Gesetzliche Krankenversicherung:Kassen schicken den Zoll zu säumigen Zahlern

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Nicht nur Privatpatienten klagen über hohe Beiträge: Mehr und mehr gesetzlich Versicherte zahlen nicht. Die Kassen reagieren und setzen auf den Zoll, der bei den säumigen Kunden abkassieren soll. Gewerkschaften und Verbraucherschützer sehen die Schuld aber gar nicht bei den Versicherten.

Gesundheit ist ein teures Gut. So teuer, dass die Beiträge für die Krankenkassen nicht mehr von allen bezahlt werden können. Das betrifft nicht nur Privatpatienten, die unter immer stärker steigenden Gebühren leiden. Auch mehr und mehr gesetzlich Versicherte können die Ausgaben nicht stemmen.

Verbraucherschützer sehen eine soziale Schieflage. "Schulden von einigen tausend Euro kommen häufig vor", sagt Dörte Elß von der Verbraucherzentrale Berlin. Die Verschuldung bei der Krankenkasse könne auch Ursache für eine Privatinsolvenz sein. "Etwa bei Kleinselbstständigen haben wir hier ein echtes gesellschaftliches Problem."

Das zeigt sich auch an anderen Zahlen: Die gesetzlichen Krankenkassen lassen häufiger ausstehende Beiträge eintreiben. Krankenkassen hätten 2011 nicht gezahlte Beiträge von etwa 1,6 Millionen Versicherten zur Vollstreckung an die zuständigen Hauptzollämter übermittelt, teilte das Bundesfinanzministerium mit. Im Jahr 2010 waren es noch 1,3 Millionen Fälle. Der dem Finanzressort unterstehende Zoll ist als Inkassostelle des Bundes und anderer öffentlich-rechtlicher Einrichtungen für das Eintreiben von Zahlungen zuständig.

Bevor der Zoll klingelt, werden säumige Versicherte in der Regel mehrfach angemahnt. Sie müssen einen Säumniszuschlag von einem Prozent des rückständigen Betrags leisten. Ab dem zweiten Monat kann ein Zuschlag von fünf Prozent erhoben werden. Als letzte Möglichkeit können die Krankenkassen die Leistungen aussetzen. Ausgenommen davon sind Behandlungen akuter Erkrankungen und Schmerzzustände sowie bei Schwangerschaft und Mutterschaft. Auch Zwangsvollstreckungen, etwa Pfändungen, sind möglich.

"Beiträge nach ihren tatsächlichen Einkünften"

Die hohe Zahl der Säumigen treibt die Debatte über bezahlbare Gesundheit. Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund fordert Änderungen im System. "Selbstständige sollten, wie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch, Beiträge nach ihren tatsächlichen Einkünften zahlen", sagte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach. Heute gelten pauschale Mindestbeiträge für Selbstständige, die freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sind.

Für die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Birgitt Bender, steckt hinter dem Problem ein grundsätzlicher Fehler der Krankenversicherung in Deutschland. "Mindestbeiträge und Zugangsbeschränkungen für Selbstständige in der GKV sind der Preis für die Zweiteilung unseres Krankenversicherungssystems", sagt sie. Würden diese abgeschafft, würden Selbstständige mit geringen Einkommen und hohen Krankheitsrisiken sich durch die Bank für die GKV entscheiden, alle anderen weiter für die private Krankenversicherung (PKV). Bender warb dafür, alle Selbstständigen in die GKV einzubeziehen.

Bereits vor einer Woche war bekanntgeworden, dass Hunderttausende Nichtzahler bei den Krankenkassen ein immer größeres Milliardenloch reißen. In der GKV gibt es nach den jüngsten Zahlen vom Februar einen Rückstand von 1,53 Milliarden Euro. Seit dem Stand von 1,04 Milliarden Euro ein Jahr zuvor war er kontinuierlich größer geworden.

Die Zahl der Nichtzahler war gestiegen, nachdem die Versicherungspflicht eingeführt wurde - 2007 für die GKV, 2009 für die PKV. Die Politik wollte so verhindern, dass Bürger ohne Krankenversicherung dastehen.

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