Büros:Arbeit sucht Platz

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Begehrter Platz: Vor allem moderne Bürogebäude in zentralen Lagen sind in vielen Großstädten mittlerweile Mangelware. (Foto: Alessandra Schellnegger)

In den großen deutschen Städten werden Büroflächen in zentraler Lage knapp. Die Leerstände sinken immer weiter, die Mieten steigen.

Von Susanne Osadnik

Berlin ist ja bekanntlich eine Reise wert. Inzwischen kommen aber immer mehr Menschen, um langfristig zu bleiben. Es gibt mehr Jobs, mehr Lebensqualität, mehr internationale Aufmerksamkeit - und immer weniger Büroräume, vor allem in den Toplagen der Stadt. Aktuell liegt der Leerstand bei nur noch 2,5 Prozent. Makler sprechen von "Vollvermietung". Auch in den anderen deutschen Metropolen sieht es ähnlich aus.

Die Zeiten, als Unternehmen noch aus einer Vielzahl an Büroräumen auswählen konnten, sind endgültig vorbei. "Wer einen Umzug im Zentrum einer Metropole wie beispielsweise Berlin plant und größere Flächen sucht, muss sich das rechtzeitig überlegen und schon mehr als ein Jahr vorher mit der Suche beginnen", sagt Niclas Karoff, Vorstand der TLG Immobilien AG. "Die Neuflächen aus Entwicklungsprojekten sind in der Regel bereits frühzeitig vorvermietet." Potenzielle Büromieter weichen daher immer öfter auf Nebenlagen aus. Zum Beispiel in Berlin. Dort interessiert man sich jetzt auch für Objekte wie den Bürokomplex im Kapweg, zwischen Wedding, Reinickendorf und Tegel gelegen. Als die TLG die Immobilie Ende 2016 übernahm, standen etwa 60 Prozent der Flächen leer. Inzwischen sind fast 6000 der 11 000 Quadratmeter brach liegender Büroräume wieder vermietet. Und das auch noch zu einem besseren Preis: Im Durchschnitt zahlen die neuen Mieter im ersten Halbjahr 28 Prozent mehr als die aktuelle Marktmiete, die am Standort bei elf Euro pro Quadratmeter liegt.

Obwohl die Renditen sinken, setzen die Investoren weiter auf die großen Metropolen

Auch die DIC Asset AG war mal stark in Berlin vertreten, hat ihre Immobilienbestände dort aber weitgehend abgebaut. Jetzt wieder einzusteigen, ist keine Option. "Vor fünf Jahren ist noch niemand davon ausgegangen, dass Berlin sich dermaßen rasant entwickeln würde", sagt Aydin Karaduman, Vorstandsvorsitzender des Unternehmens. "Inzwischen sind die Preise für Immobilien aber so hoch, dass für uns das Risiko-Rendite-Profil nicht mehr stimmt."

Aber nicht nur in Berlin, in allen Metropolen sinken die Renditen. Das Maklerunternehmen CBRE kommt für Hamburg auf 3,25 Prozent, für Köln und München auf knapp drei Prozent und für Düsseldorf auf 3,6 Prozent. "Das derzeitige Marktumfeld erfordert eine selektive und spezifische Ankaufsstrategie, um noch attraktive Renditen erwirtschaften zu können", so Karaduman. "Wir haben auch deshalb beschlossen, unsere Ankaufsziele anzupassen." Statt wie geplant gut 500 Millionen Euro zu investieren, sollen es jetzt nur noch 350 Millionen Euro sein. Gleichzeitig plant der Gewerbeimmobilienspezialist, Objekte abzustoßen: Bis zum Jahresende will man sich voraussichtlich von Portfoliobeständen im Wert von bis zu 250 Millionen Euro getrennt haben.

Obwohl es in den Top-Bürostandorten immer teurer wird, zieht es viele Investoren und auch Mieter dorthin. Und es dürfte noch kostspieliger werden, eine Adresse in Hamburg, Berlin, Düsseldorf, Köln, Frankfurt oder München zu haben. Matthias Pink, Research-Chef bei Savills, rechnet mit weiter steigenden Mieten: "Wenn die Nachfrage ähnlich hoch bleibt wie derzeit, und davon gehen wir angesichts der wirtschaftlichen Dynamik insbesondere in den großen Städten aus, dann werden die Büromieten ihren Aufwärtstrend nicht nur in diesem, sondern auch im kommenden Jahr fortsetzen - möglicherweise mit dann noch höherer Dynamik."

Allein im zweiten Quartal des Jahres wurden in den sechs Top-Bürostandorten 1,7 Millionen Quadratmeter Bürofläche neu vermietet - 3,2 Prozent mehr im Vorjahreszeitraum. Weil die Leerstände sinken und in allen sechs Städten in diesem Jahr nicht mal mehr eine Million Quadratmeter zusätzliche Flächen angeboten werden können, dürfte es schwierig werden, bis zum Jahresende weitere Vermietungserfolge feiern zu können, sind Marktbeobachter sicher. Für 2018 sieht es auch eher mager aus. Erst 2019 werden voraussichtlich wieder mehr Flächen fertiggestellt. Laut Savills sind aktuell Projekte mit zusammen mehr als 1,7 Millionen Quadratmeter geplant oder im Bau. Bis dahin könnte die Leerstandsquote in den Top-Städten schon bei weniger als fünf Prozent liegen.

Für die kommenden fünf Jahre erwartet die Ratingagentur Scope etwa für Berlin im Durchschnitt ein jährliches Mietpreiswachstum von 4,4 Prozent. Das katapultiert die Bundeshauptstadt an die Spitze der wichtigsten 20 europäischen Standorte. Nicht mal in München, Madrid oder Paris sieht man noch solche Chancen auf weiteres Wachstum. Allein im Vergleich vom ersten zum zweiten Quartal legte die Spitzenmiete in Berlin um 3,5 Prozent zu - so viel wie in keiner anderen Metropole. In Hamburg, Köln und München stagnieren die Topmieten sogar; in Düsseldorf gab es ein Plus von 0,8 Prozent, und in Frankfurt verteuerten sich die Höchstmieten seit dem ersten Quartal um 1,3 Prozent. Zurzeit zahlt man hier maximal 39,50 Euro.

Mancher Investor hofft, dass es dabei nicht bleibt - und man sogar wieder Preise wie zu Beginn der Neunzigerjahre sieht. Damals konnte man in Frankfurt in der Spitze 45 Euro pro Quadratmeter kassieren. "Ein Wert, der seitdem nie wieder erreicht wurde", sagt Günter Vornholz, Professor für Immobilienökonomie an der EBZ Business School in Bochum. "Kurz bevor die Dotcom-Blase platzte, waren es für kurze Zeit sogar umgerechnet fast 50 Euro." Allerdings stürzte der Markt danach auch ins Bodenlose und ließ den Leerstand von vier auf 18 Prozent nach oben schnellen. Davon hat sich Frankfurt nur sehr langsam erholt. Auch andere Städte verdoppelten in dieser Zeit den Leerstand: In Berlin standen statt sechs gut 12 Prozent der Büroräume leer; in München waren es zehn statt fünf Prozent. Laut Savills stehen in Frankfurt heute immer noch 8,4 Prozent der Flächen leer - mehr als in jeder anderen deutschen Bürometropole. Dennoch ist Immobilienexperte Vornholz zuversichtlich: "Inzwischen könnte man sich langsam mit dem Gedanken anfreunden, wieder zu bauen. So lange das Ganze nicht wieder in einen erneuten Bauboom ausartet."

Denn Frankfurt ist nach wie ein Hoffnungsträger. Mittelfristig erwartet man hier 8000 Bankbeschäftigte, die im Zuge des Ausscheidens Großbritanniens aus der Europäischen Union von London nach Frankfurt wechseln könnten. Haben die Maklerhäuser bisher auch noch keinen "Brexit-Deal" bestätigt, bleibt man optimistisch, dass sich das bis zum Ende des Jahres ändern könnte. Bei der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba) spielt man die Möglichkeiten durch, wie Frankfurt der möglichen Nachfrage gerecht werden kann. "Eine Reihe von Banken, die eine Verlagerung von der Themse an den Main anstrebt, dürfte größere zusammenhängende Flächen in zentraler Lage suchen. Wenn sich gleichzeitig mehrere Institute für dieses Marktsegment interessieren, ist nicht auszuschließen, dass nicht jedes hier kurzfristig die gewünschte Fläche findet", sagt Stefan Mitropoulos, Immobilienanalyst der Helaba. Gibt es auch immer noch 1,2 Millionen Quadratmeter an leer stehenden Büroflächen, kommt laut Mitropoulos ein Großteil nicht für die Brexit-Zuzügler in Frage, weil er sich nicht in den von den Banken bevorzugten zentralen Lagen befindet und nicht deren Qualitätsansprüche erfüllt. Das dürfte sich ändern, wenn mit dem Winx-Tower, dem Omniturm sowie dem Marienforum/Marienturm mehr als 130 000 Quadratmeter Bürofläche in zentraler Lage auf den Markt kommen. Weitere 100 000 Quadratmeter sind mit dem "Four Frankfurt" auf dem bisherigen Deutsche Bank Areal in Planung.

© SZ vom 29.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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