Mythos Gold:Gefährliche Sehnsucht nach Sicherheit

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Gold: Bis heute gilt das Edelmetall als letzte Hoffnung und Zuflucht, besonders in Zeiten virtueller Geld- und Finanzmärkte

(Foto: Luftbildfotograf - Fotolia)

Krösus, Kolumbus, Goldstandard: Die Gier nach Gold hat das Schicksal der Menschen in immer neue Bahnen gelenkt. Gold gilt als Hoffnung und Zuflucht, führte aber auch in fatale Abhängigkeiten.

Von Silvia Liebrich

Die Faszination von Gold scheint ungebrochen. Gold ist Sinnbild göttlicher Vollkommenheit, begehrter Rohstoff, Zahlungsmittel und Ruhekissen für verängstigte Anleger zugleich. Doch ein Blick in die Geschichte zeigt, dass sich das Edelmetall bei aller Faszinationen eben nicht nur als Segen, sondern häufig auch als Fluch erwiesen hat.

An Krösus, Herrscher eines kleinen asiatischen Königreichs namens Lydien würde sich heute vermutlich niemand erinnern, hätte er nicht um 500 vor Christus das erste allgemein anerkannte Münzsystem erfunden. Mit geraubtem Gold ebnete sich einst der ehrgeizige Emporkömmling Julius Caesar im alten Rom den Weg an die Macht. Heinrich der Seefahrer war es, der - koste es, was es wolle - zur Goldquelle der legendären Königin von Saba vorstoßen wollte und dabei den Seeweg nach Indien fand.

Kolumbus, der im Auftrag der spanischen Krone die Segel hisste, zog es ebenfalls nach Indien. Das gewünschte Ziel erreicht er nie, dafür entdeckte er Amerika und einen noch viel größeren Goldschatz. Den Völkern Süd- und Mittelamerikas brachte seine Entdeckung aber nichts als Verderben. Und die Könige der alten Welt verschleuderten ihren so gewonnenen Reichtum schneller, als ihnen lieb sein konnte: Spaniens König Philipp II. schlitterte geradewegs in den ersten großen Staatsbankrott der Geschichte.

Glücksritter aus der ganzen Welt

Gold war das Edelmetall, das die neue Welt schließlich auch zur Großmacht werden ließ. Alles fing mit ein paar unscheinbaren Goldklumpen an, die ein Farmarbeiter 1848 im Süden Kaliforniens im Sand glitzern sah. Es folgte ein Goldrausch, der viele Glücksritter aus der ganzen Welt anlockte, aber nur ganz wenige reich machte. Mit den Funden finanzierten die Neusiedler den Bau von Metropolen wie San Francisco und sie erschlossen den Kontinent mit einem Eisenbahnnetz.

Am Ende verhalf der Schatz nicht nur den Vereinigten Staaten zum Aufstieg. Der Handel zwischen den Kontinenten florierte wie nie. Langsam, über Jahrhunderte hinweg, hatte sich das Edelmetall einen ganz besonderen Platz in der Geschichte erobert, als eine Art Weltwährung, ohne die auch der aufblühende Welthandel des 19. Jahrhunderts kaum denkbar gewesen wäre. Doch es war ein Boom mit Schattenseiten.

Goldstandard als fatale Abhängigkeit

Der Goldstandard, also ein goldgedecktes Währungssystem, wurde zum Dreh- und Angelpunkt einer mächtigen Finanzszene. Die Notenbanken der führenden Länder begannen riesige Mengen an Gold zu horten und machten es zur Grundlage für eine Papierwährung, die schließlich nach und nach das alte System aus Gold-, Silber- und Kupfermünzen ersetzte.

Doch das glänzende Metall führte die Industriestaaten zugleich in eine fatale Abhängigkeit. Der Goldschatz in ihren Tresoren verleitete die Banker im 19. Jahrhundert zu äußerst riskanten Spekulationsgeschäften, die zum Auslöser für mehrere schwere Wirtschaftskrisen wurden.

Das eigentliche Problem wurde im Laufe des 20. Jahrhunderts immer offensichtlicher: Mit dem Goldstandard wurde die Weltwirtschaft an die Kette gelegt, weil die Ökonomien viel schneller wuchsen als die Goldreserven. Erst Anfang der 1970er Jahre gaben die USA die Goldbindung für den zur Weltwährung gewordenen Dollar auf.

Wirklich stabiler geworden sind die Finanzmärkte aber auch dadurch nicht. Eine ungezügelte Geldvermehrung der großen Notenbanken führt seitdem immer wieder zu gefährlichen Blasenbildungen an den internationalen Finanzmärkten - und so mancher gebeutelte Anleger wünscht sich daher den alten Goldstandard wieder.

Hoffnung und Zuflucht

Bis heute gilt das Edelmetall als letzte Hoffnung und Zuflucht, besonders in Zeiten virtueller Geld- und Finanzmärkte. Deren Funktionieren und vor allem deren Gerechtigkeit wird nach den jüngsten Erschütterungen des Weltfinanzsystems von immer mehr Menschen in Frage gestellt. Viele fordern inzwischen eine Rückkehr zu einem transparenten Finanzsystem, das mit realen Werten abgesichert ist.

Kein anderes Gut wäre dafür besser geeignet als Gold, meinen die Verfechter eines Goldstandards. Doch es bleiben berechtigte Zweifel. Denn die Goldvorräte sind begrenzt und können langfristig das weltweite Wirtschaftswachstum nicht abbilden. Eine Rückkehr zur Goldwährung würde sich allein deshalb politisch kaum durchsetzen lassen.

Dass sich Gold als sicheres Ruhekissen für Anleger eignet, ist mehr durch seinen Mythos als durch Fakten gedeckt. Wer etwa in den Jahren seit der Finanzkrise 2008 auf den sicheren Hafen Gold gesetzt hat, musste zuletzt herbe Rückschläge hinnehmen. Seit einem Rekordhoch bei fast 2000 Dollar je Feinunze im Jahr 2011 ist der Kurs mittlerweile auf rund 1300 Dollar (Stand Februar 2018) gefallen.

Der von vielen erhoffte Superboom des Edelmetalls ist bis heute ausgeblieben. Wieder einmal zeigt sich, dass Gold allein nicht Wohlstand und Sicherheit schaffen kann. Dieser gefährlichen Illusion haben sich die Menschen in den vergangenen Jahrhunderten immer wieder hingegeben - und viele wurden bitter enttäuscht.

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