Aktienmanipulationen:Die fatalen Folgen der Gier

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Aktien sind eine Anlageform, von der viele Deutsche profitieren könnten. Doch Aktienbetrügereien schädigen das Vertrauen - und verhindern eine realistische und ideologiefreie Einstellung.

Alexander Hagelüken

Das Ganze ist schwer zu glauben. Da soll eine Clique von Finanzprofis die Kurse von 20 Firmen manipuliert haben. Der Verdacht der Justiz: Sie tauschten Insider-Informationen aus und wetteten zum Beispiel auf den Absturz von Firmen, die sie anschließend schlechtmachten. Die Kurse fielen tatsächlich. Besonders perfide ist, dass sich im Visier der Justiz auch Anlegerschützer befinden, deren Daseinszweck per Definition das Gegenteil von Schädigung ist. Der womöglich größte Fall von Aktienmanipulation in der Bundesrepublik wirft die grundsätzliche Frage auf, wie die Deutschen zur Marktwirtschaft stehen - und wie erreicht wird, dass nicht nur Angehörige einer Elite, sondern möglichst viele Menschen von ihr profitieren.

Das Börsenparkett (im Bild: die Frankfurter Börse) kann rutschig sein. Wer sein Risiko streut, kann allerdings dauerhaft mehr verdienen als mit Sparbüchern oder Ähnlichem. (Foto: dapd)

Aktionäre sind dumm und frech, so geht ein Spruch des im Jahr 1850 geborenen Bankers Carl Fürstenberg. Dumm, weil sie Aktien kaufen. Frech, weil sie dafür auch noch Dividende wollen. Diese Attitüde prägte stets die Einstellung, die die Deutschen zu Aktien entwickelten. Anders als in den USA bemühte sich die Wirtschaftselite hier nie, das Volk zu einem Volk von Anteilseignern zu machen - sie behielt die Firmen und deren Gewinne lieber komplett für sich. Eine Aktienkultur konnte so nie entstehen. Das Verhältnis vieler Bürger zu Firmenpapieren ist bis heute von Extremen bestimmt: Entweder misstrauen sie Aktien aus ideologischen Gründen. Oder sie missverstehen die Wertpapiere als Werkzeug, um exorbitante Gewinne zu erzielen.

Ideologiefrei, realistisch und gesellschaftlich wünschenswert wäre eine andere Einstellung: Aktien sind Anteilscheine an Firmen, die als Motor die Marktwirtschaft vorantreiben. Wer Papiere kauft und sein Risiko streut, kann dauerhaft mehr verdienen als mit Sparbüchern oder Ähnlichem - Aktienbesitz kann also als ein Weg zu mehr Wohlstand für breite Schichten sein. Und ein Weg, um im Alter nicht nur auf die staatliche Rentenversicherung angewiesen zu sein.

Um diesen Weg zu ebnen, müssten Politiker und Manager den Aktienbesitz fördern. Die Anleger wiederum müssten einsehen, dass die Papiere gute Gewinne bringen, aber keine märchenhaften Renditen. Eine falsche Gier nährte sogenannte Börsenbriefe, die angeblich heiße Tipps verbreiteten. Aus dieser Szene entwickelte sich das Netzwerk, das illegal spekuliert haben soll.

Der Schaden für die Anlageform Aktie ist immens. Wem können Anleger noch vertrauen, wenn Tippgeber selber die Kurse steuern? Es ist richtig, dass die Justiz mit großem Engagement vorgeht. Am Ende wird sich zeigen, ob es schärferer Gesetze bedarf. Besonders wichtig aber ist es, die Gattung Anlegerschutz zu retten. Seit langem kämpfen Organisationen wie die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) für die Rechte privater Aktionäre und werden von Managern gern ignoriert. Dieser Ruf steht nun auf dem Spiel. Statt hilflos um sich zu schlagen, muss die SdK zeigen, dass sie auch in eigener Sache aufklären kann.

© SZ vom 30.09.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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