Beipackzettel für Finanzprodukte:Kauderwelsch für die Kunden

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Seit diesem Freitag müssen die Banken Infoblätter für ihre Finanzprodukte aushändigen. Viele Beipackzettel sind aber alles andere als verständlich - um sie wirklich zu verstehen, bräuchte man einen Doktortitel. Doch es gibt auch positive Beispiele.

Andreas Jalsovec

Oliver Haug hat die Probe aufs Exempel gemacht. Und er ist an seine Grenzen gestoßen: "Einige der Produktinformationsblätter versteht man wirklich nicht", sagt der Chef des Ulmer Instituts H&H Communication Lab. "Viele Formulierungen darin sind nur etwas für Spezialisten, die sich sehr gut in der Materie auskennen." Der normale Verbraucher sei damit überfordert. Rund siebzig sogenannte Beipackzettel für Finanzprodukte hat Haugs Institut unter die Lupe genommen. Ergebnis der Studie: Die Infoblätter (PIB) "sind noch keine große Hilfe für Verbraucher" - auch wenn es einige gute Beispiele gebe.

In einer Filiale der Postbank in Hamburg. (Foto: dpa)

Dass die Ulmer Kommunikationsforscher die PIB gerade jetzt analysiert haben, hat seinen Grund: Ab dem 1. Juli sind Banken und Finanzdienstleister gesetzlich verpflichtet, ihren Kunden solche Dokumente auszuhändigen, wenn sie ihnen ein Wertpapier verkaufen. Ähnlich wie Beipackzettel bei Medikamenten sollen sie helfen, das Produkt zu verstehen und mit anderen zu vergleichen.

Wann bekommt man das Infoblatt?

Immer dann, wenn einem ein Bankberater in einem Beratungsgespräch ein Wertpapier empfiehlt. Die Beipackzettel gibt es für Aktien, Zertifikate und Anleihen. Auch für Fonds bekommt man künftig Infoblätter. Allerdings solche, die die EU vorschreibt. Sie heißen Key Information Documents (KID). Für Tagesgeldkonten oder Sparbriefe sind die Beipackzettel keine Pflicht. Einige Banken geben aber freiwillig Infoblätter dazu heraus. Die Dokumente dürfen nicht länger sein als zwei Seiten, bei komplizierten Produkten drei. Die Bank kann sie in Papierform bereitstellen oder im Internet.

Was muss im Beipackzettel stehen?

Die Kunden müssen daraus alle wichtigen Informationen zur Anlage entnehmen können. Also zunächst: Was ist das für ein Finanzprodukt und wie funktioniert es? "Daneben muss der Verbraucher vor allem erfahren, welche Risiken mit der Anlage verbunden sind und welche Kosten", sagt Sascha Straub, Finanzexperte bei der Verbraucherzentrale Bayern. Auch die Aussichten auf eine Rückzahlung des eingesetzten Geldes und die Erträge unter verschiedenen Marktbedingungen muss die Bank in dem Papier erläutern. Bei allem gilt dabei: Das Informationsblatt soll kompakt, übersichtlich und verständlich sein. Genau das jedoch ist oft nicht der Fall: "Das Gesetz schreibt zwar Verständlichkeit vor", meint Kommunikationsexperte Haug. "Wie das jedoch geschehen soll, dazu gibt es keine Vorgaben."

Wie verständlich sind die Blätter?

Da gibt es riesige Unterschiede. Einige Beipackzettel, so die Ulmer Forscher, überträfen in puncto Verständlichkeit sogar die Bild-Zeitung. Soll heißen: Jeder normale Mensch auf der Straße kann sie verstehen. Ein Beispiel dafür sei die Information der Volkswagenbank zu ihrem Hochzins-Brief."Andere Produktblätter bewegen sich dagegen auf dem Niveau einer Doktorarbeit", meint Oliver Haug. Etwa ein Infodokument der Postbank zu einem Investmentfonds: Dessen Inhalt ist für Otto Normalverbraucher nur schwer durchschaubar.

Ein Grund dafür, dass die Verbraucher oft nur Bahnhof verstehen, sei die ausgiebige Verwendung von Fachbegriffen. Nur allzu gern spicken die Banken die Infoblätter mit Wortungetümen und Fremdwörtern wie "Nettoliquidationserlös", "Informationsmemorandum" oder "Auseinandersetzungsguthaben".

Hinzu kommen unverständliche Schachtelsätze. So wird Anlegern in einem Papier empfohlen, " sich zusätzlich von einem Angehörigen der steuerberatenden Berufe über die steuerlichen Folgen des Erwerbs, des Haltens und der Veräußerung oder Ausübung bzw. Rückzahlung der Wertpapiere unter besonderer Beachtung der persönlichen Verhältnisse des Anlegers individuell beraten zu lassen". "Was die Bank damit eigentlich nur sagen will: ,Fragen Sie auch ihren Steuerberater'", erläutert Experte Haug.

Was fordern Verbraucherschützer?

Vor allem, dass die Anleger verstehen, was sie kaufen - und es vergleichen können. "Man sollte die Angebote nebeneinander legen und dann sagen können, welches besser ist", meint Finanzexperte Straub. Dazu müssten die Produktblätter aber vor allem verständlich sein - und standardisiert. So habe etwa jede Bank ihre ganz eigenen Begriffe für die Risikoeinteilung der Produkte. Für Verbraucher sei das eher verwirrend.

Oliver Haug plädiert für verpflichtende Standardsätze in den Beipackzetteln, die jeder auf Anhieb versteht. Damit würden Verbraucher von komplizierten Umschreibungen für einfache Sachverhalte verschont. Immerhin: Der Zentrale Kreditausschuss, in dem die Spitzenverbände der Banken sitzen, hat sich auf ein Formular für alle Banken geeinigt. Verpflichtend ist das aber nicht.

Worauf sollten Verbraucher beim Beipackzettel achten?

"In jedem Fall sollten sie das Blatt in Ruhe mit nach Hause nehmen und durchlesen", rät Verbraucherschützer Straub. Vor allem sollten sie dabei auf die Angaben zu Risiken und Kosten der Anlage achten. "Auch die Vertragsdauer und die Möglichkeiten zur Kündigung müssen verständlich dargestellt sein", meint Straub. Wo das nicht der Fall ist, lassen Anleger am besten die Finger von dem Finanzprodukt. Getreu dem Motto: Kaufe nichts, was du nicht verstehst.

© SZ vom 01.07.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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