können, wenn die Griechen den heißen Atem der Gläubiger spüren.

Natürlich ist die EU selbst nicht besonders glaubwürdig, wo es doch in der Gemeinschaft geradezu wimmelt von Haushaltssündern. Doch das Schicksal Griechenlands wird mancher Regierung Angst machen. Eine harte Sanierung könnte Vorbild auch für andere EU-Staaten sein.

© SZ vom 24.04.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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