Baukosten:Teurer Spatz

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Tierschutz, Stellplätze, lange Verfahren: Eine Studie zeigt, was das Bauen in den bayerischen Kommunen teurer macht. Die Bauträger wünschen sich "mehr gesunden Menschenverstand".

Von Andreas Remien

Natürlich sei man für den Vogelschutz, beteuert Stephan Deurer, Geschäftsführer des Augsburger Bauträgers Asset. Aber 40 000 Euro für den Umzug einer Spatzenkolonie, obwohl diese doch einfach über die Straße fliegen könnte, sei dann doch etwas viel. "Wir wünschen uns generell mehr gesunden Menschenverstand", sagt Deurer, nicht nur beim Naturschutz, sondern in vielen anderen Bereichen. Die Bauträger sehen sich nämlich in einer Zwickmühle: Einerseits sollen sie günstige Wohnungen bauen, andererseits haben Europäische Union, Bund, Länder und Kommunen den Neubau mit vielen Auflagen und Vorschriften deutlich verteuert. Der Immobilienverband BFW Bayern hat vom Beratungsunternehmen Bulwiengesa untersuchen lassen, welchen Anteil die bayerischen Kommunen daran haben.

Die Autoren der Studie "Kostentreiber in bayerischen Kommunen" haben gut 20 Interviews mit Bauträgern in ganz Bayern geführt und gefragt, ob und wie die Gemeinden die Kosten von Wohnungsbauvorhaben in die Höhe getrieben haben. "Damit sind die Erfahrungen aus 43 Projekten mit insgesamt etwa 2000 Wohnungen in die Analyse eingeflossen", sagt Heike Piasecki, Niederlassungsleiterin von Bulwiengesa in München. Die Analyse knüpft an die große Studie "Kostentreiber für den Wohnungsbau" der Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen in Kiel an, die im vergangenen Jahr detailliert untersucht hatte, welchen Einfluss Normen, Richtlinien, Verordnungen und Auflagen auf die Neubaupreise haben. Das Ergebnis damals: EU, Bund, Länder, Kommunen und private Normungsinstitute haben zwischen 2000 und 2014 den Wohnungsbau durch Auflagen um 330 Euro pro Quadratmeter verteuert. Die Interviews der Bulwiengesa-Studie belegen die Zahlen nun mit Beispielen aus Bayern. Herausgekommen ist eine lange Liste, die vor allem zeigt, wie sich kommunale Verfahren und Auflagen auswirken.

Planungsverfahren

Das größte Problem aus Sicht der Bauträger sind lange Genehmigungsverfahren. "Verzögert sich die Baurechtschaffung, können auf der Finanzierungsseite erhebliche Kosten entstehen", sagt BFW-Präsident Andreas Eisele. Wie ein Beispiel aus der Studie zeigt, musste ein Bauträger 30 000 Euro Zinsen pro Monat zahlen. Weil sich das Planungsverfahren der Kommune in die Länge zog, stiegen die Kosten allein wegen der teureren Finanzierung am Ende um 90 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche. In einem anderen Fall stellte sich ein Referat stumm - am Ende standen Mehrkosten von 630 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche zu Buche. Immer wieder kommt es laut der Befragung auch vor, dass sich die kommunalen Referate untereinander nicht einig sind. Teilweise müssten die Bauträger selbst dafür sorgen, dass Prozesse zwischen den einzelnen Fachbereichen abgestimmt werden.

Allerdings: Einige Gemeinden sind dabei, die Prozesse zu verbessern. "Kommunen stellen ihre Verfahren auf den Prüfstand", sagt Piasecki. So schafft die Stadt München zum Beispiel neue Strukturen und bündelt die Projektsteuerung an zentraler Stelle. Der Stadtrat hat dafür im März entsprechende Ressourcen bewilligt. Auch Nürnberg hat eine Stabsstelle beim Stadtplanungsamt angesiedelt. "Die wichtigste Frage ist, wie möglichst schnell Bauland aktiviert werden kann", betont Stefan Wiegand, Geschäftsführer des Projektentwicklers Aurelis. Dies sei nur mit weniger Regulierung möglich. In der Pflicht sind allerdings auch die Bauträger. Mehr als die Hälfte aller eingereichten Bauanträge seien fehlerhaft oder unvollständig, heißt es in der Studie.

Wettbewerbe

Aus Sicht der befragten Bauträger können Wettbewerbe die Qualität eines Projekts verbessern und auch dazu führen, dass dichter gebaut werden kann. Immer wieder empfinden Bauträger die Wettbewerbe aber als "Selbstdarstellungsrunden" einzelner Jurymitglieder, wie aus der Befragung hervorgeht. Teuer sind vor allem aufwendige Fassaden. In einem Projekt mit 25 Wohnungen führte der Architekturwettbewerb laut der Studie zum Beispiel zu einer Kostensteigerung von 600 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche. Grundsätzlich wünschen sich die Bauträger bei Wettbewerben eine bessere Zusammenarbeit mit den Kommunen.

Gutachten

Ständige Veränderungen der rechtlichen Rahmenbedingungen bereiten auch den Referaten in den Kommunen Kopfzerbrechen. Ob Lärm-, Brand- oder Naturschutz: Die Liste erforderlicher Expertisen ist lang. Um Bauvorhaben rechtlich abzusichern, fordern die verschiedensten Fachbereiche einer Gemeinde daher häufig Gutachten, die allerdings oft der Bauträger bezahlen muss. "Kommunale Hoheiten werden so privatisiert", kritisiert Studien-Autorin Piasecki.

Energie

Die energetischen Standards für Neubauten werden in der Energieeinsparverordnung (EnEV) und damit vom Bund gesetzt. Aus Sicht der Bauträger bringen die verschärften Vorgaben wenig, kosten aber viel. Auch deshalb lehnen sie zusätzliche Standards, wie sie von manchen Kommunen verlangt werden, ab.

Schall- und Brandschutz

Immer wieder streiten Bauträger mit Kommunen darüber, wie der Schall- und Brandschutz umgesetzt werden soll. Die Projektentwickler wünschen sich laut der Befragung vor allem mehr Flexibilität. Oft gebe es aber keinen Verhandlungsspielraum, heißt es in der Studie. In urbanen Räumen müsse hinterfragt werden, welcher Lärmschutz nötig sei. So empfiehlt auch die Baukostensenkungskommission der Bundesregierung, die Mindestanforderungen an den Schallschutz zu überprüfen.

Stellplätze

Mehr Flexibilität wünschen sich die Bauträger auch bei Stellplätzen. Kommunen schreiben in Satzungen exakt vor, wie viele Parkplätze gebaut werden müssen. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Wohnungsprojekt beispielsweise direkt an einer U-Bahn-Station liegt. "Die Zeiten haben sich geändert", sagt Baywobau-Vorstandssprecher Alexander Hofmann, "wer heute zentral wohnt, will nicht mehr unbedingt ein eigenes Auto." Der Bauträger hatte vor Kurzem das Wohnprojekt "Rodenstock Garten" im Münchner Dreimühlenviertel fertiggestellt. Kurz nach der Übergabe habe es eine "Flut an Zetteln" in der Umgebung gegeben: Viele Eigentümer boten ihre Stellplätze zur Vermietung an, weil sie diese gar nicht brauchten. In der Studie berichten die befragten Bauträger, dass viele Stellplätze nicht genutzt werden. Gleichzeitig sind die Mehrkosten, zum Beispiel für eine zweite Tiefgaragenebene, oft sehr hoch. "Die Kommunen sollten Mobilitätskonzepte zulassen", fordert Piasecki, also zum Beispiel auch Carsharing-Modelle berücksichtigen. Einige Städte wie Hamburg und Berlin haben die Stellplatzpflicht im Wohnungsbau sogar gänzlich abgeschafft.

Infrastruktur

Immer mehr Kommunen beteiligen Bauträger an den Kosten für die Infrastruktur. Es sei "mehr Kooperation notwendig", sagt BFW-Präsident Eisele. Die Bauträger kritisieren vor allem das starre Festhalten an Regeln. Wie ein in der Studie beschriebener Fall zeigt, verteuerte der Bau eines Spielplatzes den Quadratmeterpreis um mehr als 200 Euro. Die Kommune zeigte kein Entgegenkommen, obwohl in direkter Nachbarschaft ein großer öffentlicher Spielplatz vorhanden war.

Naturschutz

Tiere umsiedeln, Bäume pflanzen, Gutachten erstellen lassen: Für Projektentwickler gehört das zur Routine. "Kein Bauträger ist gegen geforderte Natur- und Artenschutzmaßnahmen", heißt es in der Bulwiengesa-Studie. Oft stellten die Kommunen aber "Maximalforderungen" und zeigten "Hardliner-Mentalitäten". In einem Fall verteuerte das Pflanzen von vier Pappeln zum Beispiel den Preis einer Wohnung um 12 000 Euro. In einem anderen Fall musste ein Bauträger um einen Baum herumbauen; kurz nach Fertigstellung erlaubte die Kommune dann den Eigentümern, den Baum zu fällen. Allerdings: Oft haben die Genehmigungsbehörden keinen Spielraum, weil sie selbst an Richtlinien gebunden sind.

© SZ vom 29.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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