Barrierefreiheit:Zu Hause bleiben

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Treppen, enge Zugänge zum Haus und im Weg stehende Möbel machen älteren Menschen das Leben schwer. (Foto: Mascha Brichta/dpa)

Oft helfen schon kleine Maßnahmen, um eine Immobilie altersgerecht zu gestalten. Bei größeren Umbauten kann ein erfahrener Berater helfen.

Von Lars Klaaßen

Für ältere Menschen ist die Wohnung zentraler Lebensort. Mehr als 50 Prozent der Senioren halten sich mindestens 20 Stunden pro Tag zu Hause auf. Dennoch sind bisher nur wenige Immobilien barrierefrei gestaltet. "Nur wer sein Haus rechtzeitig schon barrierefrei plant, kann es im Alter lange bewohnen", sagt Irmtraud Swoboda, Architektin und Sachverständige des Verbands Privater Bauherren (VPB). "Außerdem sind barrierefreie Häuser in unserer alternden Gesellschaft leichter verkäuflich als Häuser mit Hindernissen." Auch dieser Aspekt gewinnt mit dem demografischen Wandel an Bedeutung.

Ältere Menschen leben häufiger allein. Hinzu kommt, dass aufgrund kleinerer Familien weniger Angehörige da sind, die sich um die Älteren kümmern können. Die Gestaltung von Wohnungen und Häusern spielt daher eine immer wichtigere Rolle. Barrierefrei bauen mit dem eigenen Architekten ist kein Problem, denn Planer erfüllen individuelle Wünsche. Aber neun von zehn Bauherren bauen laut VPB heute schlüsselfertig, und an standardisierten Entwürfen lässt sich oft nicht mehr viel ändern. In jedem Fall kosten Änderungswünsche extra und müssen im Vorfeld in die Planung integriert und in den Vertrag hineinverhandelt werden. Swoboda rät deshalb, alle infrage kommenden Schlüsselfertigangebote gleich zu Beginn der Überlegungen auf Barrieren hin abzuklopfen: "Dabei scheiden sehr schnell viele Offerten aus, weil die Firmen nicht Willens oder in der Lage sind, barrierefrei zu bauen."

Warum nicht einfach die Räume tauschen? Schlafzimmer unten statt im ersten Stock

Neuralgischer Punkt bei fast allen Häusern ist der Eingangsbereich. Er liegt in der Regel zwei Stufen hoch, weil das Haus auf einem Sockel steht. "Der ist technisch nicht nötig", sagt die Sachverständige. Und ein Haus mit Sockel sei für Rollstuhlfahrer und Gehbehinderte kaum erreichbar.

Wer sein Haus mit eigenem Architekten plant - und nicht gerade einen Bungalow beziehen möchte -, kann für den barrierefreien Zugang zu den oberen Etagen gleich einen Schacht einplanen, in den sich bei Bedarf ein Fahrstuhl einbauen lässt. Eine andere Variante: In Reihenhäusern befindet sich im Erdgeschoss meist die Küche mit Essplatz, direkt darüber das Bad - und nebenan das Schlafzimmer. Wer es im Alter nicht mehr die Treppe hinauf schafft, kann tauschen und sein Bett in den ehemaligen Essplatz stellen. Oben ist dann Platz für die Wohnung eines Pflegers.

Egal ob im Haus oder der Wohnung: Ganz wichtig ist im Alter, dass genügend Bewegungsfreiraum vorhanden ist. Experten empfehlen 1,50 Meter mal 1,50 Meter für den Rollstuhl. "Das ist großzügig bemessen", sagt Swoboda dazu. "Nicht alle Menschen benötigen im Alter einen Rollstuhl, viele kommen auch mit weniger Platz aus." Wichtig sei dennoch, dass Türen so breit sind, dass man mit einem Rollator oder Rollstuhl hindurch kommt. Bewegungsflächen werden sinnvollerweise hinter jeder Tür vorgesehen, aber auch vor Schränken, Bett, Sofa, in der Küche und im Bad. Wer diesen Platz in den eigenen vier Wänden im Nachhinein schaffen möchte, kann Wände versetzen und Türen anders anschlagen lassen. Oft geht es aber auch viel einfacher: Manchmal reicht schon eine Veränderung der Möblierung, um mehr Platz zu schaffen. Auch wer sich von sperrigen Möbeln verabschiedet, schafft sich mehr Bewegungsfläche.

Mieter sollten größere Eingriffe im Vorfeld dem Vermieter absprechen. Kleine Änderungen wie das Anbringen eines Haltegriffs im Bad können sie zwar auch ohne Zustimmung umsetzen, beim Auszug kann der Eigentümer aber verlangen, dass solche Eingriffe rückgängig gemacht werden. Oft sind Vermieter aber offen für altersgerechte Umbauten, denn diese steigern den Wert der Wohnung. Eine Möglichkeit ist auch, dass sich der Eigentümer an den Kosten beteiligt oder diese ganz übernimmt und später auf die Miete umlegt.

Ob Haus oder Wohnung, Eigentum oder Miete: Bei größeren Umbauten sollten Betroffene einen erfahrenen Berater konsultieren. Reha-Kliniken, Ärzte oder Pflegeeinrichtungen verweisen bei Bedarf an entsprechende Stellen. Die Experten erklären, was möglich, nötig und angemessen ist, was das kosten wird und ob es dafür eine Förderung gibt. "Oft schaffen schon kleine Eingriffe eine große Erleichterung", erläutert Anja Schwarz, Vorstand der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungsanpassung und Wohnberaterin beim Deutschen Roten Kreuz in Stuttgart. "Handläufe und Griffe an den richtigen Stellen mindern zum Beispiel das Sturzrisiko enorm." Wichtig sei auch, die Wohnräume hell genug auszuleuchten, vor allem Stufen und Schwellen durch farbliche Kontraste sichtbar zu machen.

Das Hausnotrufsystem, mit dem Pflegebedürftige Hilfe holen können, hat sich bewährt

Im Zuge der Digitalisierung entstehen völlig neue Lösungen, die Senioren das Leben in den eigenen vier Wänden erleichtern sollen. "Ambient Assisted Living" (Altersgerechte Assistenzsysteme) lautet das Schlagwort für Konzepte, Produkte und Dienstleistungen, die neue Technologien in den Alltag einführen. Bereits etabliert ist das Hausnotrufsystem, mit dem Pflegebedürftige Angehörige oder Pflegekräfte zu Hilfe rufen können. Auch elektrische Gurtwickler für die Rollläden und elektrische Türspione, die den Blick nach draußen vergrößern, werden zunehmend zur Unterstützung genutzt. Eine vor dem Bett platzierte Klingeltrittmatte meldet, wenn ein dementer Mensch beim Aufstehen darauf tritt. Ein bequemeres und sicheres Leben versprechen zudem Smart-Home-Konzepte. "Hierbei sollte man sich aber genau ansehen, was wirklich Erleichterung verschafft oder vielleicht zu komplex ist", gibt Schwarz zu bedenken. "Einerseits ist High-tech pannenanfällig, zudem kann die Bedienung ältere Menschen überfordern."

Ob ein Umbau sinnvoll ist, hängt von den individuellen Umständen ab: Im Bad eine bodentiefe Dusche installieren oder doch die Wanne behalten und dafür eine elektrische Hebevorrichtung nutzen? Professionelle Berater berücksichtigen bei solchen Entscheidungen nicht nur die technisch-ergonomischen und pflegerisch-gesundheitlichen Aspekte. Sie bringen Hintergrundwissen über DIN-Normen mit ein, informieren über Zuschüsse von Pflegekassen, Regelungen der Sozialgesetzgebung zur staatlichen Förderung und Finanzierungsprogramme wie etwa der KfW. Diese bundeseigene Bank vergibt Darlehen und gewährt Zuschüsse zu zahlreichen Sanierungs- und Umbauprogrammen, auch für den altersgerechten Umbau von Immobilien. Der Verband Privater Bauherren informiert vor allem über bauliche Aspekte und deren Finanzierung ( www.vpb.de). Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungsanpassung listet Wohnberatungsstellen auf ( www.wohnungsanpassung-bag.de.

© SZ vom 15.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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