Blätterwald:Natürlich erlaubt

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Schön bunt und manchmal lästig. Aber mit dem Herbstlaub muss man sich abfinden, auch mit dem vom Nachbarn. (Foto: Patrick Pleul/dpa)

Laub fällt, wohin es will, auch auf das Grundstück des Nachbarn. Dafür gibt es keinen Schadenersatz. Vor der eigenen Haustür sollte aber schon gut gefegt werden, sonst kann es teuer werden.

Von Andrea Nasemann

Fallen im Herbst die Blätter, beginnt für manchen Gartenbesitzer eine Leidenszeit: kiloweise Blätter auf der Grundstückszufahrt, im Garten oder auf der Terrasse. Und dann noch der Ärger mit dem Nachbarn deswegen. Kann der verlangen, dass die Bäume gefällt werden, oder Geld für das Beseitigen von Laub fordern?

Zwar zählen Laub, Blüten, Nadeln und Zapfen rechtlich zu den Immissionen, also zu den Einwirkungen, die das Eigentum beeinträchtigen können. Allerdings lehnen die meisten Gerichte einen Abwehr- oder Entschädigungsanspruch ab mit dem Argument, dass meist keine wesentliche Beeinträchtigung vorliege.

So auch das Amtsgericht München: Eine Hauseigentümerin fühlte sich durch die große Linde des Nachbarn massiv gestört. Gerade im Herbst wurden viele Blätter, Blüten und kleine Äste in den Nachbargarten geweht und bedeckten den Gemüsegarten der Nachbarin und ihren Rasen, häuften sich auf der Garagenzufahrt und verstopften die Regenrinnen. Sie wandte sich an den Eigentümer des Baums und forderte eine jährliche "Laubrente" von 500 Euro. Denn sie müsse drei- bis viermal jährlich die Regenrinnen reinigen und zehn bis fünfzehn 80-Liter-Tonnen an Laub entsorgen.

Das Amtsgericht München lehnte ihre Klage ab und begründete dies mit dem Lagevorteil eines Grundstücks im Grünen. Die ortsübliche Nutzbarkeit des Grundstücks sei nicht wesentlich beeinträchtigt, denn es befinde sich in einer seit Langem gewachsenen Wohngegend mit Gärten und viel Baumbestand. Auch die Mehrheit der Nachbargrundstücke sei dem Abfallen von Laub, Blüten und Blättern eigener und fremder Bäume ausgesetzt (114 C 31118/12).

Einwirkungen, die auf Naturkräfte zurückzuführen sind, können nicht verboten werden

Ähnlich entschieden auch andere Gerichte. So verneinte das Landgericht Ulm eine wesentliche Beeinträchtigung, als von 30 Laubbäumen zentnerweise Laub beim Nachbarn landete (2 0 339/84). Das Gleiche gilt, wenn Laub von zwölf Birken und einer Eiche auf das Nachbargrundstück fällt und dort unter anderem die Schwimmbadnutzung beeinträchtigt (Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf, 9 U 10/95). Das Landgericht Stuttgart entschied, dass "pflanzliche Einwirkungen, die auf Naturkräfte zurückzuführen sind", nicht verboten werden können (13 S 15/80). Nur in seltenen Ausnahmefällen gewährten die Gerichte dem Nachbarn einen Geldausgleich für erhöhten Reinigungsaufwand. So bekam ein Nachbar 250 Euro für 31 Stunden Arbeit im Jahr (Landgericht Lübeck, 14 S 122/85), ein anderer 150 Euro im Jahr zugesprochen (OLG Karlsruhe, 6 U 150/82).

Hauseigentümer haben aber "Verkehrssicherungspflichten": Sie müssen ihre Gehsteige von Laub sauber halten, damit Passanten nicht hinfallen. Zwar ist es Sache der Gemeinde, den öffentlichen Straßenraum zu säubern. Diese Aufgabe wird allerdings häufig auf die Anlieger übertragen, wie in einem vor dem Verwaltungsgericht Lüneburg entschiedenen Fall: Drei Eichen grenzten direkt an das Grundstück des Hauseigentümers. Das Gericht sah es als zumutbar an, das Laub bei regelmäßiger Reinigung mit einfachen Hilfsmitteln zu beseitigen. Deshalb sei die Übertragung der Straßenreinigungspflicht auf den Anlieger möglich (5 A 34/07).

Wer nicht selbst das Laub zusammenkehren will, kann damit eine Firma beauftragen. "Allerdings bleibt der Eigentümer zur Kontrolle und Überwachung verpflichtet. Er muss also kontrollieren, ob die Firma oder der Beauftragte ihren Pflichten in ausreichendem Umfang und auch regelmäßig nachkommen", sagt Michaela Rassat, Juristin im Leistungsservice der Ergo Group AG. Die Ausgaben für die Reinigungsfirma können als Betriebskosten auf den Mieter umgelegt werden, wenn der Mietvertrag dies vorsieht. Vermieter können die Reinigungspflichten auch dem Mieter im Mietvertrag auferlegen. Auch dann können sie aber weiter in die Haftung genommen werden, wenn sie die Ausführung der Arbeiten nicht kontrollieren.

Kommt es zum Sturz eines Passanten und verletzt sich dieser dabei, haftet der Grundstückseigentümer nicht in jedem Fall. Denn das "allgemeine Lebensrisiko" muss jeder selbst tragen. Hatte der Gestürzte zum Beispiel rutschige Schuhe an, muss er sich ein Mitverschulden anrechnen lassen.

Fußgänger müssen in der Laubsaison vorsichtig sein. Eine Frau war auf einem Bürgersteig ausgerutscht und hatte sich einen Oberschenkelhalsbruch sowie einen Bruch des rechten Handgelenks zugezogen. Sie klagte auf Schmerzensgeld, ging aber leer aus: Nach Ansicht des Landgerichts Berlin (13 O 192/03) war die Grundstücksbesitzerin ihrer Pflicht zur Gehwegreinigung nachgekommen, da sie sechs Tage vor dem Sturz den Gehsteig vom Laub gereinigt hatte. Die Tatsache, dass in der Zwischenzeit weitere Blätter herabgefallen waren, sei jahreszeitlich bedingt gewesen und somit hinzunehmen. Ohnehin sind Eigentümer nicht verpflichtet, den Bürgersteig vor dem Haus permanent laubfrei zu halten. In einem anderen Fall hatte eine Grundstücksbesitzerin am vorherigen Tag Laub gekehrt. Letztlich sei schon wegen starker Windböen eine Räumung des Gehsteigs zum Zeitpunkt des Vorfalls sinnlos gewesen (Landgericht Coburg, 14 O 742/07). Davon abgesehen können Fußgänger nicht erwarten, dass bereits um sieben Uhr die Bürgersteige schon vom Laub befreit sind. Wer zu dieser frühen Stunde unterwegs ist, muss besonders darauf achten, nicht auszurutschen (Landgericht Frankfurt a. M., 2/23 O 368/98).

© SZ vom 21.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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