Streit um Urheberrecht:Baby darf zu Prince tanzen

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Ein 13 Monate alter Junge tanzt zu einem Lied von Prince, seine Mutter stellt das Video ins Netz. Die Plattenfirma versucht das zu verhindern - und verliert.

Von Kathrin Werner, New York

Alles begann 2007 in der Küche von Stephanie Lenz. Ihre Tochter flitzt mit einem Spielzeugkinderwagen vorbei, ihr Sohn hüpft in einem roten Strampelanzug herum und strahlt in die Kamera an. "Gefällt dir die Musik?", fragt die Mutter in dem Filmchen. Das 13 Monate alte Baby tanzt und lacht und stolpert beinahe. Im Hintergrund läuft Musik, man kann das Lied kaum erkennen, das Mikrofon rauscht.

Das Video dauert 29 Sekunden und ist ein bisschen unscharf, Lenz postet es bei Youtube. Hätte sie es nicht mit "Let's Go Crazy" betitelt, dem Namen des Liedes des Sängers Prince, zu dem ihr Baby tanzt, wäre sie vielleicht nie vor Gericht gelandet. Doch an Prince-Liedern hält jemand Rechte: Universal, der größte Musikkonzern der Welt. Ein paar Monate später findet Universal das Video von dem tanzenden Baby und zwingt Youtube, es aus dem Netz zu nehmen. Lenz und ihr Sohn im roten Strampler verletzten Universals Copyrights, befand der Konzern und berief sich auf ein Gesetz aus dem Jahr 1998, das Rechte-Inhaber vor illegaler Verwendung ihres geistigen Eigentums im Netz schützen soll, den Digital Millennium Copyright Act.

Lenz wehrt sich - und ist nach acht Jahren erfolgreich

Youtube entfernte das Filmchen - doch Universal hatte sich mit den Falschen angelegt. "Ich war sehr überrascht und sauer", sagt Lenz. "Universal sollte keine rechtlichen Drohungen nutzen, um Leute davon abzuhalten, Aufnahmen von ihren Kindern mit Familie und Freunden zu teilen." Lenz ist niemand, der leicht aufgibt. Sie kämpfte für ihr Filmchen, legte Widerspruch bei Youtube ein, ließ das Video wieder hochladen und zog vor Gericht.

Nun, acht Jahre später, hat sie in einer wichtigen Instanz gewonnen. Der Ninth Circuit Court of Appeals hat entschieden, dass Rechte-Inhaber nicht einfach jede Verwendung ihres geistigen Eigentums verbieten dürfen. Heutzutage laufen solche Rechte-Prüfungen komplett durch Computer, die automatisch Abmahnungen verschicken, wenn sie ein Lied irgendwo finden. Nun müssen Konzerne wie Universal von Fall zu Fall prüfen, ob die Verwendung vielleicht "fair" war, ordnete das Gericht an. Kleine Musikschnipsel, Wackelvideos ohne Gewinnerzielungsabsicht, die der freien Meinungsäußerung dienen, dürften als "fair" gelten. Eine Jury vor einem niedrigeren Gericht muss nun entscheiden, ob Universal ausreichend geprüft hat, ob der Küchentanz des Babys "fair" war.

Die wenigsten verteidigen ihre Katzenvideos vor Gericht

Es gibt jedes Jahr etliche solcher Fälle, in denen Konzerne Filme von Privatleuten aus dem Netz entfernen lassen. Abmahn-Anwälte versuchen so Geld zu verdienen. Die Blogger-Plattform Wordpress und Twitter lehnen ein Drittel aller Anträge ab, die darauf zielen, etwas zu entfernen. Meist gehen die Menschen nicht vor Gericht, um ihre Katzenvideos zu verteidigen. Die Konzerne kommen meist auch mit unberechtigten Beseitigungen durch.

Bei dem tanzenden Baby war das anders: Die Electronic Frontier Foundation hat Lenz Anwälte zur Seite gestellt. Die Stiftung kämpft für freie Meinungsäußerung im Internet und hat sich Lenz' Fall ausgesucht, weil es kaum einen geben dürfte, in dem der Rechte-Inhaber alberner aussieht: Universal gegen ein hüpfendes Kleinkind. Goliath gegen David.

Internetkonzerne wie Google oder Twitter haben den Fall genau beobachtet, genauso wie viele Internet-Aktivisten. Sie jubilieren nun: Das freie Internet habe gegen Großkonzern-Willkür gewonnen. Das tanzende Baby wird zum Präzedenzfall.

Lenz stellt noch immer ab und zu ein Foto von ihrem Sohn ins Internet - ohne Musikuntermalung, er ist inzwischen auch deutlich größer. Zu dem Gerichtsurteil wolle er sich bei Twitter nicht äußern, schrieb seine Mutter: "Er hat schon die Macht von 'Kein Kommentar' kennen gelernt. Im Alter von neun Jahren."

© SZ vom 16.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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