Anlage:Rendite mit Risiken

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Die meisten der etwa 13600 Pflegeheime in Deutschland sind in gemeinnütziger Trägerschaft, so wie das Caritas-Altenheim St. Gisela in Gräfelfing bei München. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Auf dem Markt für Pflegeimmobilien lassen sich hohe Erträge erzielen. Doch der Fachkräftemangel wird für die Investoren zum Problem.

Von Bärbel Brockmann

Die Deutschen werden immer älter und bleiben immer länger fit. Die meisten jedenfalls. Aber auch die Zahl der Menschen, die wegen schwerer Behinderungen und Krankheiten pflegebedürftig sind, nimmt mit dem Alter kontinuierlich zu. Die jüngste Pflegestatistik des Statistischen Bundesamtes hat ergeben, dass 2015 knapp 2,9 Millionen Menschen pflegebedürftig waren, neun Prozent mehr als bei der vorigen Untersuchung 2013. Mehr als zwei Drittel von ihnen werden von Angehörigen oder Pflegediensten zu Hause betreut, 783 000 wurden in Pflegeheimen vollstationär gepflegt. Die Immobilienberatungsfirma CBRE schätzt, dass die Zahl der Pflegebedürftigen 2030 bei vier Millionen liegen wird. "Daraus ergibt sich, dass bis dahin Neubau- und Ersatzinvestitionen von 55 Milliarden Euro für zukunftsfähige, marktkonforme Pflegeeinrichtungen notwendig sind", sagt Jan Linsin, Analyst bei CBRE in Deutschland. Da die öffentliche Hand nicht in der Lage sein werde, diese Investitionen zu stemmen, dürften zunehmend Private in die Bresche springen, vermutet er.

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Pflegeimmobilien hatten 2016 mit drei Milliarden Euro einen Anteil von sechs Prozent am Transaktionsvolumen des Markts für Gewerbeimmobilien. Zum Großteil kommt das Geld von institutionellen Anlegern wie Pensionskassen oder Versicherungsgesellschaften. Sie lockt die Rendite, die mit mehr als fünf Prozent deutlich über dem liegt, was man mit anderen Geldanlagen erwirtschaften kann. Auch innerhalb der Gewerbeimmobilien liegt die Rendite meist höher als bei Anlagen in Büros, Geschäfte, Hotels oder Lagerhallen.

Neben den Anlagegesellschaften gibt es Investoren, die sich auf Pflegeimmobilien spezialisiert haben und die ihre Heime langfristig im Bestand halten und vermieten. Einer davon ist die schwedische Firma Hemsö, die in ihrem Heimatland schon lange einer der großen privaten Anbieter von Sozialimmobilien ist. Vor sechs Jahren streckte sie ihre Fühler nach Deutschland aus, weil sie im Inland an Wachstumsgrenzen stieß. Seitdem ist sie auf Einkaufstour. 38 Heime mit einem Marktwert von 400 Millionen Euro hat sie in Deutschland schon gekauft, zuletzt im Februar ein Pflegeheim in Bremen. Bis 2019 will Hemsö 500 Millionen Euro investiert haben. "Deutschland ist für uns schon aufgrund der schieren Größe des Marktes sehr interessant. Die Einstiegsrenditen sind gut, die Risiken angesichts der demografischen Entwicklung vergleichsweise gering", sagt Jens Nagel, Geschäftsführer der deutschen Hemsö-Tochter.

Im Unterschied zu vielen anderen privaten Investoren ist Hemsö nicht an Neubauten interessiert. Stattdessen übernimmt das Unternehmen bestehende Heime und saniert sie. Das hat seine Gründe: Ältere Heime liegen häufig in begehrten Innenstadtlagen, während neue aus Platzgründen meistens an den Ortsrand rücken müssen. "Außerdem hat die Übernahme von Bestandsimmobilien den Vorteil, dass man das Personal übernehmen kann", sagt Nagel. Es sei oft schwierig, in Randlagen oder in ländlichen Gegenden ausgebildete Leute zu bekommen.

Der Markt für Hemsö ist groß. Etwa 80 Prozent der deutschen Pflegeheime sind alt und sanierungsbedürftig. Aber nicht alle eignen sich für eine Modernisierung. Einige Häuser lassen sich nicht mehr zu vertretbaren Kosten so umwandeln, dass sie heutigen Standards entsprechen.

Viele Investoren kaufen lieber ein Heim statt eines zu bauen - das Personal ist dann schon da

Großinvestoren wägen beim Einstieg in diesen Markt drei Hauptrisiken ab: das Immobilienrisiko, das Standort- und Betreiberrisiko. Für Linsin von CBRE sind es vor allem die Fachkräfte, die bei vielen Investitionsentscheidungen für Alt oder Neu den Ausschlag geben: "Der Fachkräftemangel in den Pflegeberufen stellt sich immer mehr als größtes Hemmnis vor allem für den Erfolg von neu gebauten Pflegeimmobilien dar." Mit jedem neuen Heim finde eine Kannibalisierung unter dem Personal bestehender Heime statt. Trotz der Risikofaktoren haben sich Pflegeimmobilien zu einer attraktiven Anlageklasse entwickelt. Das liegt auch an der stetigen Professionalisierung auf dem Betreibermarkt. Noch ist der sehr kleinteilig. "Die zehn Größten haben gerade einmal einen Marktanteil von zwei Prozent", sagt Linsin. Investoren reizen auch die langen Pachtverträge im Pflegebereich. 20 Jahre und mehr sind durchaus üblich. Bei anderen Gewerbeimmobilien haben die Mietverträge meist weniger als zehn Jahre Laufzeit.

Bundesweit gab es im Dezember 2015 etwa 13 600 Pflegeheime, die im Durchschnitt zu 90 Prozent ausgelastet waren, hat das Statistische Bundesamt ermittelt. Die meisten waren in gemeinnütziger Trägerschaft, etwa von der Diakonie oder der Caritas. Fünf Prozent der Heime wurden von öffentlichen Trägern geführt. Der Anteil der privaten Träger lag bei etwa 42 Prozent.

Noch eine Besonderheit gibt es bei Pflegeimmobilien: Es gibt keinen freien Markt. Die Politik spielt eine große Rolle. Jede Änderung der Pflegegesetzgebung, zusätzliche Anforderungen an Heime, neue Zugangsvoraussetzungen - all das birgt für Investoren ein unkalkulierbares Risiko. Deshalb ist diese Nische auch nichts für Kleinanleger. Linsin von CBRE sagt: "Die Ungewissheit ist sicher ein Risiko, aber sie ist auch der Grund für die höheren Renditen."

© SZ vom 19.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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