Gewerbeimmobilien:Rekorde mit Risiko

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Investoren kaufen so viele Büros, Shoppingcenter oder Hotels wie kaum zuvor. 55 Milliarden Euro haben sie im vergangenen Jahr angelegt. Experten fragen sich, wie lange der Boom noch anhalten wird.

Von Andreas Remien

Auch die optimistischen Prognosen haben diese Zahl nicht kommen sehen. Satte 55 Milliarden Euro haben Investoren im vergangenen Jahr ausgegeben, um Bürotürme, Shoppingcenter, Hotels und andere Gewerbeimmobilien in Deutschland zu kaufen. Ähnlich hoch war das Transaktionsvolumen bisher nur im Boomjahr 2007. Damals stürzten die Märkte dann im Sog der Finanzkrise ab. Zwar sprechen einige Gründe dafür, dass sich in naher Zukunft so ein Zusammenbruch nicht wiederholen wird. Die Stimmen jener, die zur Vorsicht mahnen, werden aber immer lauter.

Nicht nur in Deutschland boomen die Märkte. In Europa haben Investoren 2015 gut 246 Milliarden Euro für Gewerbeimmobilien ausgegeben. Dies ist laut einer Erhebung von Cushman & Wakefield der höchste jemals gemessene Wert. Hoch ist nicht nur die Summe, sondern auch das Tempo der Entwicklung. So ist die investierte Summe in Deutschland 2015 laut der Immobilienberatung JLL im Vergleich zum bereits sehr umsatzstarken Vorjahr nochmals um knapp 40 Prozent gestiegen.

Immobilien in Deutschland sind gefragt. Das Quartier am Potsdamer Platz in Berlin haben Anleger aus Kanada und Südkorea gekauft. (Foto: Sean Gallup/Getty)

Die Ursache für die aktuelle Rekordjagd ist vor allem die Geldpolitik. "Das anhaltend niedrige Zinsniveau ist die wesentliche Triebfeder für den enormen Anlagebedarf", sagt JLL-Chef Frank Pörschke. Weil Anlagen wie Bundesanleihen so gut wie keine Renditen mehr bringen, kaufen Privatanleger ebenso wie Versicherungen oder Pensionskassen Immobilien. Dank der niedrigen Zinsen ist auch die Finanzierung extrem günstig.

Viele Anleger ziehen die Immobilie dem vermeintlich riskanten Aktienmarkt vor. Dabei lauern beim Erwerb von Bürotürmen oder Kaufhäusern ganz ähnliche Gefahren wie bei Wertpapieren. Das simpelste Risiko: Investoren kaufen zu teuer ein. Und das kann schnell passieren. Viele Anleger stehen unter großem Druck, weil sie auf viel Kapital sitzen, das irgendwo investiert werden muss. "Not ist aber nicht der beste Kaufberater", sagte vor Kurzem auf dem Münchner Immobilienforum Tobias Just, Professor und Geschäftsführer der Irebs Immobilienakademie.

Ähnlich wie Wohnungen sind auch Gewerbeimmobilien zuletzt immer teurer geworden. Sollte der Markt irgendwann einen Dämpfer erhalten, ließe sich ein Büroturm oder Kaufhaus nur weit unter dem Einkaufspreis veräußern - das Investment wär ein Verlustgeschäft, so wie es viele Anleger nach dem Ausbruch der vergangenen Finanzkrise erlebt haben. "Die Warnung vor einer spekulativen Übertreibung wird von Jahr zu Jahr sinnvoller", sagt Just. Hinzu komme, dass sich die Wirtschaft in Asien abkühle und in Europa die Schuldenkrisen noch längst nicht gelöst seien.

(Foto: ipad)

Eine Zinswende könnte den Markt umkrempeln. Doch die ist noch nicht in Sicht

Wiederholt sich also das Absturz-Szenario? Einige Faktoren sprechen dagegen. "Es wird viel mehr Eigenkapital eingesetzt", betont Andreas Pohl, Sprecher des Vorstands der Deutschen Hypo. Vor der Finanzkrise war es durchaus üblich, dass Käufer gut 90 Prozent finanziert und auf Pump spekuliert haben. Heute sind eher Fremdkapitalquoten von 50 bis 70 Prozent der Normalfall. Das schützt zwar nicht unbedingt die Anleger, stabilisiert aber die Banken. Auch die solide Wirtschaft in Deutschland stützt die Märkte. "Die Immobilienwirtschaft profitiert nach wie vor von den positiven ökonomischen Rahmenbedingungen wie hoher Beschäftigung, stabilem Wachstum und guten Konsumaussichten", betont Pohl. Die gute Wirtschaftsentwicklung hat auch zur Folge, dass sich zum Beispiel für Büros in guten Lagen derzeit leicht Mieter finden. "Die Leerstände haben sich weiter abgebaut", sagt Achim Degen, Sprecher der Geschäftsführung von Colliers International. Zum Beispiel im begehrten München, wo der Büroleerstand laut Colliers von 7,1 Prozent im Jahr 2011 auf aktuell 3,8 Prozent abgerutscht ist. Einen Bauboom, der eine Blasenbildung begünstigen könnte, gibt es nicht. Im Gegenteil: In vielen Städten entstehen nur wenige Gewerbeimmobilien, weil die Kommunen vor allem den Wohnungsbau ankurbeln und Flächen für Flüchtlingsunterkünfte brauchen. Schon jetzt sind in manchen Metropolen große, moderne Flächen knapp. Sinkende Leerstände und die große Nachfrage nach Büroflächen könnten dazu führen, dass mittelfristig die Mieten steigen. So ist in München im vergangenen Jahr laut Colliers die Durchschnittsmiete von 14,91 auf 16,33 Euro pro Quadratmeter geklettert. Und höhere Mieteinnahmen rechtfertigen höhere Kaufpreise.

Dass es in diesem Jahr große Veränderungen geben wird, glaubt kaum jemand. Vor allem eine deutliche Zinserhöhung könnte den Markt deutlich umkrempeln, weil dann wieder andere Anlagen attraktiv und Finanzierungen teurer wären. Doch eine Zinswende in Europa ist derzeit nicht in Sicht. Im Gegenteil: Die Entscheidung der EZB vom Donnerstag, den Leitzins auf null Prozent zu senken, wird die Märkte weiter befeuern. "Die Nachfrage nach Immobilien wird hoch bleiben", sagt Bank-Vorstand Pohl. Er warnt allerdings Investoren davor, allzu kritiklos einzukaufen. Weil das Angebot knapp und teuer ist, weichen viele Investoren in B- und C-Standorte aus oder nehmen es in Kauf, wenn die Immobilie nicht gut vermietet oder schon etwas in die Jahre gekommen ist. Wie das Trendbarometer von Ernst & Young Real Estate zeigt, wird diese Entwicklung anhalten: 90 Prozent der befragten Anleger gehen davon aus, dass der Anteil risikoreicher Investments weiter zunehmen wird. Investoren und Finanzierer müssten aber unbedingt die Qualität der Lage und der Immobilie im Blick behalten, um auch bei veränderten Rahmenbedingungen zu bestehen, sagt Pohl. "Denn der Immobilienmarkt ist zyklisch, irgendwann geht es auch wieder runter."

© SZ vom 11.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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