Drastische Steuerausfälle:Geld? Gibt's nicht mehr!

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Vielen westlichen Ländern stehen erbitterte Kämpfe ums Geld bevor: Die Steuereinnahmen sind 2009 auf das niedrigste Niveau seit 20 Jahren gefallen. Vergleichsweise genügsam ist ürigens der deutsche Staat.

Markus Balser

Die Wirtschaftskrise reißt weltweit tiefe Löcher in die öffentlichen Haushalte und zwingt Regierungen zum Überdenken ihrer Steuersysteme. Laut einer Studie der Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) sind die Steuereinnahmen aller OECD-Länder im vergangenen Jahr auf den niedrigsten Stand seit zwei Jahrzehnten gesunken. Der Rückgang sei für die Industrieländer damit so hart gewesen wie noch nie seit Beginn der Aufzeichnungen 1965, sagte Jeffrey Owens, Steuerexperte der Organisation am Mittwoch bei der Vorstellung der Studie in Paris. Leere Kassen, erdrückende Schulden: Vielen westlichen Ländern stehen erbitterte Kämpfe ums Geld bevor. In 25 von 28 Staaten war die sogenannte Fiskalquote 2009 geringer als im Vorjahr. Sie gibt das Verhältnis von Staatseinnahmen und Wirtschaftsleistung an.

Anteil der Steuereinnahmen am Bruttoinlandsprodukt in Prozent. (Foto: N/A)

Am stärksten fiel der Rückgang in Spanien, Island und Chile zwischen 2007 und 2009 mit fünf Prozentpunkten aus. In Griechenland, Irland, Neuseeland und den USA fiel die Quote um drei bis vier Prozentpunkte. Im Durchschnitt aller Länder gab sie um knapp einen Punkt auf 34 Prozent nach.

Deutschland hat keinen Spitzenplatz

Die Steuerforscher der Organisation räumen mit einem weit verbreiteten Vorurteil auf. Die deutschen Steuereinnahmen sind im internationalen Vergleich keineswegs Spitze. In Deutschland blieb der Anteil der Steuern 2009 stabil bei 37 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Damit liegt Deutschland über dem OECD-Mittelwert, aber nur im unteren Mittelfeld derjenigen 21 EU-Länder, die auch zur OECD gehören. In drei Ländern, Luxemburg, der Schweiz und der Türkei stiegen die Steuereinnahmen im vergangenen Jahr gegen den Trend.

Doch treffen die Folgen der Wirtschaftskrise viele öffentliche Haushalte hart. Die Einnahmen schrumpften 2009 in den meisten Ländern deutlich stärker als die Wirtschaftsleistung. Damit ist die tatsächliche Steuerbelastung gegenüber 2008 ebenfalls vielerorts gesunken. Steuersysteme sind ohnehin so konstruiert, dass die Belastung von Verbrauchern und der Wirtschaft in Krisenzeiten in der Summe sinkt. Viele Länder hatten härtere Einschnitte bei den Einnahmen in der Rezession bewusst in Kauf genommen und zur Unterstützung der Wirtschaft die Steuersätze sogar noch gesenkt. Am deutlichsten gingen die Einnahmen aus Unternehmenssteuern zurück. Sie machten am Rückgang etwa die Hälfte aus. Beherrscht wird das Steuer- und Abgabenaufkommen in Deutschland von Sozialbeiträgen. Deren Aufkommen im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung stieg im vergangenen Jahr leicht auf 14,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, gegenüber 13,9 Prozent im Jahr 2008.

Um die Steuer- und Abgabenquote der einzelnen Länder vergleichbar zu halten, werden in der OECD-Statistik anders als in der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung eine Reihe von finanziellen Zuwendungen an Haushalte und Unternehmen mit der Steuerschuld verrechnet. Entsprechend reduzieren sich dadurch das Steueraufkommen und damit auch die Steuerquote. Die größten Posten hier sind das Kindergeld, die Eigenheimzulage und die Investitionszulage. Wegen der starken Wirtschaftsentwicklung in Deutschland hält die OECD Vollbeschäftigung für möglich. "Ich halte eine Arbeitslosenquote von drei bis vier Prozent in den kommenden zehn Jahren für erreichbar - zumindest in der Mehrzahl der Bundesländer", sagte der stellvertretende Generalsekretär der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Aart de Geus, Zeit Online. Deutschland solle jedoch glücklich sein, wenn bis zu diesem Zeitpunkt noch Zeit verstreiche: "Vollbeschäftigung hat im deutschen Fall eine Kehrseite", sagte de Geus. "Es bedeutet auch, dass der Mangel an Arbeitskräften akut wird."

© SZ vom 16.12.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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