Baustoff:Neuer Charme

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Beton hat mit einem schlechten Ruf zu kämpfen. Daran sind vor allem die schnell hochgezogenen Bauten der Fünfziger- und Sechzigerjahre Schuld. Manche Experten wollen das Image des Baustoffs nun verbessern.

Von Joachim Göres

Betonburg, Betonklotz, Betonkopf - im Deutschen hat der weit verbreitete Baustoff keinen guten Klang. Dann gibt es noch den béton brut, von dem der ebenfalls nicht vertrauenserweckende Begriff Brutalismus abgeleitet ist. Damit wird ein Architekturstil bezeichnet, der auf unverputzten Sichtbeton setzt. Vor allen in den Sechziger- und Siebzigerjahren wurden Großbauten in diesem Stil verwirklicht, die in erster Linie ihre Funktion erfüllen sollten. Unter diesen Vorzeichen entstand auch vor 50 Jahren die Ruhr-Universität Bochum - die massigen Gebäude im Trabantenstadtformat beherbergen heute 43 000 Studierende. Seit 2003 sind in die Sanierung eine Milliarde Euro aus Bundes- und Landesmittel geflossen.

Beton altert schneller als gedacht und wird dabei im Laufe der Zeit immer unansehnlicher? "Das ist falsch", sagt Ludger Lohaus, Professor am Institut für Baustoffe der Uni Hannover und zuvor lange Dozent an der Uni Bochum. Der Beton-Technologe, der kürzlich auf einer Veranstaltung des Technik-Salons der Uni Hannover sprach, räumt allerdings ein: "Es wurde in Zeiten des Baubooms schnell viel hochgezogen, ohne auf die Qualität zu achten. Wenn dann Schadstoffe in die löchrige Struktur eintreten konnten, waren Schäden schon nach zehn Jahren möglich." Für Lohaus sind das Sünden der Vergangenheit - die Vorteile des Betons liegen für ihn auf der Hand: sehr stabil, frei formbar und dazu mit drei Cent pro Kilo unschlagbar billig. China und Indien sind heute die größten Produzenten, der weltweite Betonverbrauch steigt. Mit Folgen für die Umwelt: Bei der Betonproduktion werden viele Treibhausgase freigesetzt. Man könne die Belastung um ein Drittel senken, sagt Lohaus, " dann würde der Beton allerdings teurer".

Er rühmt die ästhetische Wirkung des Sichtbetons, der nichts kaschiert und weist auf die technische Weiterentwicklung des Baustoffes hin, durch die seit den Neunzigerjahren höhere Festigkeiten und somit auch größere Bauhöhen möglich sind. Gerade bei besonderen Gebäuden wie zum Beispiel dem 2005 eröffneten Wissenschaftscenter Phaeno in Wolfsburg, für das ein spezieller Beton entwickelt wurde und das die britische Zeitung The Guardian zu einem der zwölf modernsten Bauwerke der Welt zählt, wird weiter auf Sichtbeton gesetzt - der aber heller und feiner wirkt als der grobe Beton der Siebzigerjahre.

In Hannover wird derzeit das 85 Meter hohe Bredero-Hochhaus saniert. Der sichtbare Beton wird nun hinter einer Blechverkleidung versteckt - den künftigen Bewohnern soll eine etwas augengefälligere Fassade geboten werden. Lohaus ist dennoch überzeugt: "Die Stimmung gegenüber Beton ist heute positiver als vor 15 Jahren."

© SZ vom 21.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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