Geburtstag von Twitter:Hashtags, die Geschichte schrieben

Von #aufschrei bis #brager: Der Weltbeschleuniger Twitter wird zehn Jahre alt. Er hat nicht nur Erfolge vorzuweisen.

Von Johannes Boie und Friederike Zoe Grasshoff

Ein Erdbeben in Kalifornien, das mit 4,4 Punkten auf der Richterskala eingestuft wird, ist nicht gerade ein Aufreger. Als am 3. August 2006 die Erde zuckt, ist das im Grunde auch nur ein Vorbeben für etwas viel Größeres: Bei diesem Erdbeben stellen die Silicon-Valley-Jungs Jack Dorsey und Biz Stone fest, dass ihr seltsames kleines Internetangebot von seinen ersten Nutzern dazu verwendet wird, um das, was sie erleben, in Echtzeit in die Welt zu posaunen. Die Gründer hielten das für eine Antwort auf die Frage: Aber was macht man damit? Damals war Twitter noch kein halbes Jahr alt.

Am Montag wird Twitter zehn Jahre alt, und die Frage ist immer noch nicht eindeutig beantwortet, was freilich nur daran liegt, dass sie millionenfach beantwortet ist. Für berühmte Nutzer, die nichts können, aber gut dabei aussehen, ist das ewige Gezwitscher (deutsch für Twitter) oft Teil ihres Geschäftsmodells, sie kommunizieren mit ihren Fans, preisen ihr neues Parfum an und liefern sich dann und wann einen möglichst lauten Streit mit irgendjemand anderem auf der Plattform.

Die Sängerin Katy Perry führt die Liste an; wenn sie ein Herzchen twittert, können das bis zu 84,4 Millionen Menschen sehen. Andere Menschen twittern für ihre zwölf Follower jeden Tag, was sie gegessen haben. Journalisten verbreiten auf Twitter ihre Texte, Politiker ihre Thesen, Models ihre Fotos und Erika Steinbach ihren Zorn auf die Bundeskanzlerin.

Vor allem in den USA, wo der Dienst öfter genutzt wird als in Deutschland, lässt sich aus der Summe der maximal 140 Zeichen langen Tweets oft ein Trend ablesen. Hashtags helfen den 340 Millionen Nutzern, Themen schnell zu finden, der Begriff setzt sich aus dem Zeichen # (hash) und seiner Eigenschaft als Schlagwort (tag) zusammen. Und wer sich ungebührlich aufführt, bekommt das mitunter in einem Shitstorm zu spüren, wird also von unzähligen Kommentaren überflutet.

Twitter hat so sein Scherflein zur Beschleunigung der Welt beigetragen. Der Arabische Frühling wäre ohne den Dienst anders verlaufen, und die Nachrichtenseiten würden sich anders füllen. Das ist bemerkenswert, es reicht aber noch immer nicht für ein nachhaltiges Geschäftsmodell. Eigentlich soll sich Twitter über Werbung finanzieren, das funktioniert nicht: Zu wenige Nutzer sehen Werbung, und zu wenige Unternehmen wollen überhaupt werben. Sie geben ihr Geld lieber für Kampagnen auf Facebook oder Google aus.

Deshalb ist es weniger die revolutionäre Denkweise des Silicon Valley, wegen der viermal der Chef wechselte. Seit Herbst 2013 wird Twitter an der Börse gehandelt, die Aktie stand nie tiefer als in diesem Winter, wichtige Mitarbeiter sind gegangen. Neulich wurde Facebook-Gründer Mark Zuckerberg gefragt, was er als Twitter-Chef machen würde. Ihm fiel nicht mehr ein, als zu lachen.

Andererseits hat sich Steve Ballmer, ehemals Chef von Microsoft, vier Prozent an Twitter gekauft. "Man soll Anteile von Firmen kaufen, die sich noch verbessern können", sagte Ballmer dazu.

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