Briten wetten auf Euro-Austritt:Hundert Pfund auf Hellas

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4:1 gegen Griechenland, 7:1 gegen Spanien: Britische Hobby-Ökonomen wetten auf fast alles, zurzeit besonders gern auf einen Austritt von Staaten aus der Euro-Zone.

Andreas Oldag, London

Larry Martin ist leidenschaftlicher Wetter. Der 45-jährige Taxifahrer verbringt einen Großteil seiner Freizeit im Wettbüro. "Es macht mir einfach Spaß. Und meistens springt etwas dabei heraus", meint der Londoner. Zu seinem neuesten "Fachgebiet" gehören Wetten auf den Euro. "Die Währungsunion ist ein Hirngespinst. Sie kann nicht funktionieren", erklärt der Hobby-Ökonom.

Martin hat 100 Pfund (120 Euro) auf einen Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone gesetzt. Tritt seine Prognose ein, kann er 125 Pfund einstreichen. Das ist nicht gerade ein üppiger Gewinn, weil die meisten Wettfans auf einen Verbleib Griechenlands in der Euro-Zone nichts mehr geben wollen. Die Gewinnquote rauschte deshalb in den vergangenen Tagen in den Keller.

Larry Martin muss indes nun auf den linken griechischen Politiker Alexis Tsipras hoffen, der angekündigt hat, den Finanzpakt mit der EU aufzukündigen. Damit wäre ein Euro-Exit der Hellenen ziemlich wahrscheinlich.

"Griechenland ist seit Langem der heißeste Favorit für den ersten Euro-Austritt", meinte ein Sprecher des Wett-Anbieters William Hill. Der Andrang war so groß, dass große Wettbüros aus Furcht vor hohen Verlusten nicht mehr dagegenhalten wollen. Die Buchmacher nahmen deshalb vergangene Woche zeitweise keine Wetten mehr auf den Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone an.

Großbritanniens größter Buchmacher mit 2350 Filialen auf der Insel reduzierte die Gewinnquote wiederholt auf bis zu 1:4, bevor er diese Wetten einstellte. Übers Wochenende entspannte sich die Lage allerdings aus Sicht von William Hill. Wetten auf Griechenland werden seitdem wieder zugelassen. Hintergrund ist auch, dass jetzt Spanien stark in den Fokus gerückt ist. Die Gewinnquoten auf einen Austritt des südeuropäischen Landes stehen bei 7:1. Für hartnäckige Wettfans bietet Hills Rivale Ladbrokes indes noch weitere Optionen an, aus der Euro-Krise Kapital zu schlagen.

So kann man bei Ladbrokes darauf wetten, dass der griechische Aktienmarkt in diesem Jahr an einem einzigen Tag um 25 Prozent abstürzt. Für Untergangspropheten bietet sich sogar ein Einsatz darauf an, dass der Euro bis Ende des Jahres sein Leben ausgehaucht hat. Die Gewinnquote steht bei 33:1. Wer glaubt, dass der Euro Ende 2015 Geschichte ist, muss sich mit einer Quote von 5:6 zufriedengeben.

Abstrus und für Festland-Europäer befremdlich

Die Kostümfarbe der Queen beim nächsten Empfang auf Schloss Windsor oder der Favorit der Big-Brother-Show - es gibt kaum etwas, auf was Briten nicht wetten. "Es ist schon lange Teil unserer Kultur und gehört zum Alltag dazu", sagt Rupert Adams von William Hill.

Bei abstrusen und für Festland-Europäer befremdlichen Wetten bewahrheitet sich der alte Branchenspruch, dass der Gewinner stets der Buchmacher ist. Er hat den Vorteil, dass er nicht das richtige Ergebnis voraussagen muss. Dabei wird unterschieden zwischen Wetten mit festen und variablen Gewinnquoten.

Buchmacherfirmen arbeiten mit ausgeklügelten Computerprogrammen, um beim Handel mit dem Glück nicht in die roten Zahlen zu geraten. Nur: Den Wettbüros macht vor allem die Wirtschaftskrise zu schaffen. Tippfans knausern mit ihren Einsätzen.

Der Wettmarkt in Großbritannien kommt auf einen Jahresumsatz von mehr als 20 Milliarden Pfund. Dabei wächst vor allem der Online-Wettmarkt. Das Produkt "Pferdewetten" ist inzwischen etwas altmodisch geworden, räumte William-Hills-Firmenchef Ralph Topping ein. Man könne schließlich kaum noch einem 21-Jährigen die Feinheiten des Sports erklären. So versucht die Branche, das Wettgeschäft in anderen, populären Sportarten wie dem Fußball anzukurbeln. Vor allem jüngere Tipper sollen so in die Wettbüros gelockt werden.

© SZ vom 14.05.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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