Börse: Handel mit Penny-Stocks:Von Zockern und Zombies

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Verführung zur Gier: Die Aktien von GM gehörten einst zum Stolz der Wall Street - mittlerweile sind es wertlose Penny Stocks. Doch manche Anleger wittern noch immer das große Geschäft.

Hans von der Hagen

Unübersehbar prangt ein gelbfarbenes Dreieck auf der Internetseite. Darunter steht "Warning" - "Warnung". Gleich daneben gibt es noch ein "Warning": "This company is in bankruptcy" - "diese Firma ist bankrott". Was als Webseite wie vermintes Gelände daherkommt, gehört zum Internetbereich der Pink Sheets, der Marktplatz der Pink OTC Markets.

Ausschnitt aus einer historischen General-Motors-Aktie. Mittlerweile werden die GM-Papiere am Pink Sheet gehandelt - dem wildesten Börsensegment der USA. (Foto: Foto: SZ)

Es ist der Wilde Westen des US-Aktienmarkes. Dort wird - unter anderem - alles gehandelt, was woanders keinen Platz findet: Unternehmen, die Pleite sind, aber auch Gesellschaften, die noch jung sind und irgendwann einmal vielleicht groß herauskommen.

Am Pink Sheet ist auch der einstige Stolz der Wall Street gelandet - die Papiere von General Motors.

Der über Jahre mächtigste Automobilhersteller der Welt teilt sich mittlerweile in Old GM und New GM. Old GM ist der sieche Teil des Unternehmens, der in den kommenden Jahren abgewickelt wird.

In New GM wurden hingegen die gesünderen Teile der Firma zusammengefasst. Seit dem Sommer vergangenen Jahres halten die US-amerikanische und kanadische Regierung die Mehrheit an New GM.

Viel ist von dem alten Teil nicht mehr übrig: Der Marktwert aller Papiere beträgt derzeit rund 400 Millionen Dollar. Was die Reste allerdings tatsächlich wert sind, weiß keiner so genau - wahrscheinlich nach Auszahlung aller Ansprüche nichts mehr.

Gezielt gestreute Gerüchte

Doch das schreckt die Investoren nicht: In den vergangenen Wochen machten die Papiere enorme Kurssprünge, legten bis Mitte Januar binnen weniger Tage gut 70 Prozent zu und gaben dann wieder rund 20 Prozent ab.

Die US-Börsenaufsicht SEC warnt, dass Anleger keinesfalls Old und New GM verwechseln sollten. Ein Investment in Pleite-Firmen sei hochriskant und oft genug würden mit gezielt gestreuten Gerüchten über dubiose Faxe und Mails Kursbewegungen provoziert, die nicht gerechtfertig seien.

Aber die Aussicht, dass sich mit diesen Papieren binnen kurzem satte Gewinne erzielen lassen, wiegt offenbar schwerer - GM ist zu einem Zockerpapier verkommen. Typischerweise würden Daytrader in solche Firmen investieren, sagt eine Sprecherin der Börsengesellschaft Pink OTC Markets. Anleger also, die Papiere blitzschnell kaufen und wieder abstoßen.

Aktien wie die von GM finden sich immer wieder an der Börse, eine Pleite reicht noch lange nicht, um sie vom Kurzzettel verschwinden zu lassen. Auch das GM-Papier werde wohl noch über Jahre gehandelt werden, mutmaßt die Pink-OTC-Markets-Sprecherin - solange wie Old GM existiert.

Deutschlands bekanntestes Zockerpapier gibt es fast schon seit dem Zweiten Weltkrieg: Es sind die Anteilsscheine der IG Farben in Abwicklung, die aus der Entflechtung des Konzerns IG entstanden sind und seit 1952 an der Börse gehandelt werden.

Mittlerweile ist es ruhiger um diese Aktien geworden, die derzeit bei knapp unter zehn Cent notieren: Wohl auch, weil 2008 die Liquidatoren des Unternehmens betont hatten, dass Inhaber dieser Papiere sich keine Hoffnung auf eine Barausschüttung zu machen brauchten. In den Jahren zuvor aber schwankte der Kurs stark; Anleger, die zu einem günstigen Zeitpunkt eingestiegen waren, konnten mitunter binnen weniger Tage ihren Einsatz vervielfachen.

Aber selbst wenn Anteile nur noch als Zombieaktien ohne jeden Wert - als sogenannter Börsenmantel - vor sich hindümpeln, mögen Spekulanten nicht die Finger von ihnen lassen: Die Aktien könnten wiedergeboren werden und die Anleger zu Aktionären der ersten Stunde werden.

Denn ein Unternehmen, das sich die umständliche und teure Prozedur eines Börsengangs ersparen will, kann sich den Mantel gleichsam überziehen und so selbst an den Finanzmarkt gehen.

Anfang der 2000er Jahre hatte eine solche Aktion in Deutschland viel Wirbel ausgelöst: Ein Internet-Sex-Shopbetreiber fand den Weg an die Börse über die wertlose Hülle eines australischen Minenwertes, erinnert Aktienhändler Thomas Nagel von dem Frankfurter Handelshaus Equinet. Die Kombination von Internet und Sex sei damals bestens bei den Anlegern angekommen.

Rund zwei Dutzend solcher Börsenmäntel würden derzeit in Deutschland gehandelt, schätzen Fachleute, teils zu Kursen von wenigen Zehntelcent - Penny Stocks eben.

Scheinbar niedriger Preis

Doch warum finden diese Papiere trotz des enormen Risikos immer wieder ihre Käufer? Es ist der optisch niedrige Preise und die Überschätzung der Chancen, weiß Behavioral-Finance-Experte Joachim Goldberg, der mit seiner Firma Cognitrend professionelle Anleger darauf trimmt, nicht immer wieder Opfer typisch menschlicher Eigenschaften an der Börse zu werden.

Er vergleicht das Investment mit einem Lotteriespiel: Obwohl die Chance auf einen Gewinn winzig sei, kauften viele die Lose. Zu groß sei die Hoffnung, einen geringen Geldeinsatz praktisch über Nacht zu vervielfachen. Gerade kleine Wahrscheinlichkeiten würden dabei systematisch überschätzt - auch aus einer diffusen Vorstellung heraus "vom Schicksal begünstigt zu sein", sagt Goldberg.

Eine Wahrscheinlichkeit von einem halben oder einem Prozent transformiere sich so zu einer gefühlten Wahrscheinlichkeit von möglicherweise fünf bis sieben Prozent. Dabei wirke sich die Aussicht auf einen überproportionalen Gewinn weit stärker auf das Verhalten des Käufers - also die Gier - aus als später die tatsächliche Auszahlung des Gewinns.

Vielleicht würden nach Ansicht von Goldberg auch wesentlich mehr Leute Penny Stocks kaufen, wenn sie wüssten, dass es sie gebe. Nur: Das Geschäft ist hochriskant. Wer satte Gewinne einstreichen will, muss eben auch damit rechnen, alles zu verlieren.

Das betont im Fall von GM auch die US-Börsenaufsicht: Keinesfalls sollten sich Anleger vom Umstand täuschen lassen, dass nach dem Bankrott die Aktien noch so lange weiter gehandelt würden. Es sei nicht damit zu rechnen, dass Old GM je in irgendeiner Form von New GM profitieren könne.

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