Ärzte: Kunstfehler:Wenn die Operation verpfuscht wird

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Erstmals bietet eine private Krankenversicherung Patienten systematisch Hilfe bei Kunstfehlern an. Anwälte warnen unterdessen vor Schlichtern.

Uwe Schmidt-Kasparek

"Ab sofort können unsere rund 350 000 Privatpatienten bei Verdacht auf eine Fehlbehandlung einen Anwalt konsultieren", sagt ein Pressesprecher der HUK-Coburg.

Bei Privatkassen ist dieser kostenlose Service neu. Angesichts einer Million geschätzter Opfer von Behandlungsfehlern pro Jahr dürfte er hohen Zuspruch erfahren. Privatpatienten haben sogar ein höheres Kunstfehlerrisiko. Sie werden im Vergleich zu Kassenpatienten rund 25 Prozent öfter operiert, wie eine Studie des Kölner Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen nachweist.

Schlichtungsstellen problmatisch

Einen Rechtsservice bietet zwar auch die Kölner DKV. Doch der kostet extra. Andere private Anbieter wie Marktführer Debeka oder die Münchener Allianz haben noch kein professionelles Behandlungsmanagement eingerichtet.

"Wir helfen auf Anfrage und nennen die Adressen der Schlichtungsstellen bei den Ärztekammern", heißt es bei der Allianz. Ein gut gemeinter Rat, der aber kontraproduktiv sein kann. Zwar sind die Gutachter- und Schlichtungsstellen kostenfrei, aber nach Einschätzung von Patientenanwälten kaum empfehlenswert. Sie werden nämlich vom vermeintlichen Gegner, den Arzthaftpflichtversicherungen, getragen. "Da gilt die Bauerweisheit: Wessen Brot ich esse, dessen Lied ich singe", kritisiert Medizinrechtlerin Ilse Dautert aus Oldenburg.

Gesetzliche Krankenkassen sind weiter

Wenn es um Ärztepfusch geht, werden die rund 8,6 Millionen Privatpatienten noch stiefmütterlich behandelt. Zumindes im Vergleich zu den Kassenpatienten. Fast alle gesetzlichen Krankenkassen haben längst ein professionelles Behandlungs-Fehler-Management eingerichtet.

Laut einer Umfrage des Online-Portals www.gesetzlichekrankenkassen.de geben 91 der 109 befragten Kassen an, eigens eingerichtete Abteilungen zu unterhalten, die sich mit dem Thema befassen. Ganz wichtig: Bei den gesetzlichen Krankenkassen (GKV) können die Betroffenen ein kostenloses Gutachten des Medizinischen Dienstes erhalten. Spricht das gegen den behandelnden Arzt, steigen die Chancen auf privaten Schadenersatz und Schmerzensgeld enorm.

Allein die AOKs erstellten 2008 insgesamt 4463 Gutachten für Versicherte, bei der Barmer Ersatzkasse waren es 1350 Expertisen. Rund ein Viertel habe den Verdacht des Versicherten erhärtet. Natürlich ist die Hilfe nicht ganz uneigennützig, denn sie erlaubt den Kassen, unberechtigte Behandlungskosten zurückfordern. Im Gegensatz zu privaten Krankenversicherern dürfen gesetzliche Kassen Schadenersatz wegen Falschbehandlung direkt geltend machen. "Wird der Patient wegen eines Fehlers länger oder öfter behandelt, holen wir uns den Mehraufwand direkt von der Haftpflichtversicherung des Arztes wieder", erläutert Frank Meiners von der Deutschen Angestellten Krankenkasse (DAK).

Techniker Krankenkassen holt sich Millionen zurück

Hilfe ist demgegenüber bei Privatkassen schwieriger. "Der private Krankenversicherer kann nur dann unmittelbar unterstützten, wenn der Versicherte seine Rechte bezüglich der Behandlungskosten an die Assekuranz abtritt", erläutert Jürgen Fritze vom Verband der Privaten Krankenversicherer (PKV) aus Berlin. Laut PKV gibt es derzeit keine Zahlen, in welchem Umfang Privatpatienten im Kampf gegen Mediziner geholfen wird. Demgegenüber konnte die Techniker Krankenkasse 2008 insgesamt 8,5 Millionen Euro wegen Falschbehandlung zurückholen. Bei der DAK waren es sogar zehn, bei der Barmer 18 und bei alle AOKs sogar über 20 Millionen Euro.

Schwierig bleibt der Kampf gegen Ärztepfusch trotz mehr Service. Immer noch müssen die Patienten den Fehler nachweisen. Damit sitzen die Mediziner am längeren Hebel, meint Peter Gaidzik, Fachanwalt für Medizinrecht aus Hamm. Das gelte trotz Beweiserleichterung bei groben Behandlungsfehlern. "Kein Mensch kann ja mit einem Notar ins Krankenhaus gehen und jeden Handgriff beglaubigen lassen", bedauert Jurist und Mediziner Gaidzik.

© SZ vom 22.09.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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