Lange waren Josef Ackermann und sein Finanzvorstand Stefan Krause sich in technischem Geplänkel ergangen. Sie hatten erklärt, warum die Deutsche Bank vergangenes Jahr 3,9 Milliarden Euro und damit so viel wie nie zuvor verlor. Allein 4,8 Milliarden Euro verbrannten im vierten Quartal. Sie hatten die hochkomplizierte neue Übernahmevereinbarung für die Postbank erläutert. Dann aber sieht man Josef Ackermann förmlich aufspringen an seiner Telefonanlage in der Konzernzentrale, an der Analysten und Journalisten aus aller Welt hängen, um den Chef der Deutschen Bank in die Enge zu treiben. Jemand hat die S-Frage gestellt.
Kam nicht die Beteiligung der Post an der Deutschen Bank einem Einstieg des Staates durch die Hintertür gleich? Und hatte nicht Ackermann staatliche Hilfe immer abgelehnt? Der Bankchef wartet nicht ab, bis der Frager geendet hat. "Wir haben nicht nach dem Staat gefragt. Wir haben nie mit ihm gesprochen. Und wir haben auch nicht die Absicht, mit der Regierung über die Deutsche Bank zu sprechen", braust Ackermann auf.
Empörte Republik
Es ist der wunde Punkt. Zwei Monate zuvor hatte Ackermann vor Mitarbeitern gesagt, er würde sich schämen, müsste die Deutsche Bank Staatshilfe in Anspruch nehmen. Ein Aufschrei der Empörung war durch die Republik gegangen, hatte der in Deutschland so umstrittene Bankchef doch vorher mehrfach gefordert, der Staat müsse den Banken helfen.
Von Staatshilfe für die Deutsche Bank aber will Ackermann weiter nichts wissen. Auch der Einstieg der Post, an der die Regierung mit 31 Prozent beteiligt ist, sei so nicht zu verstehen. Schließlich werde der Logistikkonzern sich auch rasch wieder zurückziehen. Und selbst eine Bad Bank, also ein staatliches Spezialinstitut, bei dem Banken ihre faulen Kredite abladen könnten, brauche sein Haus nicht.
Ackermann selbst hatte auch dieses Kriseninstrument einst angeregt, jetzt sagt er nur: "Ich wüsste gar nicht, welche faulen Kredite die Deutsche Bank dort abgeben sollte." Schließlich habe sie fast alle ihre Altlasten im vierten Quartal abgebaut - ein Grund für den historischen Verlust.
Aber Ackermann kommt an diesem Mittwoch nicht aus der Defensive. Zu stark kontrastieren die katastrophalen Zahlen mit dem Bild, das Ackermann selbst von sich in der Krise gezeichnet hat und an dem sich die Prominenz von Bundespräsident Horst Köhler über Kanzlerin Angela Merkel bis zu Bischof Wolfgang Huber gerieben hatten.
Immer wieder hatte sich Ackermann im Laufe der vergangenen eineinhalb Jahre der Öffentlichkeit vor allem als Krisenmanager präsentiert. Im Sommer 2007 gab er den Anstoß zur Rettung der Mittelstandsbank IKB. 15 Monate später war es wieder Ackermann, der eine Schlüsselrolle bei der Rettung der Hypo Real Estate spielte. Als buchstäblich nur noch Minuten die Immobilienbank und damit mutmaßlich den gesamten deutschen Bankenmarkt vor dem Zusammenbruch trennten, klingelte er Bundeskanzlerin Angela Merkel aus dem Bett. Ohne Rückendeckung sagte er Milliardenhilfen der privaten Banken zu und machte den Weg frei für die - vorläufige - Rettung der HRE.
Als Laune des Schicksals kann man es betrachten, dass nun, da auch die Deutsche Bank die volle Wucht der Krise zu spüren bekommt, die Hypo Real Estate um ein drittes staatliches Rettungspaket ringt.
Die Ereignisse haben Ackermann in der Krise immer wieder überholt. Zwar wurde er nicht wie zahllose andere Bankchefs buchstäblich von ihr überrollt - doch niemand exponierte sich mit Kommentaren zur Krise so wie er.
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Im Herbst 2007 erklärte er zuversichtlich, aus heutiger Sicht seien für die Deutsche Bank keine weiteren Verluste zu erwarten. Selbst bei der Bilanzpressekonferenz im Februar 2008 hielt der Bankchef zumindest offiziell noch an dem Ziel fest, in dem Jahr mehr als acht Milliarden Euro verdienen zu wollen. Und Anfang September, kurz vor der Lehman-Pleite, sah Ackermann "den Anfang vom Ende der Krise". All das klingt Anlegern noch in den Ohren, wenn Ackermann heute sagt: "Weitere materielle negative Effekte" aus jenen Geschäften, die bislang die meisten Verluste brachten, seien nicht mehr zu erwarten.
Mahner und Sünder
Selbst die Aktionäre, deren Interessen Ackermann stets obenan stellte, sie glauben ihm nicht mehr. Was gut für die Aktionäre ist, ist auch gut für Mitarbeiter und Kunden, war Ackermanns Motto. Was verheißt dann der Kurssturz von zeitweise mehr als elf Prozent an diesem schwarzen Mittwoch? Von "Korrekturmaßnahmen" spricht die Pressemitteilung zum Rekordverlust.
Zum Sprecher der Branche schwang sich Ackermann jedoch nicht nur in Deutschland auf. Als Präsident des internationalen Bankenverbandes IIF trat er mal als Mahner, mal als reuiger Sünder, dann auch wieder schlicht als Lobbyist auf. Der Mahner rief etwa im Herbst 2007 dazu auf, alle Banken müssten ihre Risiken rascher offenlegen - doch die eigenen Risiken unterschätzte er, was er später auch immer wieder einräumte. Und als nach dem Zusammenbruch der Investmentbank Lehman Brothers Notenbankchefs, Finanzminister und die Prominenz der Bankenwelt in Washington zum Krisengipfel zusammenkam, da sagte Ackermann bei einem Abendessen mit gewichtiger Stimme: "Dies ist ein sehr, sehr entscheidender Moment in unserer Geschichte." Der reuige Sünder fügte an, "wir alle, besonders die Banken, müssen einen Beitrag leisten, denn wir haben viele Fehler gemacht".
Schon bald aber zeigte Ackermann wieder ein anderes Gesicht, das des Lobbyisten. Als die Regierungen in vielen Ländern ihre Rettungspakete geschnürt hatten, sagte der Deutsche-Bank-Chef, die Staaten müssten sich so rasch wie möglich wieder aus den Banken zurückziehen. Auch bei der Regulierung dürfe man nicht über das Ziel hinausschießen.
Nachgelegt via TV
Eine vorerst letzte Demonstration der Stärke gab Ackermann im November. Kurz nach seinem "Ich-würde-mich-schämen"-Ausspruch legt er in einem Fernsehinterview noch einmal nach. Wer Staatskapital brauche, solle es doch bitte ohne Verzug in Anspruch nehmen, die Deutsche Bank aber sei stark genug allein, sagte er sinngemäß. Seit Ackermann so die Wettbewerber als schwach bloßstellte und zur ihrer Stigmatisierung beitrug, sind auch viele in der Branche nicht gut auf ihn zu sprechen. Manch einer wird jetzt denken, es geschehe dem Honorar-Professor der Goethe-Universität, der allen so gern die Bankenwelt erklärt, ganz recht, dass nun auch die Deutsche Bank auf die Nase fällt.
Wer Ackermann wohlgesonnener ist, verweist darauf, dass er sich stets nach bestem Wissen und Gewissen zur Krise geäußert und stets auch Schwächen offen zugegeben hat. Das extrem schwierige Marktumfeld habe "Schwächen der Bank aufgezeigt", sagte er am Mittwoch. Doch Ackermann wäre nicht Ackermann, höbe er nicht noch in der schwärzesten Stunde seiner Bank deren Stärke hervor. Noch immer sei sie mit zehn Prozent Eigenkapital ausgestattet. Noch immer sei sie in der Lage, eine Übernahme wie den Kauf der Postbank zu stemmen. Dass er auf die Kooperation der Post angewiesen war, um den Einstieg trotz des Milliardenverlustes ohne Aderlass beim Kapital zu verkraften - er weiß es als taktische Rafinesse zu verkaufen.
Noch einmal kann der einstige Marktpurist Ackermann sagen, er habe es ohne den Staat geschafft. Doch vor allem in Berlin wetzen sie schon die Messer. Hätte die Post einer kapitalschonenderen Übernahme der Postbank nicht zugestimmt, die Deutsche Bank hätte den Kauf nur mit Hilfe des staatlichen Stabilisierungsfonds Soffin stemmen können, heißt es dort. Und sollte es im ersten Quartal noch einmal ähnlich schlecht laufen wie zuletzt - dann müsse wohl auch Ackermann beim Staat die Hand aufhalten.
Manch einer meint schon heute, er würde sie dann nur noch zum Abschiedsgruß heben.