Bank-Aktien:Toxische Papiere in homöopathischen Dosen

Lesezeit: 2 min

Bank-Aktien im Ausverkauf: Trotz der zusätzlichen Staatsgarantien sehen Fachleute derzeit kein Ende des Kursverfalls.

Martin Hesse und Markus Zydra

Die Situation wirkt beängstigend. Weltweit geben Regierungen ihren angeschlagenen Großbanken Garantien, sie leihen Kapital, sie kaufen Anteile - und dennoch fallen die Werte der Finanzinstitute immer weiter. Am Mittwoch veroren die Kurse deutscher Banken zeitweise erneut bis zu sieben Prozent, ehe sie sich am Nachmittag erholten. In Großbritannien wird über eine Verstaatlichung von Barclays spekuliert, mit weiteren Hiobsbotschaften rechnen die Börsen offenbar auch in Deutschland.

Was die Finanzkrise mit den Banken gemacht hat - klicken Sie hier, um die Grafik zu vergrößern. (Foto: Grafik: SZ, Mainka)

Die jüngste Umfrage der Finanzaufsicht Bafin und Bundesbank ergab, dass von den gut 320 Milliarden Euro, die in notleidenden Wertpapieren investiert sind, erst ein Viertel abgeschrieben worden ist. "Wenn das so ist, kann man davon ausgehen, dass alle befragten 20 Banken in Deutschland pleite sind und verstaatlicht werden müssen", sagt Dieter Hein, Partner des unabhängigen Analysehauses Fairesearch. Dass die Regierungen große Insolvenzen nach der Lehman-Pleite nicht mehr zulassen werden, gilt als sicher. "Das ist gut für Anleiheninvestoren - aber nicht unbedingt für Aktionäre", sagt Andreas Weese, Bankenanalyst bei Unicredit.

Enteignete Aktionäre

Die Verstaatlichungen in Großbritannien zeigten, dass Aktionäre dabei weitgehend enteignet werden können. "Bei der Commerzbank wurde der Kurs durch die Beteiligung des Staates verwässert, außerdem wird das Ergebnis der Bank auf Jahre hinaus unter den hohen Zinsen leiden, die auf die stille Einlage des Bundes gezahlt werden müssen."

Kein Wunder also, dass es weiter abwärts geht. Aktien der Commerzbank und der Deutschen Bank notieren auf dem Stand der frühen 90er Jahre. Die Commerzbank war am Mittwoch nur noch 2,1 Milliarden Euro wert. Bei der Deutschen Bank ist die Marktkapitalisierung auf 9,7 Milliarden Euro geschrumpft (siehe Grafik). Doch der Wertverlust scheint berechtigt. "Die Kreditausfälle der Privat- und Geschäftskunden kommen ja erst noch, nun im Zuge der Rezession", sagt Martin Stürner, Vorstand der Vermögensverwaltung PEH Wertpapier. Darunter könnte vor allem die Commerzbank mit ihrem großen Firmenkundengeschäft leiden, meint Weese. Und niemand wisse genau, wie hoch die Risiken in der Dresdner noch sind.

Lesen Sie auf der nächsten Seite: Warum die Neustrukturierung gesteuert werden muss.

"Die Finanzbranche wird in einigen Jahren durch Fusionen und Staatsübernahmen ein völlig anderes Gesicht haben", sagt Stürner. Diese Neustrukturierung muss nach Ansicht von Experten gesteuert werden. "Wenn die Staaten schon die Großbanken stützen, dann sollten sie die Institute auch auf Größen zurechtstutzen, die passend zu den nationalen Volkswirtschaften sind", fordert Folker Hellmeyer, Chefanalyst der Bremer Landesbank. Nur so könne eine Bank künftig auch pleite gehen, ohne dass das Finanzsystem wackelt. "Wir brauchen keine Bankenaristokratie, sondern viele kleine Institute, die konkurrieren."

Verluste in Häppchen

Einigermaßen rätselhaft mutet an, dass die Banken ihre Verluste aus toxischen Wertpapieren seit 18 Monaten nur häppchenweise ausweisen. Blicken sie selbst nicht durch? "Die Risikosteuerung der Banken ist problematisch. Ich habe einmal den Vorstand einer großen Bank gebeten, mir eine Liste zu erstellen, welche Kredite der Bank erstrangig, welche nachrangig sind, und wieviel Cash als Sicherheit unterlegt ist", erinnert sich Hein. "Die Antwort war, das sei nicht erfassbar." Alle problematischen Vermögenswerte auf Null abzuschreiben, geht auch nicht. "Bei der Deutschen Bank wären das 92 Milliarden Euro bei einem Eigenkapital von 35 Milliarden Euro", so Hein. Eine dreifache Pleite.

Die Deutsche Bank hatte vergangene Woche dargelegt, sie habe ihre Risiken so weit reduziert, dass sie keine weiteren materiellen Verluste erwarte. Anleger bezweifeln das offenbar. Analyst Weese schildert das Szenario, das die Börse derzeit für möglich hält. "Selbst wenn die Deutsche Bank 2009 hypothetisch unter dem Strich zehn Milliarden Euro Verlust macht und der Staat mit einer stillen Einlage einspringen würde, um die Kernkapitalquote bei zehn Prozent zu halten, hat sie nach meinen Berechnungen noch einen Nettobuchwert von etwa 16 bis 17 Euro je Aktie." Als Nettobuchwert bezeichnet man die Vermögenswerte abzüglich der Schulden einer Firma. Weese rechnet allerdings derzeit mit einem Jahresgewinn von 2,7 Milliarden Euro.

© SZ vom 22.01.2009/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: