Architekturtheorie:Lehrreiches Nebeneinander

Lesezeit: 2 min

Werner Durth, 68, ist emeritierter Professor für Architekturtheorie und –geschichte der TU Darmstadt. Der Architekt und Soziologe hat die Geschichte der IBA seit ihren Anfängen 1901 in Darmstadt erforscht. (Foto: TU Darmstadt)

Warum es derzeit so viele Bauausstellungen gleichzeitig gibt und so viele geplant sind: Der Wissenschaftler Werner Durth weiß es. Er hat die Geschichte der IBA seit ihren Anfängen 1901 in Darmstadt erforscht.

Interview von Rainer Müller

Internationale Bauausstellungen sind derzeit sehr beliebt - zu beliebt? Ein Expertenrat soll dafür sorgen, dass die Qualität der Ausstellungen erhalten bleibt. Werner Durth, emeritierter Professor für Architekturtheorie und -geschichte der TU Darmstadt, ist Gründungsmitglied dieses Rats und erklärt, was dabei wichtig ist.

SZ: Ursprünglich fand alle zehn bis 20 Jahre eine IBA statt. Aktuell sind es sechs gleichzeitig, weitere sind geplant. Warum diese Schwemme?

Werner Durth: Durch die Erfolge und internationale Anerkennung der Bauausstellungen seit 1900 ist das Etikett IBA zu einem bekannten Markenzeichen der Planungs- und Baukultur geworden. Schon dieser Titel weckt öffentliche Aufmerksamkeit und hohe Erwartungen, die nicht immer erfüllt werden können. Gleichzeitig ist mit jeder IBA die Chance verbunden, ohne lähmende Alltagsroutinen wichtige Projekte durch Ausnahmeregelungen schneller vorantreiben zu können.

Droht da keine Beliebigkeit?

Früher haben die IBA mit großem zeitlichem Abstand zentrale Probleme ihrer Zeit aufgenommen, wobei die Wohnungsfrage im Mittelpunkt stand. Seit der IBA Emscher Park (1989-1999) wurde das Themenspektrum stets erweitert. Solange die Themen und Leitprojekte deutlich verschieden und exemplarische Antworten präzise präsentiert werden, kann das Nebeneinander auch lehrreich sein und öffentliche Debatten beleben.

Warum wird die IBA nicht wie eine Bundesgartenschau zentral vergeben oder zertifiziert?

Bisher hat jede IBA ihr Programm, ihre Leitprojekte und organisatorischen Strukturen relativ kurzfristig aus den dringenden Problemen und Bedingungen ihrer Zeit heraus entwickelt. Jede war dabei auf Improvisation angewiesen. Ein Wettbewerb um Zertifizierung oder Zulassung würde ein bürokratisches Regelwerk, Kriterien der Vergleichbarkeit von Anträgen und kalkulierbare Planungssicherheit erfordern. Dies widerspricht dem Prinzip einer IBA, da der Mut zum Experiment auch für Risiken und Unvorhergesehenes offen sein muss.

Was ist der IBA-Expertenrat?

Seit 2007 treffen sich Akteure der früheren, aktuellen und geplanten Bauausstellungen unter dem Titel "IBA meets IBA". Ziel ist Erfahrungsaustausch und Selbstverständigung. Der Bund wurde um Unterstützung gebeten und berief 2010 einen Expertenrat ein, der auch zur Beratung der laufenden IBA dient. In einem "Memorandum zur Zukunft Internationaler Bauausstellungen" haben wir die wichtigsten Erkenntnisse aus früheren Treffen und der Geschichte der IBA zusammengefasst. Das Memorandum dient jetzt der freiwilligen Selbstverpflichtung auf gemeinsam anerkannte Qualitätsmaßstäbe, deren Gültigkeit von uns bei Besuchen und Gesprächen vor Ort kritisch befragt und gestärkt wird. Daneben sind "Patenschaften" einzelner Mitglieder für verschiedene IBA vereinbart. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse werden an die anderen IBA vermittelt und gehen auch in Empfehlungen ein, die als "Handreichungen" das Memorandum ergänzen.

© SZ vom 27.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: