Beratungsprotokolle für Anleger:Aufnehmen statt nur aufschreiben

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Beratungsprotokolle sollen Bankkunden helfen und als Beweismittel falscher Anlagepolitik dienen. Tatsächlich nützen sie oft vor allem den Banken. Höchste Zeit, die Protokollpflicht abzuschaffen. Es gäbe eine Lösung, die alles einfacher machen würde.

Ein Kommentar von Daniela Kuhr, Berlin

Mal eben schnell zur Bank gehen und sich über Fonds und Sparanlagen informieren - das war einmal. Wer in den vergangenen Monaten ein Kreditinstitut betreten hat, um sich beraten zu lassen, weiß: Man braucht viel Geduld. Dabei ist das Anlagegespräch selbst oft noch das kleinste Problem. Kompliziert wird es bei dem, was danach kommt: wenn der Berater damit beginnt, das Gespräch zu protokollieren.

Er tippt und tippt und tippt - und legt dem Kunden schließlich mehrere Seiten vor, in denen angeblich alles dokumentiert ist. Ist das so in Ordnung?, fragt er vielleicht noch. Doch der Anleger, dem ohnehin noch von dem Gerede über Fonds und Zertifikate der Kopf schwirrt, blickt hilflos auf die Papiere und stammelt: "Ja". Was bleibt ihm auch anderes übrig? Natürlich sieht er, dass das Protokoll das Gespräch nicht eins zu eins wiedergibt. Er weiß, dass der Berater eine Auswahl getroffen hat, was er mit aufnimmt. Woher aber soll der Kunde wissen, ob wenigstens all das enthalten ist, was er womöglich eines Tages benötigt, um zu beweisen, wie das Gespräch abgelaufen ist?

Textbausteine, die Banken vor Ärger schützen sollen

Zu diesem Zweck nämlich waren die Protokolle einmal eingeführt worden. Als in der Finanzkrise auf einmal unzählige Fälle bekannt wurden, in denen Banken ihren Kunden völlig ungeeignete, viel zu riskante Produkte angedreht hatten, zeigte sich, dass die Anleger vor Gericht kaum eine Chance haben zu belegen, dass sie falsch beraten worden waren. Verbraucherschützer forderten daher, dass jedes Anlagegespräch schriftlich protokolliert werden müsse. Auf diese Weise hätte der Anleger endlich etwas in der Hand, mit dem er später im Zweifelsfall vor Gericht ziehen kann. Weil man in der Politik das Dilemma ebenfalls erkannte, wurden die Protokolle 2010 zur Pflicht gemacht.

Doch mittlerweile mehren sich die Zweifel, ob das wirklich so sinnvoll war. Auch die Verbraucherschützer haben längst erkannt, dass ihre Hoffnung, den Anlegern den Beweis zu erleichtern, sich nicht erfüllt hat. Die Erfahrung zeigt vielmehr, dass die Protokolle weniger den Kunden als vielmehr den Banken nützen. Denn die Bankangestellten wissen ganz genau, was sie protokollieren müssen - und was nicht, um später keinen Ärger zu bekommen. Ein ausgeklügeltes System an Textbausteinen, das ihr Arbeitgeber für sie entworfen hat, hilft ihnen dabei. Die Protokolle sind daher fast nie geeignet, den Anlegern Beweise für eine Falschberatung zu liefern. Viel eher dienen sie den Bankmitarbeitern als Beleg für das Gegenteil: nämlich dafür, dass sie richtig beraten haben.

Es wäre einfacher, die Gespräche aufzuzeichnen

Bundesverbraucherminister Heiko Maas hat mittlerweile angekündigt, die Protokolle zu überprüfen und weiterzuentwickeln. Damit zeigt er, dass er die Probleme sieht und ernst nimmt. Das ist zunächst mal ein gutes Signal. Und zwar für alle Beteiligten. Denn auch die Bankangestellten halten von der neuen Pflicht überhaupt nichts. Jedes Beratungsgespräch kostet sie jetzt sehr viel mehr Zeit. Als besonders befremdlich empfinden sie es jedoch, dass durch die Protokollpflicht eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Kunden sehr erschwert wird. Denn spätestens in dem Moment, in dem der Berater dem Anleger das Protokoll vorlegt mit der Bitte, es durchzulesen, wird der Kunde zwangsläufig misstrauisch. Das ist "systemimmanent". Nur mit einem gewissen Misstrauen besteht überhaupt die Chance, dass er etwas eventuell falsch Protokolliertes auch entdeckt.

Daher ist der Vorstoß von Maas zu begrüßen. Stutzig macht nur, dass er die Protokolle "weiterentwickeln" will. Statt sie "weiterzuentwickeln", sollte der Minister lieber ernsthaft darüber nachdenken, sie wieder abzuschaffen. Es gäbe eine Lösung, die alles sehr viel einfacher machen würde: Vor jeder Anlageberatung müsste der Bankmitarbeiter den Kunden fragen, ob das Gespräch aufgezeichnet werden darf. Anschließend wird eine Kopie der Aufnahme dem Kunden überreicht, und eine Kopie bleibt bei der Bank. Sie wird nur dann aus dem Archiv geholt, wenn es im Nachhinein tatsächlich zu einer Auseinandersetzung über den Gesprächsverlauf kommt. Vermutlich wird es Kunden geben, die nicht möchten, dass das Gespräch aufgezeichnet wird, aber für die könnte dann eben weiterhin ein Beratungsprotokoll angefertigt werden.

Alle anderen aber hätten den Vorteil, dass sie nicht mehr kontrollieren müssen, ob der Berater auch wirklich alles Wichtige dokumentiert hat, denn das ganze Gespräch wird ja komplett aufgezeichnet. Und für die Bankmitarbeiter hätte dieser Weg den Vorteil, dass sie sich endlich wieder auf ihre wirklich wichtige Aufgabe konzentrieren können: Kunden kompetent und vertrauensvoll zu beraten.

© SZ vom 22.04.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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