Aufbau:Noch eins drauf

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Dachausbau in der Radetzkystraße in Wien. Wenn unten kein Platz ist, kann nach oben gebaut werden. Dazu braucht es eine genaue Kosten-Nutzen-Kalkulation und natürlich eine Baugenehmigung. (Foto: Studio Krauss)

Grundstücke in Städten sind knapp. So mancher Hausbesitzer will daher das Dach aufzustocken.

Von Stephanie Hoenig

Es gibt viele Gründe, zusätzlichen Wohnraum zu schaffen: Für ein Arbeitszimmer, die Familie wächst, die alten Eltern ziehen ein, eine kleine Mietwohnung soll als Zubrot zur Rente dienen oder es muss ein Appartement her für eine Pflegekraft. "All das kann dazu führen, dass der vorhandene Platz im Eigenheim nicht mehr reicht", sagt Ulrich Zink, Architekt und Geschäftsführer des Bundesarbeitskreises Altbauerneuerung in Berlin. "Statt in ein gesichtsloses Neubaugebiet umzuziehen, ist die Variante, aufs eigene Dach zu ziehen, oft die bessere", meint er.

"Man muss kein neues Grundstück suchen, sondern kann im vertrauten Stadtviertel mit gewachsener Infrastruktur weiterhin leben", nennt die Architektin Eva Reinhold-Postina vom Verband Privater Bauherren in Berlin einen Vorteil. Auch aus ökologischer Sicht seien Gebäudeaufstockungen sinnvoll. Denn es werde zusätzlicher Wohnraum geschaffen, ohne neue Freiflächen versiegeln zu müssen.

"Aufstocken macht vor allem Sinn bei Gebäuden in Innenstadtlagen und Ballungsgebieten mit kleinen Grundstücken", sagt Josef Rühle, Geschäftsführer Technik beim Zentralverband des Deutschen Dachdeckerhandwerks in Köln. Geeignet seien beispielsweise Häuser mit Speicher und auch viele Flachdach-Bungalows aus den Sechzigerjahren.

Es gibt verschiedene Methoden: Wenn ein Haus schon einen Speicher hat, lässt sich dessen Fläche mit großen Gauben erweitern und dann weiter ausbauen. Der Vorteil: Mehr Kopffreiheit, weniger Schrägen. Sehr viel aufwendiger ist es dagegen, diesen Effekt durch eine Erhöhung des Kniestockes zu erreichen. Als Kniestock bezeichnet man eine niedrige Mauer, auf der das Dach an der Längsseite eines Hauses über der Geschossdecke fest verankert aufliegt, erklärt Rühle. Je höher der Kniestock ist, desto mehr Platz bietet die Fläche unter der Dachschräge.

In den Fünfziger- und Sechzigerjahren wurden Kniestöcke oft in zwei Mauerreihen auf ungefähr 50 Zentimeter aufgemauert, sagt Rühle. "Werden diese Mauern nun nachträglich auf 110 Zentimeter erhöht, entsteht sehr viel mehr Kopffreiheit." Der Bauherr muss das Dach abdecken, den Dachstuhl entfernen, den Kniestock aufmauern und Dachstuhl und Dachdeckung wieder erneuern. Manche Firmen bieten das Anheben des gesamten Daches sogar per Kran an. Rühle hält dies für sehr aufwendig: "Für ein Dach von 9 mal 12 Metern braucht man schon zwei Kräne." Dagegen lassen sich Häuser mit Flachdach oder einstöckige Bungalows relativ einfach um ein Stockwerk erweitern. Hierfür gibt es zum Beispiel vorgefertigte Rahmenkonstruktionen aus Holz, oder man lässt die neuen Wände mauern. Ein gut erhaltenes Dach kann wieder aufgebaut werden, ansonsten muss es neu errichtet werden.

Bei aller Euphorie, den Wohnraum erweitern zu wollen: Nicht jedes Haus lässt sich einfach aufsatteln. "Denn Aufstockungen sind ein erheblicher Eingriff in die Bausubstanz", warnt Reinhold-Postina. "In der Praxis bedeutet das oft, dass die bautechnischen Voraussetzungen durch teure Baumaßnahmen erst geschaffen werden müssen." In Extremfällen könne zum Beispiel das Fundament zu schwach sein. Damit die Statik dann trotzdem stimmt, muss es aufwendig verstärkt werden.

Und es gibt weitere Aspekte, die zu berücksichtigen sind: Lassen sich die Versorgungsleitungen einfach nach oben fortsetzen? Braucht das Haus nach dem Aufstocken einen Fahrstuhl? Reichen die Stellplätze in der Tiefgarage oder im Hof für weitere Mitbewohner?

"Jeder Neubau muss sich an den Gebäuden in der Umgebung orientieren."

"Wer ein Dachprojekt in Angriff nehmen will, sollte deshalb zuerst zum Bauamt gehen", rät Reinhold-Postina. Eine simple, aber entscheidende Frage dabei ist: Lässt der örtliche Bebauungsplan ein Aufstocken überhaupt zu? Denn der Bebauungsplan regelt Gebäudehöhen, maximale Wohnflächen, Dachform, Dachneigung und Firstrichtung. "Existiert für ein Wohngebiet kein gültiger Bebauungsplan, dann gilt Paragraf 34 des Baugesetzbuches", erläutert Reinhold-Postina. "Der besagt sinngemäß: Jeder Neubau muss sich an den Gebäuden in der Umgebung orientieren."

Kann der Hausbesitzer mit einer grundsätzlichen Erlaubnis des Bauamtes rechnen, muss eine Dachaufstockung immer noch ein Baugenehmigungsverfahren durchlaufen, beschreibt Reinhold-Postina das Verfahren. Beim Genehmigungsantrag sollte ein Bauberater oder Architekt helfen. Denn es müssen die gesetzlichen Bestimmungen wie etwa die Vorgaben der Energieeinsparverordnung (EnEV) eingehalten werden.

Eine Aufstockung stellt laut EnEV eine "Erweiterung der beheizten Nutzfläche" dar. Wenn keine neue Heizung eingebaut wird, macht der Gesetzgeber klare Vorschriften: Die betroffenen Außenbauteile müssen so geplant und ausgeführt werden, dass sie die in der EnEV festgelegte energetische Qualität an die Wärmedurchgangskoeffizienten der betroffenen Flächen einhalten, erklärt Heike Marcinek von der Deutschen Energie-Agentur (Dena) in Berlin. Und wenn die neu hinzukommende, zusammenhängende Nutzfläche 50 Quadratmeter übersteige, müsse das neue Geschoss gemäß EnEV auch die Anforderungen an den sommerlichen Wärmeschutz nach der EnEV einhalten.

"Zur Planung einer Aufstockung gehört auch eine präzise Kosten-Nutzen-Kalkulation", sagt Zink. Dabei müsse geklärt werden, ob sich der Aufwand wirtschaftlich rechne. Entscheidend für die Kosten des neuen Dachraums sind Konstruktion und Ausstattung. Für Dachaufstockungen gibt es verschiedene Förderpakete der KfW-Bank. "Auch hierfür ist ein Bauberater oder ein Architekt sehr zu empfehlen", sagt Zink.

© SZ vom 21.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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