Bundesgerichtshof stärkt Anleger:Urteil gegen die Macht der Banken

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Die Rechte von Kunden werden grundlegend erweitert: Geldhäuser haften für Beratungsfehler, die bis zu 30 Jahre zurückliegen.

Markus Zydra

Deutsche Anleger können Banken wegen falscher Beratung in Fällen belangen, die bis zu 30 Jahre zurückreichen. Mit diesem Urteil erweitert der Bundesgerichtshof (BGH) die Rechte von Kunden grundlegend. Das könnte vielen Deutschen helfen, die in der Finanzkrise hohe Summen verloren haben.

Skyline von Frankfurt: Der Bundesgerichtshof hat die Rechte von Bankkunden erheblich gestärkt. (Foto: Foto: Getty)

In dem Fall gaben die BGH-Richter einem Kunden Recht, der im Jahr 2000 für 140.000 Euro Aktienfonds bei der Hypo-Vereinsbank gekauft hat. Der dort angestellte Finanzberater hatte dem Kunden damals verschwiegen, dass die Bank von der Fondsgesellschaft heimlich Verkaufsprovisionen erhält, sogenannte Kickbacks. Die obersten Richter stellen fest, dass die Kreditinstitute schon lange wissen müssen, dass sie über diese Rückvergütungen aufklären müssen.

Diese Kickbacks waren lange ein gut gehütetes Geheimnis in der Finanzbranche. Wer einen Aktienfonds zeichnet, bezahlt im Jahr eine Managementgebühr von etwa 1,5 Prozent. Bis zu 0,8 Prozent fließen jedoch von der Fondsgesellschaft zurück an die vermittelnde Bank. Diese Provisionen müssen dem Kunden offengelegt werden, und zwar auch schon im Jahr 2000, wie die BGH-Richter nun urteilten. Bislang war die Mehrheit der Juristen davon ausgegangen, dass Banken über Rückvergütungen erst seit dem 1.November 2007 informieren müssten. Damals trat die europäische MiFID-Richtlinie in Kraft.

Unzufrieden mit Urteil der Münchner Richter

Pikant ist, dass der BGH im selben Fall schon im Dezember 2006 einen Interessenskonflikt festgestellt und diesem Kläger recht gegeben hat. Es bestehe die Gefahr, dass Kunden- und Vertriebsinteresse bei der Bankberatung nicht in Einklang stünden.

Allerdings hatte das OLG München Ende 2007 wieder zugunsten der Bank entschieden. Nun hat der BGH ( Az. XI ZR 586/07) erneut den Sparer gestärkt und den Fall an einen anderen Senat des OLG München zur Entscheidung gegeben.

Das macht deutlich, wie unzufrieden die obersten Richter mit dem Urteil der Münchner Richter waren. Dieses aktuelle BGH-Urteil wurde bereits am 12.Mai gefällt. Erst jetzt liegt die ausführliche Urteilsbegründung vor, in der die Bankenmacht weiter beschnitten wird.

"Künftig können Sparer Beratungsfehler der Bank bis zurück ins Jahr 1979 geltend machen", sagt der Tübinger Rechtsanwalt Andreas Tilp, der das Urteil erstritten hat. Weil vielen Kunden lange Zeit gar nicht bekannt war, dass die Banken hinter ihrem Rücken Rückvergütungen erhalten haben, konnten sie auch nicht klagen. Aufgrund der seit 1998 geltenden Verjährungsfrist von drei Jahren ab Kauf des Wertpapiers waren die Klagehürden für alte Beratungsfehler deshalb sehr hoch. Der Kunde musste der Bank schon Vorsatz nachweisen, um diese Verjährungsfrist auszuhebeln, was sehr schwierig ist.

Bislang folgten viele untere Gerichte der Argumentation der Bank, der Finanzberater habe die Aufklärung über verdeckte Provisionen nicht vorsätzlich, sondern nur fahrlässig verschwiegen. Damit kommen die Institute künftig nicht mehr durch. Nun müssen die Kreditinstitute beweisen, dass sie keinen vorsätzlichen Beratungsfehler gemacht haben, um auf Verjährung zu plädieren. Doch das wird ihnen kaum möglich sein.

Die Richter beziehen sich in der Urteilsbegründung nämlich auf eine Richtlinie des Bundesaufsichtsamts für Wertpapierhandel, eine Vorgängerin der Finanzdienstleistungsaufsicht BaFin. Die Behörde hatte bereits 1997 die Richtlinie erlassen, in der die Aufklärungspflicht zu Rückvergütungen verankert wurde. Die Banken, so der BGH, hätten also wissen müssen, dass der Kunde über die Provisionen aufzuklären ist.

Die Richter urteilten, der Bankvorstand habe Sorge dafür zu tragen, dass alle Mitarbeiter des Hauses über die geltende Rechtslage informiert sind. Geschehe dies nicht, sei das ein vorsätzliches Verschulden der Bank. Damit greift künftig die Argumentation der Bankberater nicht mehr, sie hätten von der Auskunftpflicht zu Kickbacks nichts gewusst. Ihr Arbeitgeber hätte aufgrund der Aufsichtsrichtlinie davon wissen und diese Information an die Angestellten weitergeben müssen.

Das strenge Urteil bezieht sich nach Ansicht von Tilp auf jegliche Beratungspflichtverletzung der Bank. Gerade im Fall der Lehman-Zertifikate wurde deutlich, dass vielen unbedarften Sparern riskante Produkte verkauft wurden, weil es dafür hohe Provisionen für den Verkäufer gab.

© SZ vom 23.06.2009/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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