Erbschaftssteuer und Schenkungen:Wenn der Enkel ein Vermögen bekommt

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Familien, die langfristig planen, können bei Erbschaften und Schenkungen viel Geld sparen - die Freibeträge lassen einigen Spielraum. Doch die Finanzämter kennen die Tricks der Familien.

Malte Conradi

Die Anrufe der wohlhabenden Klienten kommen jedes Jahr - in der Regel ein paar Tage nach Weihnachten. Man habe über die Feiertage mit der Familie beisammengesessen, erzählen sie Ulrich Derlien dann. Und über Grundsätzliches gesprochen - über das Familienvermögen, über Erbregelungen und über große Geldgeschenke. Derlien bekommt dann oft Listen mit dem gesamten Familienbesitz überreicht - Immobilien, Aktiendepots, Bargeld - die Namen der Empfänger dahinter. Und dann soll Steuerberater Derlien entscheiden: "Macht das so Sinn?"

Die Übertragung von Vermögen an die nächsten Generationen sei ein Thema, über das kaum jemand gerne nachdenke, sagt Derlien, Partner im Augsburger Büro der Wirtschafts- und Steuerkanzlei Sonntag & Partner. "Dabei kann man in dieser Sache steuerlich so viel gestalten." Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Familien frühzeitig planen.

Oft treffen Derlien und seine Kollegen auf das sogenannte Berliner Testament. Das sieht vor, dass im Todesfall das gesamte Erbe dem Ehepartner zufällt. "Nicht besonders günstig", urteilt Derlien diplomatisch. Denn oft ist die Summe so hoch, dass der Erbe gar nicht das gesamte Geld benötigt. Trotzdem wird die Erbschaftssteuer fällig. Und wenn, oft nur wenige Jahre später, auch der zweite Ehepartner stirbt, schlägt die Steuer ein zweites Mal zu. "Trotzdem ist dieses Modell kaum aus den Köpfen zu kriegen", sagt Derlien.

Viel besser ist es in so einem Fall, den Kindern schon einmal einen größeren Teil des Vermögens zu vermachen, das sie ohnehin früher oder später erhalten würden. In wohlhabenden Familien wird dieses Modell oft schon zu Lebzeiten praktiziert. So wie bei dem Ehepaar aus dem Münchner Umland, das Derlien in Steuersachen berät. Aus einer Unternehmensanleihe waren 350.000 Euro frei geworden, eine lukrative Anlage für das Geld nicht in Sicht. Da ihr Sohn gerade geheiratet hatte, entschieden die Eheleute sich, ihm mit dem Geld beim Kauf eines Reihenhauses zu helfen. Schenkungssteuer wurde dabei nicht fällig, denn die Summe lag unter dem Freibetrag für Kinder von 400.000 Euro. Höher liegt der Freibetrag nur bei Ehepartnern - Schenkungen und Erbschaften sind hier bis zu einer halben Million Euro steuerfrei. Enkel zahlen bis 200.000 Euro nichts.

Das Finanzamt kennt die Tricks der Familien

Eine Besonderheit, die sich langfristig planende Familien zunutze machen: Die Freibeträge gelten für alle Erbschaften und Schenkungen innerhalb von zehn Jahren. Danach stehen die Freibeträge erneut zur Verfügung. Reiche Familien können so große Beträge steuerfrei an die nächste Generation weiterreichen. Nicht selten werden dabei sogar schon die Enkel bedacht. Erbt etwa ein Enkel im Alter von 30 Jahren 800.000 Euro von seinem Großvater, sind nach Abzug des Freibetrags 600.000 Euro steuerpflichtig. Überträgt der Großvater seinem Enkel hingegen von dessen Geburt an alle zehn Jahre 200.000 Euro, ist das gesamte Erbe steuerfrei. Nebenbei wird bei so einer Schenkung eine Generation übersprungen - und somit auch einmal die Steuer vermieden.

Weitere Gestaltungsmöglichkeiten bietet der Umstand, dass die Freibeträge für jedes Großelternteil gelten: Beide können alle zehn Jahre 200.000 Euro steuerfrei vererben.

Doch das Finanzamt kennt die Tricks der Familien: "Kettenschenkungen", bei denen das Geld erst zwischen den Ehepartnern und kurze Zeit später zu den Enkeln fließt, werden nicht anerkannt. "Da muss man schon ein paar Jahre vergehen lassen oder wirtschaftlich vernünftige Gründe für die Übertragung angeben können", sagt Derlien.

Auch die Steuerbelastung nach Ausschöpfen der Freibeträge legt Zuwendungen an die Enkel nahe. Denn der anzuwendende Steuersatz steigt mit der Höhe der Schenkung. Wird das Vermögen also auf möglichst viele Empfänger verteilt, sinkt die Steuerlast insgesamt. Bis zu 75.000 Euro über dem Freibetrag werden mit sieben Prozent besteuert, bis zu 300.000 Euro mit 11 Prozent und bis zu 600.000 Euro mit 15 Prozent. Innerhalb der großen Spanne bis sechs Millionen Euro werden 19 Prozent fällig, der Höchstsatz liegt bei 30 Prozent.

Diese Tarife (Steuerklasse I) gelten für Ehepartner genauso wie für Kinder und Enkel. Wenn es um Schenkungen an Enkel geht, bekommt der Steuerberater Derlien oft hautnah mit, wie es um das Vertrauen in den Familien steht. Denn die Bedachten sind oft noch jung, und wer will schon riskieren, dass sein Vermögen verschleudert wird? In solchen Fällen bieten sich Verträge an, die vorsehen, dass das Geld bis zu einem gewissen Alter in Verwahrung der Eltern bleibt.

Heikel wird es, wenn die Großeltern dem einen Enkel das Erbe sofort anvertrauen, dem anderen aber nicht. Kaum ein Thema löst so zuverlässig Familienstreit aus wie Erbschaften und Schenkungen. Solche Erfahrungen haben Derlien einen Grundsatz gelehrt, den er fast jedem seiner Klienten mit auf den Weg gibt: "Machen Sie nichts nur wegen der Steuerersparnis." Denn die ist oft genug teuer erkauft.

© SZ vom 17.01.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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