Bauvertragsrecht:Gut für die Nerven

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Von 1. Januar 2018 an gelten beim Bau neue Vorschriften. Sie bringen privaten Bauherren mehr Rechte, aber auch Unternehmen und Handwerker haben dadurch Vorteile. In den Details aber ist die künftige Regelung streitanfällig.

Von Andrea Nasemann

Als großen Wurf oder gar als Meilenstein wird das neue Bauvertragsrecht gern von Experten bezeichnet. In der Tat ändert sich im kommenden Jahr so einiges: Erstmalig werden der Bauvertrag, der Verbraucherbauvertrag, der Bauträgervertrag, aber auch der Architekten- und der Ingenieurvertrag im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt. "Die wenigen gesetzlichen Regelungen zum allgemeinen Werkvertragsrecht wurden den komplexen Sachverhalten nicht mehr gerecht", sagt Rechtsanwalt Olaf Lenkeit, Vertrauensanwalt des Bauherren-Schutzbundes e.V. In den Neuerungen sieht er einen großen Fortschritt hin zu mehr Verbraucherschutz. "Die Reform war längst überfällig", betont Lenkeit.

Das neue Gesetz gilt für Verträge, die vom 1. Januar 2018 an geschlossen werden. Voraussetzung ist, dass ein Verbraucher einen Bauvertrag mit einer Firma schließt und es sich um den Neubau eines Gebäudes oder um erhebliche Umbaumaßnahmen handelt. "Wenn ein Haus zum Beispiel nur gestrichen wird, gelten die neuen Vorschriften nicht", sagt Carsten Eichler, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht der Kanzlei Eversheds Sutherland in München.

Der neue Verbraucherbauvertrag betrifft Bauherren, die schon ein eigenes Grundstück haben und ein Unternehmen mit einem schlüsselfertigen Haus beauftragen. "Beauftragt der Bauherr die benötigten Handwerker jedoch einzeln, gelten die Regelungen des Verbraucherbauvertrags nicht", ergänzt Eichler.

Schutz vor übereilten Entscheidungen gewährt das neue Widerrufsrecht: Der Bauherr kann den Bauvertrag - sofern er nicht schon vom Notar beurkundet wurde - 14 Tage nach dem Abschluss widerrufen. Der Unternehmer muss den Kunden über sein Widerrufsrecht im Vertrag belehren. Fehlt die Klausel, ist der Widerruf bis zu zwölf Monate nach Vertragsschluss möglich.

Die Firmen müssen ihren Kunden vor der Vertragsunterzeichnung eine Baubeschreibung geben

Erstmalig hat der Bauherr nun auch einen Anspruch auf ausführliche Unterlagen und Pläne für sein Bauvorhaben. "Bisher erkannten die Gerichte nur selten die Ansprüche der Bauherren auf ihre eigenen Unterlagen an, soweit ihnen der Bauvertrag dieses Recht nicht ausdrücklich einräumte", sagt Holger Freitag, Vertrauensanwalt des Verbands Privater Bauherren (VPB). Dabei stehen in den Unterlagen wesentliche Daten, zum Beispiel zur Energieeffizienz.

Geregelt wurde nun nicht nur die Herausgabe von Plänen im Vorfeld, sondern auch nach Bauabschluss. "Dies ist vor allem deshalb wichtig für Bauherren, damit sie ihr Bauvorhaben selber kontrollieren können, da sich die Baubehörden weitgehend aus der Bauaufsicht zurückgezogen haben. Gleichzeitig sind Bauherren aber verpflichtet, alle geltenden Vorschriften einzuhalten und dies auch zu belegen", sagt Freitag. Baufirmen müssen nun sämtliche Unterlagen herausgeben, die die Einhaltung der Landesbauordnungen belegen, Nachweise zur Energieeinsparverordnung (EnEV) und zum Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG).

Nach der gesetzlichen Neuregelung müssen die Baufirmen nur Unterlagen für öffentlich-rechtlich geforderte Nachweise herausgeben. Deshalb sollten Bauherren im Vorfeld der Ausführung gut überlegen, welche Unterlagen sie noch benötigen und dies in den Vertrag aufnehmen. "Dies könnten zum Beispiel Bestandspläne für einen frisch sanierten Altbau sein", sagt Freitag. Aber auch, wenn es um Fördermittel etwa der staatlichen Förderbank KfW geht, muss der Bauherr Planungsunterlagen vorlegen können. "An dieser Stelle wurde die Rechtsposition des Bauherren deutlich verbessert", betont Eichler. Bauherren sollten sich deshalb schon vor Vertragsunterzeichnung alle bereits vorhandenen Planungsunterlagen geben lassen.

Baufirmen müssen ihren Kunden schon vor der Unterschrift unter den Vertrag eine Baubeschreibung zur Verfügung stellen. Enthalten darin sind Angaben zu Art und Umfang der angebotenen Leistungen, Gebäudedaten, Pläne mit Raum- und Flächenangaben, Grundrisse sowie Angaben zur Baukonstruktion aller wesentlichen Gewerke. Die Pflicht, eine solche Baubeschreibung vorzunehmen, entfällt nur dann, wenn der Verbraucher oder sein Architekt selbst die Planungsvorgaben macht.

Darüber hinaus muss die Baufirma jetzt auch Farbe bekennen, wann der Bau genau fertig wird. Steht der Termin noch nicht fest, muss sie angeben, wie lange die Bauphase dauern wird. Vorteil für den Bauherrn: Er kann Finanzierung, Wohnungskündigung und Umzug planen. Hält sich die Baufirma nicht an den Termin, muss sie Schadenersatz leisten. "Beide Seiten können darüberhinaus eine pauschalierte Vertragsstrafe vereinbaren", sagt Fachanwalt Eichler.

Schließlich enthält das neue Bauvertragsrecht auch neue Regelungen zu Abschlagszahlungen: Firmen dürfen bis zur Abnahme maximal 90 Prozent der vereinbarten Gesamtvergütung als Abschlagszahlung fordern. Kunden dürfen also zehn Prozent der Summe einbehalten, haben also jetzt ein Druckmittel in der Hand, wenn es die Beseitigung von Mängeln geht.

Probleme sieht Jurist Eichler beim neuen Anordnungsrecht des Bauherren. So gibt das Gesetz erstmalig dem Bauherren einen Anspruch auf Abänderung der vereinbarten Bauleistungen. Eichler sieht nicht nur in der Festlegung eines angemessenen Preises für eine nachträgliche Änderung der Bauleistung großes Streitpotenzial. "Der konkrete Anwendungsbereich einzelner Regelungen muss erst noch von den Gerichten ausgefüllt werden."

Baufirmen haben nach dem neuen Gesetz mehr Pflichten, aber auch Vorteile. Etwa bei der Abnahme. Hat die Firma dem Bauherrn einen Termin zur Abnahme gesetzt, und äußert sich daraufhin der Bauherr nicht oder verweigert er die Abnahme, ohne dafür einen Mangel zu benennen, gilt das Werk als abgenommen - selbst dann, wenn noch wesentliche Mängel vorhanden sind. "Will der Bauherr die Abnahme verhindern, muss er sich aktiv äußern und mindestens einen Mangel benennen", sagt Eichler. Dabei muss der Mangel objektiv betrachtet gar nicht bestehen. Es ist auch nicht entscheidend, ob es sich um einen wesentlichen oder nur um einen unwesentlichen Mangel handelt.

Neu ist auch ein Kündigungsrecht aus wichtigem Grund, zum Beispiel bei einer Insolvenz der Firma. Die Kündigung ist auch nur innerhalb einer angemessenen Frist möglich, nachdem der Bauherr von dem wichtigen Grund erfahren hat. Wurde der Bauvertrag gekündigt, werden alle bis zur Kündigung erbrachten Leistungen abgerechnet. Beide Vertragspartner müssen dann daran mitwirken, dass der aktuelle Leistungsstand festgehalten wird. Der Unternehmer kann nur die Vergütung verlangen, die auf den bis dahin erbrachten Teil der Leistung entfällt. Erscheint der Bauherr jedoch nicht zu dem vereinbarten Termin, kann der Bauunternehmer den Gebäudezustand allein feststellen. "Das kann sich nachteilig auf den Bauherrn auswirken, wenn die Firma Mängel nicht ins Protokoll aufnimmt", sagt Eichler.

Ein neues Sonderkündigungsrecht hat der Bauherr auch gegenüber dem Architekten: So kann er nach ersten Plänen und Kostenschätzungen in der Zielfindungsphase den Architektenvertrag innerhalb von zwei Wochen kündigen.

Mehr Rechte können in Zukunft auch Handwerker einfordern: Wurde unwissentlich fehlerhaftes Material verbaut, kann der Handwerker dafür seinen Lieferanten in Regress nehmen. Letzterer muss dann auch für die Kosten des nachträglichen Aus- und Einbaus aufkommen. Unabhängig von der zweijährigen Verjährungsfrist für solche Ansprüche kann der Handwerker noch zwei Monate nach dem Einbau eventuelle Mängel des Materials reklamieren, längstens jedoch für fünf Jahre ab Ablieferung des Materials. "Während solche Mängel bisher für den Handwerker existenzbedrohend werden konnten, erhält er jetzt neue Durchgriffsmöglichkeiten auf die Hersteller und Lieferanten", erklärt Eichler.

© SZ vom 15.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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